PERSÖNLICH

Endlich ruft Günther zurück. Es passt ihm im Moment gar nicht, er ist auf dem Weg zu einem Lyrikabend in der Seidlvilla. Nachdem Mader ihm aber mitgeteilt hatte, dass es ausgesprochen dringend ist – eine sehr persönliche Sache –, erklärt er sich bereit, vorher noch schnell bei ihm vorbeizukommen.

»Jetzt bin ich aber gespannt«, sagt Günther, als er schließlich in feinem italienischem Zwirn und mit gewagtem Halstuch Maders Wohnung betritt.

»Trägt man das jetzt so?«, fragt Mader und deutet auf das lila Halstuch.

Günther hebt die Augenbrauen und deutet auf die altmodische Schrankwand. »De gustibus non est disputandum.«

Mader rückt den Laptop auf dem Couchtisch zurecht. Ohne Vorwarnung klickt er durch die Fotos.

Günther atmet tief durch. »Mader, was machen Sie für Sachen?«

»Ich mach keine Sachen.«

»Die Bilder, das, das ist … ekelhaft.«

Mader erklärt ihm, was passiert ist. Dass er in Regensburg im Fall seines Vaters ermittelt hat. Was er herausgefunden hat. Welche Personen er dort getroffen hat. Peter Nerlinger, dessen Vater, Monika.

»Was sagt Gruber in Regensburg zu Ihren Nachforschungen?«, fragt Günther schließlich.

»Der hat mir sehr geholfen, obwohl er nicht begeistert war, dass ich mich da so reingekniet habe.«

»Kann ich verstehen.«

»Wie?«

»Wenn die Indizien so naheliegend sind, dann fragt man sich doch, ob wirklich mit aller Sorgfalt ermittelt wurde.«

»Was machen wir jetzt?«

»Hat sich denn schon jemand gemeldet, um Sie zu erpressen?«

»Nein.«

»Glauben Sie, dass sich jemand meldet?«

»Ich weiß es nicht. Eher nein. Peter wird denken, dass ich die Warnung verstehe.«

»Okay, Mader, dann sag ich Ihnen jetzt eins: Lassen Sie die Finger von dem Fall.«

»Das kann ich nicht. Ich bin so nah daran.«

»Ich werde einen erfahrenen Beamten damit betrauen.«

»Das geht nicht. Bis der sich in die Details eingearbeitet hat, das dauert viel zu lange.«

»Ich werde diesen Fall höchstpersönlich übernehmen.«

»Sie?«

»Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht erpressbar.«

»Ich bin auch nicht erpressbar!«

»Nun ja. Aber bevor wir weitermachen, sagen Sie es mir ins Gesicht: Mit kleinen Jungs haben Sie nix am Hut?«

»Wofür halten Sie mich!? Ich war da mit einer Jugendliebe. Und hab geschlafen wie ein Betonklotz. Monika muss mir irgendwas ins Getränk getan haben.«

»Gut. Oder nicht gut. Also, ich verwahre den USB-Stick und den Umschlag. In die kriminaltechnische Untersuchung können wir den Stick mit den Bildern allerdings nicht geben. Wer weiß, was passiert, falls da was durchsickert. Ich fahre sofort nach Regensburg.«

»Jetzt noch?«

»Wir müssen schnell sein, damit rechnet der Absender des Datensticks sicher nicht. Wie heißt das Hotel?«

»Das Orphé in der Altstadt.«

»Reservieren Sie mir ein Zimmer, für heute noch.«

Mader ist ganz verwirrt, als Günther verschwunden ist. So kennt er seinen Chef gar nicht. So dynamisch, bereit, sich für eine Sache einzusetzen, deren Ausgang alles andere als sicher ist. Hat er ihn falsch eingeschätzt? Vielleicht will Günther tatsächlich etwas für ihn tun. Auch mit der Stelle in Regensburg. Mader reserviert das Zimmer und macht den Fernseher an, um die Zeit totzuschlagen.