»Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.« Der Smokey hat das Sport-T-Shirt gegen ein Hemd ausgetauscht und sich ordentlich am Schreibtisch platziert, bei der Frau Sklarek allerdings läuft die Katze über die Tastatur, und im Hintergrund spielt ein Kind. Zehn Uhr vormittags, der Bechterew macht ein Nickerchen. Der Kayacik kennt die Frau Sklarek und hat dem Smokey bei ihr die Tür geöffnet.

»Kein Problem. Der Polizei habe ich das aber schon alles erzählt.«

»Ich interessiere mich mehr privat«, beeilt sich der Smokey zu erklären. »Ich vertrete Frau Elisabeth Schanninger als Betreuer. Sie erbt von ihrem Sohn, und ich bin dabei, mir einen Überblick zu verschaffen, ob es überhaupt Sinn hat, das Erbe anzunehmen. Wegen der Insolvenz, Sie wissen schon.«

Das Bild seiner Laptopkamera ist zum Glück so miserabel, dass die Frau Sklarek nicht sieht, wie schlecht er lügt. Außerdem ist sein Argument an den Haaren herbeigezogen, aber sie sagt nur »Ach so« und hebt dann ein Kind auf ihren Schoß.

»Wir lassen uns nicht erpressen«, sagt die Frau Sklarek, kämpft mit dem Kind, das an ihrem Zopf zieht. »Ganz einfach. Den Bauantrag in der Gietlstraße hätte er bekommen, ohne Frage. Aber das hat ihm nicht gereicht.«

Das hätte auch auf dem Grabstein vom Schani stehen können, schießt es dem Smokey durch den Kopf. Es hat ihm nie gereicht.

»Was wollte er noch?«

»Die Genehmigung für sein Projekt in der Balanstraße. Er hat versucht, uns unter Druck zu setzen. Nach dem Motto: Ihr bekommt euer Begegnungshaus, damit steht ihr gut da. Im Gegenzug sollte ich den Bauantrag für die andere Sache hier durchpeitschen.«

»Aber so läuft das nicht«, sagt der Smokey und schaut fasziniert der Frau Sklarek zu, wie die in aller Ruhe Kind und Katze von ihrem PC weghält und trotzdem konzentriert ist.

»Richtig. So läuft das nicht. Herr Schanninger kommt aus einer anderen Zeit. Mag sein, dass meine Vorgänger oder Vorvorgänger noch eine gewisse Hinterzimmerpolitik betrieben haben, wo mündliche Absprachen gang und gäbe waren. Aber das ist wirklich lange vorbei. Das hat er nicht verstanden, Ihr Herr Schanninger.«

Mein Herr Schanninger, will der Smokey sagen, war ein ganz anderer als Ihr Herr Schanninger.

Leider ist er nur selten dazu gekommen.

 

Die Frau, die ihm öffnet, überrascht ihn. Auch sie ist schön, auch sie hat er noch nie zuvor gesehen.

Aber sie lächelt ihn sofort an, als kennten sie sich. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich melden.«

»Sie wissen, wer ich bin?«

Sie legt den Kopf zur Seite, ihr Lächeln ist schief. »Bechterew.«

So, wie man ihm seine Krankheit ansieht, sieht er ihre. Sie hat keine Wimpern und keine Augenbrauen, trägt ein buntes Tuch auf dem Kopf.

Die Trauer um die Monique, lange verdrängt, greift sofort nach seinem Herzen. Er weiß nicht, ob er das kann. Aber es gibt kein Zurück.

Er steht wie festgewurzelt und schaut sie an. Schmal ist sie, viel zu schmal, in seinem Alter. Unter der Jeans schauen nackte Füße heraus, mit roten Zehennägeln.

»Ich kann Sie nicht hereinbitten, wegen der Ansteckung.«

Aus ihrer Wohnung riecht es nach Kaffee, nach gutem Kaffee, so wie ihn die Gabi macht. Und nicht wie der Sirup, der aus seiner alten Maschine tropft.

»Kennen Sie Moni’s Eck

Sie lacht und schüttelt den Kopf.

»In der Tegernseer, gleich hier.« Er sagt ihr die genaue Adresse. »Dann erzähle ich Ihnen von der Schmerztherapie.«

»Eigentlich hatte ich gehofft …« Sie lässt den Satz in der

»Heute Abend«, sagt er, »auf dem Dachboden. Da ist ein Fenster, wo man rauskann.«

Und das hat ihn jetzt selbst überrascht. Erst der Hornochse vom Dienst und dann sich selbst überholen. Herzlichen Glückwunsch, Josef Frey, denkt er, vielleicht bist du doch nicht so deppert, wie du denkst.