FLASCHE

München-Neuhausen. Die schrille Klingel lässt Berti Zahnfeld hochschrecken. Er ist gerade vom Training beim FC Ismaning heimgekommen und hundemüde. Er erhebt sich mühsam vom Sofa und geht zur Tür, drückt den Summer, begibt sich wieder aufs Sofa. »Bestimmt Lisa, weil sie wieder ihr blödes Spielzeug vergessen hat«, murmelt er. Er sieht zum Couchtisch, wo ein iPhone in Swarovski-Hülle liegt.

Kurz darauf steht Zlatan in seinem Wohnzimmer.

»Du?«, fragt Berti erstaunt.

Zlatan atmet schwer.

»Ist was passiert?«, fragt Berti. »Setz dich. Willst ein Bier?«

»Wasser.«

Berti bringt ihm ein Bier. »Wasser ist aus.«

Zlatan nimmt einen großen Schluck.

»Was ist los, Zlatan?«

»Lucijan ist tot.«

»Ja, hab ich gehört. Starker Abgang. Mitten im Pokalspiel. Der Lucky – immer für eine Überraschung gut. Tja, Sport ist Mord.«

»In mein Auto ist eingebrochen worden. Vorgestern.«

»Aha?«

»Ich hab da meine Sachen drin, also die Sportsachen, die Vitamine und das ganze Zeugs.«

»Deinen Doping-Scheiß.«

»Ist kein Doping-Scheiß! Das sind Vitamine, Mineralstoffe und so. Auch Luckys Sachen.«

»Fehlt was?«

»Nein.«

»Na, dann ist ja alles gut.«

»Nix ist gut. Stöger hat beim Training von 1860 einen Bullen getroffen. Die ermitteln wegen Lucijan. Wenn jetzt jemand was in Lucijans Flasche getan hat, also in seine Vitamine, dann ist das nicht gut. Am Ende denkt noch wer, dass ich was damit zu tun hab.«

»Warum sollte das jemand machen?«, unterbricht ihn Berti.

Zlatan beißt sich auf die Lippe.

»Jetzt sag schon!«

»Der Lucijan hat mir erzählt, wie er Stöger kriegt richtig am Arsch. Hat gesagt, dass er ihm ein Angebot macht, das er nicht ablehnen kann.«

»Wer, der Stöger dem Lucky?«

»Nein, Lucijan dem Stöger.«

»Oh, mei. Lucky – der Pate. Lucky hat den Stöger erpresst?«

»Ich weiß es nicht, ja, vielleicht. Und jetzt ist er tot.«

»Du meinst also, der Stöger hat da seine Finger im Spiel?«

»Ich weiß nicht.«

»Womit hat Lucky denn Stöger erpresst?«

»Ich, nein, ich weiß nicht …« Zlatan verstummt.

»Oh, Mann. Zlatan, komm runter! Trink dein Bier, entspann dich. Du machst ein bisschen viel in letzter Zeit. Wie wär’s, wenn wir zwei endlich richtig Geschäftspartner werden? Ich brauch Geld.«

»Geld. Du. Klar. Wegen deine Scheiß-Zockerei. Du schuldest mir jetzt schon einen Haufen Kohle. Geld seh ich nie wieder.«

»Aber klar doch. Magst du einen Schnaps?«

Zlatan schüttelt den Kopf, aber Berti füllt zwei Gläser. Vierfache. Sie trinken auf ex.

»Zlatan, was genau machst du eigentlich für Stöger?«

»Kurier, seine Jungs fahren, Klamotten besorgen …«

»Das Vitaminzeugs auch?«

»Nein, das ist allein mein Geschäft. Aber Stöger macht die Vorfinanzierung.«

»Viel Arbeit?«

»Schon.«

»Wie wär’s, wenn ich da einsteige?«

»Stöger mag dich nicht.«

»Ach, das ist doch verjährt. Und was soll ich denn sagen? Hätte Stöger damals seinen Job gut gemacht, würde ich heute bei Bayern spielen. Na ja, bei Sechzig zumindest. Außerdem ist es dein Geschäft. Du sagst ihm, dass wir zwei jetzt Partner sind. Und sag ihm auch, dass ich verschwiegen bin. Weißt du, ich hab viele Kontakte in der Szene. Der Markt für das Zeug ist groß. In den unteren Ligen kontrolliert keiner. Und im Wettgeschäft hab ich richtig viel Know-how. Hey, Zlatan, da könnten wir so richtig Gas geben. Hey, was machst du denn für ein Gesicht?«

»Wenn die Polizei jetzt kriegt raus, dass in Luckys Trinkflasche was drin war …«

»Ach komm, die werden ausgerechnet auf dich kommen. Und selbst wenn, warum solltest du deinen Kunden schaden wollen? Ist die Ware noch im Auto?«

Zlatan nickt.

»Dann musst du die Sachen entsorgen!«

»Aber das Zeug kostet Scheiß-Geld!«

»Dann bring ich es in ein sicheres Versteck? Wenn die bei Lucky was finden, sind die schnell bei dir. Wir stellen das Zeug bei meiner Oma in den Keller. Die geht da nicht mehr runter. Du machst ein bisschen Pause mit dem Zeug, bis sich die Wolken verzogen haben.«

»Welche Wolken?«

»Sagt man so. Aber Probleme sind da, um gelöst zu werden. Zlatan, wir sind doch Kumpels. Ich helf dir. Komm! Ich hab noch ’ne Stunde. Dann muss ich zu Lisa.« Berti steckt Lisas iPhone ein und geht zur Tür. »Weißt du, Zlatan, ich hab langsam eine Vorstellung davon, was der Lucky über den Stöger weiß. Und du weißt es auch. Du bist ja direkt an ihm dran. Da gibt es doch Möglichkeiten. Für uns beide. Wir bereden das im Auto. Ich glaube, dass der Stöger doch noch einen Job für mich hat. Und dann mischen wir zusammen das Geschäft so richtig auf!«