Auch Mader hat gestern zu viel getrunken. Um am Sonntag den Samstagabend zu verarbeiten. Essen gehen mit Günther ist wie das Produkt einer kaputten Zeitmaschine, die immer wieder dieselbe Situation, dasselbe Setting kreiert: irgendwelche aufgemotzten Edellokale mit penetrant diskreten Kellnern und einer Plüschatmo wie in einem Edelpuff. Täglich grüßt das Entenleberparfait. Was für ein Dreck! Wenigstens bot der Tumult, den er versehentlich mit seinem Brotkonfekt ausgelöst hatte, eine sehenswerte Show. Sein kleines Missgeschick hatte eine Schlägerei zwischen der Tischgesellschaft einer goldenen Hochzeit und dem Personal zur Folge. Ganz großes Kino! Nach dem vorzeitigen Ende des Gourmet-Events hatten sie einen Lokalwechsel vorgenommen und waren in einem griechischen Lokal gelandet. Ambientemäßig nicht ganz der Knaller, geschmacklich aber durchaus. Wie selbst Günther zugeben musste. Günther wirkte in diesem normalen Lokal beinahe menschlich, wie Mader erstaunt feststellen musste. Tja, manchmal sind die Menschen wie die Kulissen, vor denen sie agieren, denkt Mader.
Genug philosophiert. Jetzt mal im Ernst. Günther versucht immer noch mit allen Mitteln, ihn nach Regensburg wegzuloben. Mader hat gehofft, dass dieser Kelch endgültig an ihm vorübergegangen wäre, als der dortige Dezernatsleiter doch noch um ein Jahr verlängerte. Das eine Jahr ist allerdings schon fast wieder vorbei. Countdown läuft erneut. Und er ist weiterhin der Wunschkandidat. Günther hat ihn eindringlich gebeten, sich doch noch einmal mit den Regensburger Kollegen zu treffen. Die wären sehr interessiert. Wegen seiner hohen Aufklärungsquote würde er hohes Ansehen weit über die Münchner Stadtgrenzen hinaus genießen. »Als ob das allein mein Verdienst ist«, war seine Antwort gewesen. Günther hatte abgewunken und gelacht: »Der Fisch stinkt immer vom Kopf.« Um dann staatstragend hinzuzufügen: »Es geht um Führungskompetenz!«
Regensburg also. Mader denkt an seine unaufgeräumte Jugend dort nach dem frühen Tod seines Vaters. Aber wäre das aktuelle Angebot von Günther nicht eine gute Gelegenheit, diese Baustelle endlich mal aufzuräumen? Will er das? Wäre das dann seine letzte berufliche Station? Über diese Dinge hat Mader am Sonntag gegrübelt. Und den Abend früh mit einem dunklen Bier eingeläutet. Als der Tatort anfing, war er schon beim vierten Bier.
Jetzt am Montag fühlt er sich gar nicht gut an seinem Arbeitsplatz. So generell. Er sieht auf die Uhr und seufzt. »Komm, Bajazzo, wir müssen zum Bahnhof.«