Die Cessna rollt auf der Betonpiste vor den kleineren Flugzeughallen am Flughafen Salzburg aus. Ein weißer Mercedes gleitet lautlos auf die Cessna zu. Die Bordtreppe klappt herunter. Spiegelbrille im grellen Mittagslicht. Stahlgrauer Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte. Unter feinem Stoff durchtrainierte Oberarme und Oberschenkel. Kein Bürohengst oder Börsenparkettheini. Auch die blondierten Bürstenhaare sprechen dagegen. Markante Nase, harter Zug ums Kinn, über der Schulter eine Sporttasche.
Die rechte hintere Tür des Mercedes schwingt geräuschlos auf. Mit der Eleganz einer Raubkatze steigt der Mann ein.
»Servus, Mirko«, sagt der Fahrer, ein sehr kleiner bulliger Mann, der den Sitz auf die höchste Stufe gestellt hatte, um in der großen Limousine den Überblick zu behalten. Seine kurzen Arme bedingen einen eher uncoolen Abstand von Oberkörper und Lenkrad. Aber er hat den Wagen eins a im Griff. Der Mercedes braust über die Betonpiste auf die Ausfahrt zu, fädelt mühelos in den dichten Verkehr ein, überholt mehrmals, dann Autobahnauffahrt. Linke Spur. Lichthupe.
»Pogo, warum weiß?«, fragt Mirko.
»Was?«
»Der Wagen. Warum weiß?«
»Schwarz hatten sie nicht da.«
»Weiß ist scheiß!«
»Ich weiß. Warum Salzburg?«
»Ich trau Deutsche nicht.«
»Tja. Wie geht’s in Kärnten?«
»Gut. Schloss fast fertig. Kriegt Preis für Fassade.«
»Schön.«
»Was genau ist passiert mit Lucijan?«
»Pokalspiel. Ist plötzlich umgefallen. Das Herz.«
»Unfall?«
»Angeblich Doping, Überdosis.«
»Zlatan hat geschworen, dass er passt auf. Dreck, Dreck, Dreck! Lucijan bekommt großes Begräbnis. Alle Verwandten werden kommen aus Zagreb, ganze Familie.«
»Äh, ja, also …«
»Ja?«
»Hm …«
»Sagst du!«
»Ähm, gleich, also …« Pogo konzentriert sich auf den dichten Verkehr.
Mirko beugt sich nach vorne und legt seinen rechten Unterarm um Pogos Kehle. Vermindert seine Luftzufuhr. Erheblich. Pogo windet sich, hält das Lenkrad aber streng auf Kurs. Der Griff lockert sich.
»Was ist mit Lucijan?!«, raunt Mirko.
»Er ist schon unter der Erde.«
»Was?!«
»Du warst in Brasilien, wir dachten …«
»Ihr nicht denkt. Ihr Scheiße!«
»Mirko! Es wäre nicht gut gewesen, wenn du auf der Beerdigung aufgekreuzt wärst. Da warten deine Feinde nur drauf. Die Russen sind nicht begeistert, dass du mit ihnen keine Geschäfte mehr machen willst.«
Mirko atmet tief durch. »Ihr hättet mir sagen müssen! Das ist meine Job. Meine Bruder. Lucijan!« Mirko verstummt, versinkt in Gedanken. Dunklen Gedanken.
Plötzlich schreit Mirko wie am Spieß. Pogo zuckt zusammen.
»Fahr raus!«, brüllt Mirko und greift von hinten ins Lenkrad.
Der Mercedes schleudert in die Parkplatzeinmündung. Mit einer Vollbremsung bringt Pogo den Wagen in einer Parkbucht zum Stehen. Mirko stürmt raus. Zum Erstaunen der zahlreichen Pinkel- und Brotzeitgäste klettert er über den Maschendrahtzaun und verschwindet im angrenzenden Waldstück.
Kurz darauf erklingt von dort ein gespenstisches Heulen. Pogo kratzt sich am Kopf und denkt an Transsilvanien. Seine Heimat. Nein, die Wölfe dort heulen schöner. Er raucht nervös.
Einige Zigaretten später ist Mirko zurück. Sein Sakko ist an Revers und Taschen eingerissen, die Knie seiner Hose sind verdreckt.
»Wo ist Lucijan?«, zischt er.
»In Aichach. Auf dem Friedhof.«
»Fährst du hin!«
Zurück auf der Autobahn. Hinter der Grenze ist die Geschwindigkeitsbegrenzung auf hundertzwanzig aufgehoben. Pogo tritt das Gaspedal durch. Die Beschleunigung drückt die beiden Insassen in die Lederpolster.
»Wie genau ist gestorben?«, fragt Mirko.
»Beim Fußball. Ich war im Stadion. Grünwalder Straße. Lucijan war großartig im Sturm. Hat drei Sechzger ausgedribbelt. Die konnten ihn nicht stoppen. Lucijan stürmte mit dem Ball aufs Tor und plötzlich – zack! – umgefallen.«
»Er hat immer noch genommen diese Mittel?«
»Heißt es.«
»Zlatan muss bezahlen.«
»Mirko, mach jetzt bitte keinen Scheiß. Was wir echt nicht brauchen können, ist noch mehr Unruhe. Zwei Tote sind genug.«
»Zwei?«
»Noch ein Fußballer.«
»Was ist passiert?«
»Ist vom Olympiaturm gefallen.«
»Na und? Was hat das mit Lucijan zu tun?«
»Nichts. Außer, dass die Polizei auf hundertachtzig ist und die Fußballszene gerade unter die Lupe nimmt. Wenn die jetzt anfangen, in Luckys Sachen zu wühlen, ist das nicht gut für uns. Gar nicht gut. Vor allem, wenn die rauskriegen, dass du noch lebst.«
»Habt ihr seine Handy und Computer?«
»Ja, ist alles weg. Aber du weißt ja nie.«
»Wer ist Toter von Olympiaturm?«
»Didi Schosser, Neuzugang bei den Bayern. Mehr weiß ich nicht.«
Mirko sinkt nachdenklich in die Lederpolster.