KUNSTVOLL

»So, die Herren, schön, Sie wiederzusehen, Sie kennen ja den Weg.« So begrüßt Zankl den dicken Diego und den geilen Andi im Präsidium und deutet zu den Türen der Verhörräume. Andi und Diego tragen ihre Betroffenheitsanzüge, sie waren gerade auf dem Weg zu einem Einsatz. Zankl nimmt sich Diego vor, Dosi begleitet den geilen Andi in den anderen Raum. Hummel und Marlon verfolgen das Ganze vom dazwischenliegenden Zimmer.

»Mein Lieber, weißt du, warum du hier bist?«, beginnt Dosi.

»Sind wir jetzt per Du?«

»Ich schon. Also?«

Der geile Andi schüttelt den Kopf. »Wenn wir unseren aktuellen Auftrag nicht rechtzeitig erledigen, kriegen wir einen Riesenstress. Wir haben eine prominente Leiche für den Waldfriedhof, sehr prominent.«

»Woher hast du das blaue Auge, Diego?«, fragt Zankl im anderen Raum.

»Hingefallen.«

»So! Kennst du Zlatan Doblanovic?«

»Nie gehört.«

»Ganz sicher?!«

»Ja.«

Die letzten zwei Fragen und Antworten fallen zeitgleich in beiden Räumen. Im Parallelswing geht es weiter.

»Was hast du gestern Abend gemacht?«

»Ich war mit Andi/Diego unterwegs«, sagt Diego/Andi.

»Wo?«

»Im Sixty Lions.«

»Und sonst?«

»Was sonst?«

»Wart ihr die ganze Zeit zusammen?«

»Ja.«

Ende Synchronreden, jetzt gehen die Fäden auseinander. Kein kunstvoll geflochtenes Seil, an dem sie sich nach vorheriger Absprache entlanghangeln können.

»Tja, Andi, dann ist mal Schluss mit geil«, sagt Dosi. »Du stehst knietief in der Scheiße.«

Wobei – Zankls Wortwahl fällt recht ähnlich aus: »Tja, Diego, dann steckst du jetzt richtig in der Scheiße. Und dein Kumpel auch. Letzte Nacht wurde Zlatan Doblanovic tot aufgefunden. Und unter Zlatans Fingernägeln befindet sich deine DNA. Was fällt dir dazu ein?«

Diego rutscht nervös auf dem Stuhl rum, trinkt einen Schluck Wasser aus dem Pappbecher. »Ja, ich hab ihm eine gewischt. Aber ich hab ihn nicht erschlagen.«

»Du kennst ihn also doch?«

»Ja.«

»Woher?«

»Vom Fußball.«

»Wo hast du ihm eine gewischt?«

»Vorm Sixty Lions.«

»Was habt ihr da gemacht?«

»Bier getrunken. Dann kam der Zlatan, und wir haben gestritten.«

»Warum?«

»Er hatte einen Supertipp für uns. Wir haben einen Haufen Geld gesetzt. Osnabrück gegen Rostock. Und das war voll für den Arsch. Ein Scheißtipp!«

»Aha?«

»Die hatten ’nen Schiedsrichterwechsel.«

»Dumm gelaufen.«

»Allerdings«, meint Diego zerknirscht. »Aber ich hab den Zlatan nicht erschlagen. Nur ein paar Fotzen rechts und links.«

»Diego, das schaut jetzt gar nicht gut für dich und deinen Partner aus.«

»Der ist nicht mein Partner!«

»Wie, ich denke, ihr arbeitet im selben Unternehmen?«

»Ach so, ich dachte …«

»Nein, das ist dein Problem, du denkst nicht. Ich frag jetzt meine Kollegin, was der geile Andi so alles ausgeplaudert hat, und dann gucken wir mal, was wir für dich tun können. Du rührst dich nicht vom Fleck!« Zankl steht auf und verlässt den Raum.

