SCHLANGE

»Geht da vielleicht mal was vorwärts?!«, motzt Dosi, als sich die Schlange am Kiosk an der Reichenbachbrücke so gar nicht bewegt. Der Mann ganz vorne dreht sich verärgert um – und staunt: »Hey, Dosi!«

»Zankl, was machst du denn hier?«

»Ich versuch, dem Mann beizubringen, dass ich leider nicht genug Geld eingesteckt habe, die zwei Bier aber trotzdem mitnehmen möchte.«

»Lass mich das machen.« Dosi kommt nach vorne und fährt den Kioskmann an. »Hey, haben Sie noch nie Ihren Geldbeutel zu Hause vergessen?«

»Nein«, lautet die Antwort.

Dosi zieht ihren Ausweis. »Wollen Sie, dass ich mir Ihren Laden mal genauer anseh? Alkoholverkauf an Jugendliche, wie sieht’s denn damit aus?« Sie dreht sich um und nimmt zwei Jungs in der Warteschlange ins Visier. »Nur Cola!«, sagt der eine. Der andere nickt nervös und nuschelt: »Spezi. Ohne Zucker.« Der Kioskmann sieht Dosi dumm an. Dosi knallt einen Zwanziger auf den Tresen: »Sechs Bier und zwei Tüten Chips, Wasabi!«

Der Angesprochene will sie schon darauf hinweisen, dass der Geldschein dafür nicht ganz reicht, verzichtet aber lieber darauf und händigt die Ware aus.

»Danke«, sagt Zankl, als sie über die Brücke ans andere Flussufer gehen.

»Was machst du hier?«, fragt Dosi.

»Ärger vermeiden. Daheim.«

»Was Ernstes?«

»Nein. Das Übliche. Und du?«

Dosi deutet von der Brücke auf den quietschbunten Lenkdrachen, der am inzwischen tiefroten Abendhimmel seine Kreise zieht.

Kurz darauf sitzen sie zu dritt auf der Wiese. Vor ihnen flackert ein Grablicht, das Fränki ebenfalls in der Drogerie gekauft hat.

»Ich will aber euren Romantikabend nicht stören«, sagt Zankl und prostet ihnen zu.

»Na ja, wer Einsamkeit sucht, ist hier verkehrt«, meint Dosi.

»Sag mal, Fränki, spielst du eigentlich Toto?«, fragt Zankl.

»Geh ich noch in den Kindergarten? Natürlich tipp ich. Was willst du wissen?«