»Was ist das für eine Scheißkarre?«, schimpft Igor über den Leichenwagen.
»Sorry«, sagt Andi. »Aber wir hatten gerade ’nen wichtigen Job, und du brauchst wieder alles gleich und sofort.«
»Mietwagen hätten die uns eh keinen mehr gegeben«, ergänzt Diego. »Nach der letzten Aktion. Die Selbstbeteiligung mussten wir auch noch blechen. Wann kriegen wir jetzt endlich unsere Kohle?«
»Kohle, wofür? Dass Mirko euch abgehauen ist? Bist du blöd?« Igor wendet sich an Andi. »Dein Kumpel reißt das Maul sehr weit auf!«
»Igor, wir brauchen echt die Kohle.«
»Macht ihr den Job heute gut, dann kriegt ihr Kohle. Da vorn rechts.«
Sie biegen in einen Feldweg ein, fahren durch ein Wäldchen.
»Halt, hier stopp!«, sagt Igor. Er nimmt ein Fernglas aus seiner Aktentasche und steigt aus. Studiert den Kleinlaster und die Meute unten im Steinbruch. »Sauber, alle da, nur Mirko nicht. Aber Pogo. Ihr zwei geht runter. Ich will wissen, was der Zwerg sagt zu den Jungs.«
Andi und Diego schleichen sich zur Abrisskante der Grube und hangeln sich am Gestrüpp nach unten, um in Hörweite der Gruppe zu kommen.
Pogo staunt über sich selbst. Er ist ganz in seinem Element. Mirko ist verhindert und hat ihn tatsächlich mit einer Generalvollmacht ausgestattet. Jetzt ist er derjenige, der sagt, wo’s langgeht. Der Termin wurde sehr kurzfristig angesetzt. Ein bisschen knapp, aber es hat noch geklappt. Schon heute Abend werden die Teilnehmer abreisen. Vorher können sie sich noch von der Qualität der Ware überzeugen, die sie dann in großen Stückzahlen bei Mirko bestellen sollen. Seine Jungs haben inzwischen die Maschinengewehre in Stellung gebracht und richten gerade die Flak aus.
Andi und Diego kauern hinter einem Busch und beobachten gebannt die illustre Herrenmannschaft. Und das sollen laut Igor ranghohe Regierungsmitglieder aus Südosteuropa sein? Es sieht eher nach einer Faschingsgesellschaft aus. Dazu passt auch die ausgelassene Stimmung.
Die Herren sind bester Laune. Konferenz hin oder her – ein ordentlicher Shoot-out sagt mehr als tausend Worte. Pogo gibt das Signal, und die Gewehre donnern los, Geschosshülsen fliegen durch die Luft, genauso aufgeschreckten Enten und Krähen, Steine spritzen, alles ist voller Pulverdampf.
Dann gibt es einen gewaltigen Rumms, und das Flakgeschoss eliminiert den oberen Rand des Steinbruchs auf zehn Metern Breite. Großer Jubel unter den Anwesenden. Und weil es so schön ist, schlagen die nächsten zwei Einschüsse knapp daneben ein, sodass jetzt ein großes Stück des Hangs in Bewegung kommt. Mit ihm der Wagen, der oben am Feldweg parkt. Mit offenen Mündern sehen die Anwesenden, wie mit den Geröllmassen ein Leichenwagen nach unten stürzt.
»Verdammt!«, zischt Andi. »Igor sitzt im Auto!«
Diego schüttelt den Kopf, deutet nach oben zur Hangkante. Dort steht Igor. Breitbeinig. Mit einer Kalaschnikow. Tarrangtarragtatatatrrang!!! Das Feuer wird erwidert. Volles Rohr! Als Igors Kugeln auch im Gebüsch von Andi und Diego einschlagen, rennen die beiden los und ziehen den nächsten Kugelhagel auf sich. Bei der Camouflagefraktion gibt es erste Opfer, man wimmert und schreit. Die nächste Granate aus der Flak donnert mitten in den Hang. Und noch mal. Und ein drittes Mal.
Feuerpause.
Alle starren auf den Hang, der aufächzt und jetzt auf kompletter Breite nachgibt. Igor verschwindet in den Fels- und Erdmassen, eine Lawine aus Stein und Dreck donnert herab, die Schützen rennen wie die Hasen, Andi und Diego auch. Die Erdmassen erreichen den Damm des angrenzenden Baggersees und reißen ihn ein wie ein Blatt Papier. Der Wasserdruck fegt den lädierten Damm hinweg, die Flutwelle erfasst die flüchtende Militarygang.
Es dauert keine Minute, und der Steinbruch ist komplett geflutet. Von den Menschen und dem Transporter ist nichts mehr zu sehen. Die Krähen sitzen auf einem zerzauselten Busch.
»Wow! Dagegen ist Rambo ein Dreck.«
»Guck mal, die beiden da sind übrig. Die schauen auch nicht so gefährlich aus. Ganz nett eigentlich. Besonders der Dicke.«
Andi und Diego klammern sich an das Gestrüpp auf einem kümmerlichen Erdhäufchen. Um sie herum nur braunes Wasser.
»Fliegen müsste man können«, meint Andi und deutet mit dem Kopf zu den zwei Krähen.