»Zart, hey! Ich sagte doch, ich mache keine Dummheiten!«
Das wollte Milo offenbar nicht ungeprüft glauben. Ich sah, wie er den Spaßvogel Lazarus – dieses bleiche Wrack, das uns verständigt und einen Deal vorgeschlagen hatte – mit sich zum Turm schleppte, wo Angus Tycon hinter einem Wust von Steuerelementen und Überwachungsmonitoren kauerte. Lazarus’ rechtes Handgelenk war mit einer Handschelle an Milos linkes gefesselt und machte die beiden unzertrennlich. Siamesische Zwillinge auf Zeit. Wir wollten kein Risiko mehr eingehen. Nicht in diesem Stadium.
Ehe wir das Podest erreichten, eilte uns Clive entgegen. Er hatte ein Megaphon bei sich, das ich ihm kurzentschlossen entriss.
»Der Chef ist oben bei ihm – verdammt!«
Ich hatte es gesehen, aber zunächst andere Sorgen.
Während Milo Clive instruierte, sprach ich durch das Megaphon zur Morgan Bank, vor der Orry, LaRocca und die anderen »Schauspieler« immer noch in abwartender Pose standen, weil wir ihren unfreiwilligen Amoklauf in letzter Minute gestoppt hatten.
Lazarus hatte gesungen, weil er sich von seinen eigenen Freunden verraten und verkauft glaubte – und plötzlich war uns alles klargeworden.
Die Strategie, die hinter Tycons verwirrendem Taktieren steckte.
Den Trichter am Mund versuchte ich mich in Schadensbegrenzung, ob die Kumpane von Lazarus sich schon in der Bank aufhielten, wusste ich nicht definitiv.
Aber wenn nicht, war das im Zweifelsfall das kleinere Übel.
»Jesse?«
Das war Mr. McKees Stimme. Er winkte mir von oben zu, und ich kletterte hinauf, gefolgt von Milo und seinem Schatten.
Tycon hatte sich in der ganzen Zeit keinen Zentimeter von der Stelle gerührt. Wie eine Statue hockte er vor den Monitoren, auf denen ich die Innenräume der Bank erkannte – und wo sich unser Verdacht bestätigte.
Tycons Trümpfe waren bereits drin!
Mehrere schwerbewaffnete Männer in den gleichen Verkleidungen wie unsere gestoppten Kollegen hielten die Menschen vor und hinter den Schaltern in Schach.
Die Waffe in der Hand, trat ich bis auf wenige Schritte an Tycon heran.
Er tat immer noch, als würde er mich nicht sehen – als würde er nichts von dem sehen, was rings um ihn vorging. Sein Blick war auf den Monitor geheftet, der die schwerbewaffneten Werkzeuge seiner Rache am deutlichsten heranholte.
Ich hielt ihm das Megaphon entgegen und versuchte, meine Stimme überlegen klingen zu lassen: »Sagen Sie ihnen, dass alles vorbei ist – dass sie aufgeben sollen! Machen Sie schon!«
Hinter mir rief Milo: »Sehen Sie ein, dass Sie verloren haben! Ihr Plan ist sinnlos geworden. Wir werden Ihre Handlanger in der Bank jetzt davon überzeugen, dass sie von Anfang an ebenso von Ihnen missbraucht wurden wie wir! Und ich glaube nicht, dass ihnen das gefallen wird.«
»Missbraucht ...!« Tycon schwang in seinem Sessel herum. Sein Blick war leer – und dennoch glomm etwas Düsteres im Hintergrund, als würde dort eine Lunte brennen, die doch noch die befürchtete Katastrophe auslösen konnte.
In seinem Schoß lag eine Art Fernbedienung – Geräten ähnlich, mit denen man Modellautos und -flugzeuge lenkte. Er hielt die Apparatur so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
Während sein Blick von einem zum anderen wechselte, sah ich, wie sein Zeigefinger verstohlen über die matt glänzende Oberfläche zum einzigen rot gekennzeichneten Knopf glitt.
»Fallen lassen! Lassen Sie das Ding sofort fallen!«, schrie ich.
Er lachte mich an, als könne ihn keine Drohung der Welt mehr erschüttern – als sei er unsterblich und jenseits allem, was Druck auf ihn hätte ausüben können.
In diesem Augenblick erkannte ich, was er wirklich war.
Ein Selbstmörder.
Sein Finger berührte trotz Warnung den roten Knopf.
»Kommen Sie näher, Mister Trevellian. Ich fürchte, Sie haben mich unterschätzt«, sagte er tonlos. »Die Kameras in der Bank sind keine einfachen Kameras, sondern Dynamit, das ...«
Dynamit!
Ich ließ ihn nicht ausreden, weil ich wusste, dass er im selben Moment den Knopf niederdrücken würde.
Ich schoss.
Und löste die Explosion aus.