Kapitel 14
BROOKLYN
Ich hole tief Luft und trete durch die Drehtür des Glacier Point Resorts.
Wird schon schiefgehen
.
»Hi, Brooklyn.« Mac, der gerade einem Gast mit dem Gepäck hilft, lächelt mir zu.
»Guten Morgen, Mac.«
Schnell husche ich durch die Lobby und ignoriere Neil und Noelle. Ich will mich einfach an die Arbeit machen und nicht die mitleidigen Blicke der Leute sehen, die zu unserer Hochzeit eingeladen waren. Das ganze Wochenende habe ich Öle hergestellt, aus Zutaten, die ich bereits hatte, denn ich hätte ja schlecht in unseren Garten gehen können. Ich habe Savannah angelogen und behauptet, ich hätte mir ein Taxi vom Flughafen genommen. Sie war zwar sauer, aber sie wird darüber hinwegkommen.
Offiziell bin ich erst gestern Nacht zurückgekommen, aber nach der Arbeit wird meine Familie bestimmt sofort anrufen.
Als ich die Tür zum Aufenthaltsraum öffne, fliegen Luftschlangen durch das Zimmer, und es trötet laut. »Willkommen zurück!«, ruft Reagan und wirft Konfetti in die Luft.
»Danke.« Ich muss über meine verrückte Kollegin lachen, die mich besser kennt, als ich dachte.
Ich hätte sie gern gefragt, ob sie meine Trauzeugin sein will, aber mit vier Schwestern und Jeff, der nur mit Mühe und Not seine Trauzeugen zusammengekratzt hat, ging das nicht.
»Ich freue mich ja so, dass du wieder da bist.« Sie schlingt die Arme um meine Schultern. »Und ich habe ganz vergessen, dir zu schreiben, denn das Wochenende war einfach …« Sie winkt ab, als wollte sie nicht ins Detail gehen. »Wir arbeiten heute mit dem heißen Feger.« Sie führt mich zu unseren Spinden, die direkt nebeneinander liegen.
»Da habe ich eine witzige Geschichte zu erzählen.«
Wir öffnen unsere Schließfächer.
»Über den heißen Boss?« Sie zieht die Stirn kraus.
»Er ist mein neuer Nachbar.«
Sie schubst mich. Da ich zwei Wochen ohne sie verbracht habe und überhaupt nicht darauf vorbereitet war, lande ich auf meinem Hintern. »Ernsthaft?« Sie streckt mir ihre Hand entgegen und hilft mir auf.
»Direkt gegenüber. Und«, ich sehe mich um, »er hat es mir erst gestern Abend erzählt. Nachdem
ich ihm gesagt habe, dass ich mich selbstständig machen will.«
Lachend schlägt sie die Hand vor den Mund. »So was kann nur dir passieren.«
»Das stimmt. Aber er hat ganz gelassen reagiert.«
»Nun ja, die Gerüchte besagen, er sei ein Arschloch.«
Ich schließe meinen Spind und warte darauf, dass sie sagt, es sei nur ein Scherz. Doch sie setzt sich ohne ein weiteres Wort auf die Bank und bindet ihre Schuhe.
»Bist du sicher?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Mac findet ihn cool. Aber Neil meinte, er habe gehört, wie er zu Mr Clayton gesagt hat, er müsse strenger zu uns sein. Dass es bei Abwesenheit drei Abmahnungen gäbe, bevor man fliegt.«
Ich setze mich neben sie. Der Mann, den ich kennengelernt habe, ist
ganz anders als der, den sie beschreibt. Aber anscheinend bin ich sowieso nicht gut darin, den Charakter eines Menschen zu erkennen.
»Na ja …« Ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll. Seine Forderung ist irgendwie nachvollziehbar, aber es würde vor allem Leute wie Reagan betreffen, die gerade eine schwere Zeit durchmachen. Als Mollys Tochter die Grippe hatte und sie sich bei ihr angesteckt hat, hat sie auch über eine Woche gefehlt. Doch ansonsten ist sie immer hier.
»Er will sich bestimmt nur ein wenig aufplustern.«
»Er ist doch kein Pfau, Brook.«
Ich schlinge die Arme um ihre Schultern. »Aber das Pfauenmännchen hat die schöneren Federn.«
Sie kichert. »Vergleichst du ihn gerade ernsthaft mit einem Pfau?«
Ich lege den Kopf an ihren. »Nun ja, er ist der attraktivste Mann, den ich je gesehen habe.«
»Warum sind die Pfauenmännchen eigentlich schöner als die Weibchen?«, knurrt Reagan.
