Mader ist auf dem Rückweg zum Hotel. Er war im Biergarten Kneitinger, und ihm schwirrt der Kopf. Das Bier, die vielen Worte. Sie haben sich großartig unterhalten. Nicht nur über die alten Zeiten. Auch über heute, die Arbeit, das Leben allgemein. Peter hat eine beeindruckende Bilanz: verheiratet, drei erwachsene Söhne, ein großes Haus in Prüfening und eine gut gehende Anwaltspraxis. Tja, da besteht kleines Ungleichgewicht zwischen den beiden alten Freunden – finanziell, statusmäßig, familiär. Mader ist Kriminalbeamter in mittlerer Führungsposition, alleinstehend und bewohnt eine kleine Dreizimmerwohnung in einem Wohnblock in Neuperlach. Kein Vergleich.
Bajazzo bellt. Er spürt, dass Mader ihn in seiner Bilanz vergessen hat. »Ja, Bajazzo, du hast ja recht«, sagt Mader und sieht zu seinem Gefährten hinunter. Bajazzo markiert gerade den Eckstein eines mittelalterlichen Gemäuers.
Sie erreichen das Hotel. Vor dem Orphé stehen drei Bistrotische. Einer ist besetzt von einem verschwitzten Geschäftsmann, der sich bei einem Weißbier durch die Mails in seinem Handy scrollt, an dem anderen sitzt ein ineinander verschlungenes junges Paar, er in Jeans und T-Shirt, sie in einem bezaubernden Fiftyskleid – weiß mit großen roten Tulpenblüten. Reizend. Findet Mader. Bei Damenmode ist er ganz oldschool. Der dritte Tisch ist frei. Eigentlich will Mader ins Bett, aber die in Laternengold getauchte Gasse vor dem Hotel reizt ihn zum Verweilen. Er lässt sich nieder und bestellt einen Whiskey. Bier hat er heute genug gehabt. Bajazzo streckt sich wohlig auf dem immer noch sonnenwarmen Kopfsteinpflaster aus.
Ein schöner Abend. Mit einer Ausnahme. Als er Peter gesagt hat, dass er mit dem Gedanken spielt, das Verbrechen an seinem Vater aufzuklären, hat Peter sehr emotional reagiert. Ablehnend. Wie er denn auf diese Idee kommt? Nach so vielen Jahren. Ob er nicht die Vergangenheit ruhen lassen kann? »Das habe ich schon viel zu lange gemacht«, hat er trotzig geantwortet. »Ich kann nicht an einem Ort arbeiten, wo ich mit so vielen offenen Fragen konfrontiert bin.« Peters Meinung: »Vorbei ist vorbei, das ist jetzt 50 Jahre her«, hat Mader nicht gefallen. Gefällt ihm auch jetzt nicht. Nun gut, jeder hat seine eigene Sicht auf die Welt, ein Anwalt tickt anders als ein Polizist. Er nippt nachdenklich an seinem Whiskey.