EISZEIT

»Sauber, was du für Leute kennst!«, sagt Dosi zu Marlon. Sie haben sich am Nachmittag im Fußballmilieu umgehört, und Dosi war erstaunt, wer da alles vertreten war: IQ von null bis hundertfünfzig, alles dabei, sehr breite Palette. Fußball ist eben nicht Tennis, wie Hummel kürzlich mal zu ihr gesagt hat. Jetzt sind sie auf dem Weg ins Präsidium. Auf der Tegernseer Landstraße fährt Marlon plötzlich rechts ran. »Ich geb eins aus«, sagt er.

»Kein Bier vor vier«, sagt Dosi.

Er schüttelt den Kopf und deutet zur Eisdiele.

»Cool«, meint Dosi. »Ich nehm Erdbeer, Schoko, Melone und Zitrone. In der Waffel.«

Marlon lacht. »Du bleibst im Wagen, damit wir keinen Strafzettel kriegen.« Er steigt aus und stellt sich an.

Dosi niest. Sie fahndet in ihren Hosentaschen nach einem Taschentuch. Fehlanzeige. Sieht sich im Auto um. Nichts. Sie öffnet das Handschuhfach. Entdeckt dort Taschentücher. Und ein Navi. Der BMW hat doch ein eingebautes Navi?, wundert sie sich. Ist das Gerät für die Ducati? Nein, zu groß. Außerdem ist das eine Rennmaschine, da wäre ein Navi oberpeinlich. Dosi hat einen ganz komischen Gedanken. Zlatans Navi? Sie sieht zu Marlon. Noch zwei Leute, dann ist er dran. Sie drückt auf ON, die Software wird geladen. Sie geht auf »Nach Hause«, sieht nervös zur Eisdiele. Warum dauert das so lange?! Marlon kommt schon wieder zurück zum Wagen. Panisch drückt sie OFF und steckt das Gerät zurück ins Handschuhfach. Marlon steigt ein. Sie schnäuzt sich. Die Taschentücher riechen nach Menthol. Marlon schnuppert und sieht sie verwundert an. Sie nimmt das Eis entgegen. »Das ist ja eine Riesentüte!«

»Vier Kugeln. Vorsicht, tropft!«

Dosi zieht ein Taschentuch aus der Packung und wickelt es um die Tüte.

Auf der Fahrt ins Präsidium konzentriert sich Dosi ganz auf ihr Eis. Oberflächlich. Sie denkt nach. Was macht das Navi in Marlons Handschuhfach? Könnte es tatsächlich das von Zlatan sein? Hat Marlon es sich schnell aus Zlatans Wagen geholt, nachdem sie den Tatort verlassen und bevor sie sich bei Zlatans Wohnung getroffen haben? Wie hat er Zlatans Auto aufgekriegt? Hat er vorher dem Toten den Schlüssel abgenommen? Nein, Geldbörse und Schlüssel hatte Zlatan bei sich, nur kein Handy. Kommt Marlon auch ohne Schlüssel in ein Auto? Traut sie ihm durchaus zu. Hat er im Präsidium das Kabel absichtlich angefasst? Weil seine Fingerabdrücke schon dran waren? Fragen über Fragen. Dosi ist so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht merkt, wie sie Eis auf ihr T-Shirt kleckert. Marlon wählt eine Nummer. Die Freisprecheinrichtung tutet. Dann die AB-Ansage: »Professor Dr. Herrmann Schimmel kann gerade nicht sprechen, bitte hinterlassen Sie nach dem Piep einen Nachruf.«

»Hi, Paps, ich bin’s. Du, das mit deinem Navi wird nichts. Da kriegst du kein Update mehr. Und der Akku ist eh am Ende. Da musst du für deinen Oldtimer doch ein neues Navi kaufen. Kostet nicht die Welt. Und du verdienst ja ganz gut. Wir sehen uns. Ciao.«

Dosi sieht ihn fragend an. »Einmal Sohn, immer Sohn«, sagt Marlon gut gelaunt. »Übrigens: Du tropfst.«

Jetzt entdeckt Dosi den großen Erdbeerfleck auf ihrem Shirt. Sie grinst. Und schämt sich für ihr Misstrauen.