»Ja, nicht wahr? Als würden die Männchen nicht sowieso schon alles bekommen.«
Die Tür öffnet sich. Wyatt bleibt kurz stehen und starrt uns an, bevor er zu den Spinden geht.
»Männer sind scheiße«, bemerke ich.
»Das sind wir.« Er lässt die Beleidigung an sich abprallen und öffnet seinen Spind, der sich gegenüber von meinem befindet. »Was haben wir jetzt wieder angestellt?«
»Es geht um die Tatsache, das Pfauenmännchen schöner sind als Pfauenweibchen«, erkläre ich.
Reagans Blick wandert zwischen uns hin und her.
»Bei Stockenten ist es genauso.« Er zieht eins meiner Fläschchen hervor und betupft damit seine Schläfen.
Da er hinter Reagan steht, kann sie ihn nicht sehen, doch wir lächeln
einander zu. Dass er sich über mein Geschenk freut, bringt meinen Magen zum Kribbeln.
»Das stimmt. Das ist bei den meisten Vögeln so. Nenn mir eine Spezies, wo das Weibchen hübscher ist«, erwidere ich.
Er schließt die Tür seines Spinds und sieht mich an. »Menschen.«
Kurz verengt sich meine Kehle, doch ich schaffe es trotzdem, ein paar Wörter hervorzupressen. »Nicht immer. Männer werden im Alter attraktiver, während Frauen nur alt und faltig werden.«
Leise lachend verlagert er das Gewicht auf die Fersen. Seine Uniform ist ganz anders als seine Alltagskleidung, die ich sonst an ihm kenne. Wenn Reagan ihn jetzt schon heiß findet, sollte sie ihn mal außerhalb der Arbeit erleben.
»Das stimmt nicht immer. Außerdem könnt ihr Kinder kriegen.«
Reagan verdreht die Augen und steht auf. »Das gebe ich gern ab.«
»Zu schade, dass das nicht möglich ist«, scherzt Wyatt.
Lachend richtet Reagan den Zeigefinger auf ihn. »Ich glaube, wir werden die nächsten zwei Wochen eine Menge Spaß haben.«
Wyatt sieht mich an. »Das glaube ich auch.« Kurz wandert sein Blick nach unten auf meine Brust, bevor er mir wieder in die Augen sieht.
Es ist nur eine körperliche Reaktion. Es hat überhaupt nichts zu bedeuten, dass ich Reagan aus dem Raum scheuchen und über Wyatt herfallen will.
Hallo? Vor zwei Wochen hättest du beinahe geheiratet!
»Wir sehen uns dann oben«, sagt meine beste Freundin, als könnte sie Gedanken lesen.
»Warte!«, rufe ich.
Reagan dreht sich um und mustert mich mit großen Augen, als wäre ich verrückt geworden.
»Reagan, das ist Wyatt. Wyatt, das ist Reagan.« Ich gestikuliere zwischen den beiden hin und her.
Reagan stellt sich neben mich und legt die Hand auf meinen Arm. »Süße, du
bist diejenige, die zwei Wochen lang weg war. Wir haben schon zusammengearbeitet.«
»Oh. Okay. Dann vergesst es einfach wieder.«
Grinsend tätschelt sie meinen Arm. »Brooklyn ist ein wenig übereifrig, weil sie ihren Job so sehr liebt.«
Sie verschwindet, und ich höre, wie die Tür hinter ihr zufällt. Es ist stickig hier drin. Wie an einem Sommertag kurz vorm Gewitter. Ich stelle mir vor, wie Wyatt die Hand unter meinen Rock schiebt. Dann wäre diese lächerliche Zimmermädchenuniform von neunzehnhundertdreiundachtzig wenigstens für etwas gut.
»Sie ist interessant«, sagt er, ohne den Blick von mir zu nehmen.
»Sie ist nett. Ich glaube, ihr Humor könnte dir gefallen.«
Ich muss sofort aus diesem Raum raus, wenn ich nicht auch noch als Nutte dastehen will. Verlassene Braut reicht schon.
»Nun gut, dann lass uns anfangen. Du bist heute der Boss.« Mit dem Kopf deutet er auf die Tür, damit ich vorangehe.
Na toll. Dann kann er meinen Hintern in einem Polyesterrock bewundern, der so lang ist wie die Röcke, die Grandma Dori sonntags in der Kirche trägt.
Eigentlich sollte es mir egal sein. Ist es aber nicht.
Wahrscheinlich bin ich jetzt in der Überbrückungsphase.