Mader hat noch mal die Akten studiert. Er ist sich jetzt sicher – zumindest sagt ihm das sein Ermittlerinstinkt –, dass bei dem Verbrechen damals Regensburger Polizisten involviert waren. Aber wie soll man das nach so vielen Jahren noch nachweisen? Einsicht in die alten Dienstpläne hat er noch nicht nehmen können. Aber Gruber will sich darum kümmern. Guter Mann, denkt Mader. Montagnachmittag sollen die Unterlagen kommen. Spätestens Dienstag. Mader macht sich Vorwürfe. Er hat zu lange gewartet. Er hätte sich viel eher mit dem Fall befassen müssen. Er holt Bajazzo ab. Der ist bester Dinge, denn er hat beim Pförtner des Präsidiums zwei Wiener und ein Stück kalten Schweinsbraten bekommen. Nette Leute hier. Ja, Regensburg ist eine Reise wert. Reise – wohlgemerkt. Mehr nicht. Heimat ist München! Da ist sich Bajazzo mit seinem Chef einig.
Mader geht gedankenverloren in Richtung Hotel.
»Karl-Maria?«
»Äh, ja?« Er dreht sich um und sieht einer großen blonden Frau ins fein geschnittene Gesicht.
»Kennst du mich nicht mehr?«, fragt sie.
»Äh.« Nein, das kann nicht sein. Oder doch? »Monika? Monika Kirchgässler?«
»Monika stimmt. Aber sonst Meier. Kirchgässler, das war einmal. In einer anderen Zeit. Was machst du hier? Das ist ja eine Ewigkeit her.«
Das kann sie laut sagen. Eine Ewigkeit. Sie wartet immer noch auf eine Antwort.
»Äh, ich bin beruflich hier«, sagt er schließlich. »Und du?«
»Ich lebe hier, also nicht in der Stadt, aber in Beratzhausen. Sag, wie geht es dir?«
»Gut, danke. Und dir?«
»Auch gut. Wollen wir einen Kaffee trinken gehen? Ich hab gerade ein bisschen Zeit.«
»Ich, äh, eigentlich wollte ich zum Hotel, meine Tasche holen und zurück nach München.«
»Ach komm, nimm einen Zug später und lass uns ins Venezia gehen.«
»Wohin?«
»Sag bloß, das hast du vergessen?«
Natürlich weiß er, was und wo das Venezia war. Die Eisdiele, in der sie die Schule geschwänzt haben, in der sie sich stundenlang an einem Cappuccino oder Eiskaffee festhielten, um den Vormittag zu verratschen. Die Eisdiele am Haidplatz. Gibt es die wirklich noch? Jetzt fallen ihm die Nonnen mit den Eistüten ein. Ja, klar. Manche Dinge ändern sich nie. Er muss lächeln.