FRIEDLICH

Der Föhn rutscht die Berge ganz nah, der Himmel ist ein glühendes Band. Die Stadt leuchtet. Weiße Scheinwerfer, rote Bremslichter, Lichtraster der Hochhausfenster, all das Leben in all den Wohnungen.

»Schon ein Ding«, sagt Hummel und sieht durch das Gitter an der Brüstung der Aussichtsplattform des Olympiaturms. »Von hier oben sieht alles so friedlich aus. Eine der sichersten Großstädte der Welt. So viel Schönes, Beschauliches, Familienglück.«

»Wie läuft es denn mit deiner neuen Familie?«, fragt Zankl.

»Nicht so gut.«

»Hast du Karla das mit dem Stadion erzählt?«

»Bin ich wahnsinnig?«

»Hey, du bist ein Held. Du hast heute Nachmittag viele Menschenleben gerettet.«

»Das wissen nur wir Polizisten. Wenn Karla das erfährt, flippt sie aus, weil ich Paul dabeihatte. Und ihn allein gelassen hab. Dann kommt sie sofort wieder mit ihrer Verantwortungsnummer.«

»Das tun sie alle. Mach dir nichts draus.«

»Doch, mach ich. Aber darum geht es auch gar nicht.«

»Sondern, worum geht es?«

»Um was Prinzipielles.«

»Und das wäre?«

»Karla glaubt nicht dran, dass das mit uns was wird. Nie habe ich wirklich Zeit, nie bin ich wirklich da. Findet sie.«

»Und, ist das so?«

»Vielleicht. Sagt Jasmin das nicht?«

»Doch, manchmal. Aber sie liebt mich trotzdem.«

»Glückwunsch.«

»Ach komm. Wenn das euer Problem ist, dann liebt Karla dich nicht wirklich.«

»Na, vielen Dank.«

»Tschuldige. Aber so ist das.«

»Wahrscheinlich hast du recht.«

»Und du liebst immer noch Beate.«

»Vielleicht.«

Zankl lacht. »Ich sag dir was: Scheiß auf die Weiber!«

»Oh mei, Zankl.«

»Ist doch wahr! Warum sind wir eigentlich hier?«

»Ach, ich dachte, es wäre gut, noch mal von oben draufzuschauen. Das alles war so undurchsichtig. Wir haben keine Ergebnisse. Keine Schuldigen in den drei Mordfällen. Mirko hat das BKA weggebunkert, von dem hören und sehen wir garantiert nix mehr. Marlon ist ein Undercover-Heini. Und Dosi liegt im Krankenhaus. Grandiose Bilanz.«

Zankl nickt. »Und Mader ist physisch mehr in Regensburg als in München. Psychisch wahrscheinlich ganz. Na ja, immerhin hat er Dosi gefunden.«

»Ja, immerhin. Ich hab das Gefühl, dass wir keinen Meter vorangekommen sind, haben uns die ganze Zeit nur im Kreis gedreht haben.«

»Drehen ist gut. Weißt du, was wir jetzt machen? Ich lad dich ins Turmrestaurant ein, wir fahren eine Runde, zischen ein paar Bier und gucken auf die Stadt runter. Du hast was gut bei mir.«

»Wieso?«

»Du hast Mirkos Anschlag verhindert. Und ich wäre mit schuld gewesen, wenn etwas passiert wäre. Hätte ich gleich reagiert, als Berti mir am Telefon von Mirko erzählt hat …«

»Dann hätten wir was gemacht? Vielleicht wären wir dann wegen der Fahndung nicht ins Stadion gegangen. Und das wäre viel schlimmer.«

»Meinst du, Hummel?«

»Ja, logisch. Trotzdem darfst du mich einladen. Aber Vorsicht, ich hab Hunger.«

»Mal sehen. Leberkäs gibt’s da wahrscheinlich nicht. Aber schaun ma mal.«

Auf dem Weg ins Restaurant laufen sie einem alten Bekannten in die Arme: Stöger, der sich gerade eine Zigarette anzünden will.

»Herr Stöger!?«

»Herr Zankl!«

»Sie rauchen?«

»Ähm, ja, gelegentlich, nach dem Essen.«

Zankl nickt langsam. »Das ist Herr Hummel, ein Kollege. Er war damals auch dabei, unten am Turm.«

Stöger nickt und zündet sich jetzt die Zigarette an und inhaliert tief.

»Was, äh, machen Sie hier?«, fragt Zankl.

»Gut essen. Das Restaurant ist hervorragend. Und Sie?«

»Die Aussicht genießen.«

»Gibt’s denn was Neues zu Schosser oder Djuvic oder Zlatan?«

»Noch nicht. Aber bald«, sagt Zankl und grinst. »Berti will auspacken. Sie kennen doch Berti Zahnfeld?«

»Flüchtig.«

»Der Berti kannte alle drei. Und nachdem er heute Besuch von Luckys Bruder Mirko bekommen hat, wurde ihm plötzlich klar, dass die Polizei doch sein Freund und Helfer sein könnte. Jetzt will er uns erzählen, was er über Djuvic und Zlatan weiß. Wir sind schon sehr gespannt.«

»Na, im Moment sehen Sie ja eher entspannt aus.«

»Ach, das ist relativ«, sagt jetzt Hummel. »Der läuft uns nicht davon. Wir wollen uns noch mal die Stelle anschauen, von der Schosser offenbar runtergestürzt wurde. Das war übrigens drüben auf der anderen Seite der Plattform, bei dem Bauzaun.«

Stöger nickt und tritt die Zigarette aus. »Dann wünsch ich mal viel Erfolg. Schönen Abend noch.«