Als sie die Befragung eine Stunde später beenden, haben Andi und Diego genau berichtet, was sie an diesem Abend gemacht haben. In erstaunlichem Gleichklang, obwohl sie ihnen im getrennten Verhör zahlreiche Fallen gestellt haben. Zankl ist frustriert, macht sich sein Auffrischungslehrgang Verhörtechniken offenbar doch nicht bezahlt. Aber Verdächtige sind ja nicht automatisch Täter. Leider. Anders wäre es ihm lieber. Dann hätten sie einen schnellen Fahndungserfolg. Haben sie nicht. Kurz und gut: Sie sind sich ziemlich sicher, dass die beiden Zlatan nicht umgelegt haben. Marlon ist anderer Meinung: »Hey, was wollt ihr, ihr habt die DNA, eine gewalttätige Auseinandersetzung, wir nehmen sie ordentlich in die Mangel, und dann wissen wir auch bald, wo die Tatwaffe ist.«

Das tun sie nicht. Aber sie behalten die beiden Jungs noch ein bisschen im Präsidium, bis sie ihr Alibi im Sixty Lions gecheckt haben.

Das ist bald der Fall. Laut Aussagen der Stammgäste ist der Abend genau so verlaufen, wie Andi und Diego gesagt haben.

»Diese Typen aus dem Stüberl können sich doch kaum erinnern, was sie morgens gemacht haben, wenn du sie abends fragst«, meint Marlon über die Zeugen. »Die sind doch andauernd blau. Ich finde, wir sollten die beiden etwas schmoren lassen.«

»Ja, Günther wäre glücklich, wenn wir ihm die Kleinganovenlösung anbieten könnten«, sagt Zankl. »Hauptsache, es sind nicht die Landsleute seiner wichtigen Politgäste.«

»Was willst du damit sagen?«, fragt Marlon gereizt.

Jetzt merken sie, dass Gesine in der Tür steht. Sie hat interessiert das kleine Wortgefecht verfolgt. Mader sieht zu ihr. »Gibt’s noch was, Dr. Fleischer?«

Sie nickt. »Wann haben sich unsere zwei Jungs mit dem Opfer geprügelt?«

»Um 21 Uhr«, sagt Dosi.

»Wenn sie ein gutes Alibi für die Zeit nach 21 Uhr haben, sind sie raus.«

Dosi nickt. »Sie waren den Rest des Abends im Sixty Lions. Dafür gibt es eine Reihe von Zeugen.«

»Dann waren sie es definitiv nicht. Man kann den Todeszeitpunkt nicht exakt bestimmen, weil die Leiche in der Nacht im kalten Regen lag. Aber ich weiß zumindest, wann Zlatan definitiv noch lebendig war. Ich hab den Blutzuckerspiegel des Toten gecheckt. Zlatan ist Diabetiker. Er hat sich seinen letzten Schuss Insulin etwa um 22 Uhr gesetzt.«

»Danke, Dr. Fleischer«, sagt Mader. »Das wird unsere zwei Verdächtigen glücklich machen. Uns bringt das leider gar nicht weiter. Drei Leichen. Drei Leute aus dem Fußballmilieu. Lucky Djuvic, Didi Schosser und jetzt Zlatan Doblanovic. Gibt es da Verbindungen? Hat jemand eine Idee?«

Dosi überlegt. »Das passt irgendwie nicht zusammen: ein Mama-Bubi, der zu Hause wohnt und seine Traumfrau mit dem Handy überwacht, und zwei herbe Typen mit Halbweltkontakten. Bei Djuvic und Zlatko könnten irgendwelche Milieugeschichten dahinterstecken, aber zu Schosser fällt mir nichts ein. Wer soll den umgebracht haben und warum? Marlon, du kennst diesen Berti doch. Ist Eifersucht bei dem ein denkbares Motiv? Wegen dieser Lisa?«

»Ich weiß nicht. Berti ist ein Windbeutel, nicht der Hellste. Der ist kein Killer, beim besten Willen nicht.«

»Kannte Berti Zlatan ebenfalls?«, fragt Mader.

»Gut möglich.«

Mader überlegt kurz, dann gibt er klare Anweisungen: »Hummel und Dosi, Sie sprechen noch mal mit Frau Doblanovic. Prüfen Sie, ob es irgendwelche Verbindungen zwischen den Toten gibt, ob Zlatan auch Schosser kannte. Zankl, Sie klemmen sich hinter die Schosser-Geschichte. Sprechen Sie mit seiner Mutter. Wir wissen noch zu wenig über ihn.«

»Und ich?«, fragt Marlon.

»Wir beide besuchen jetzt diesen Berti.«