»Hast du schon etwas gehört?«, fragte sie, als sie das Zimmer betrat.
Er schüttelte bedauernd den Kopf.
»Du hast ihnen doch heute Morgen gemailt. Man sollte denken, die flippen aus vor Freude und rufen gleich an.«
Mürrisch legte sie einen Packen Fotos auf den Schreibtisch und setzte sich.
»Die melden sich schon noch«, meinte er. »Diese Marcia will um jeden Preis Model werden. Und wenn sie kommt, dann nicht allein.«
»Hoffen wir’s. Marcia wirkt aber schon ziemlich erwachsen.«
»Stimmt, das ist ein Nachteil. Aber mit dem richtigen Make-up kann man sicherlich einiges machen.«
»Welchen Termin hast du dir vorgestellt?«
Er antwortete nicht gleich, sondern spielte mit seinem Nokia auf dem Schreibtisch herum.
»Am besten Samstag«, sagte er dann. »Morgen kommt das Zeug, das ich bestellt habe. Mal sehen, ob wir’s brauchen …« Er gab dem Handy einen Schubs, sodass es sich im Kreis drehte.
»Ehrlich gesagt, mir behagt das Ganze nicht.« Sie sah ihn ernst an. »Wir haben mit so etwas keine Erfahrung, und überhaupt, es sind doch noch Kinder.« Sie stand auf und nahm genervt das Handy an sich.
Seufzend lehnte er sich zurück. »Da müssen wir durch. Wir können kein Risiko eingehen. Wenn sie jetzt wieder abspringen … Mach bitte keine Schwierigkeiten, ja?«
»Ich weiß nicht. Ich meine, es ist doch was anderes, ob sich junge Frauen freiwillig vor der Webcam ausziehen oder ob wir Kinder mit falschen Versprechungen irgendwohin locken und dann auch noch gegen ihren Willen fotografieren!«
Er seufzte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, seiner Frau offen zu sagen, womit er sein Geld verdiente. Doch bisher hatte sie alles gut aufgenommen. Jetzt galt es, ihre Bedenken wegen der Kinder zu zerstreuen, denn ohne ihre Hilfe konnte er seinen Plan vergessen.
»Die beiden sind doch keine Kinder mehr! Und es geschieht nichts gegen ihren Willen. Sie entscheiden selber, wie weit sie gehen wollen.«
»Ich kenne dich. Du gibst dich so schnell nicht zufrieden.«
»Mag sein, aber auch du hast in der Vergangenheit von meinem Ehrgeiz profitiert.«
»Die Geschichte mit der Modelagentur ist mir suspekt. Du gehst ein sehr hohes Risiko ein, wenn du den Namen eines bekannten Unternehmens benutzt. Warum hast du ihnen nicht einfach deine Website genannt?«
»Das hätte gerade noch gefehlt!« Er lachte höhnisch. »Dann hätten sie doch gleich gesehen, worum es geht. Jetzt maul nicht rum. Ich hab alles sorgfältig geplant, da kann gar nichts schiefgehen. Wenn wir unsere Kunden halten wollen, müssen wir ihnen auch was bieten. Sonst gehen sie zur Konkurrenz und du kannst wieder bei der Reinigungsfirma arbeiten. Willst du das?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Dann lass uns in Ruhe abwarten«, meinte er beschwichtigend. »Vielleicht machen die beiden überhaupt keine Schwierigkeiten. Heutzutage sehen die Mädchen alles viel lockerer. Nimm nur mal unsere eigenen Kinder …«
»Aber das sind fremde Kinder! Und was in deinen Augen ein schlichtes Nacktfoto ist, kann für andere schon Pornografie sein.«
Sie sahen einander an, als das schwarze Motorola zu summen begann.
Er griff nach dem Handy und meldete sich: »Hans Groesbeek.« Dann zwinkerte er seiner Frau zu und lauschte.
»Hallo, Marcia. Schön, dass du anrufst. … Ja, zu schade, dass aus dem Auftrag für Pink nichts geworden ist. Der Kunde hat sich, wie schon erwähnt, für zwei andere Kandidatinnen mit mehr Erfahrung entschieden.« Er schwieg kurz, um seine Worte wirken zu lassen, und fuhr dann fort: »Dass ihr beide Talent habt, ist aber unbestritten. Und das kann man nicht von jedem Mädchen behaupten, das gern Model werden möchte. Deshalb würden wir gern mit euch zusammenarbeiten. Vor wenigen Tagen sind neue Aufträge eingegangen und einer davon scheint uns geeignet für dich und deine Freundin. Es geht um Aufnahmen für einen Kleiderkatalog und dazu braucht es nicht unbedingt große Erfahrung. Ihr würdet ein ansehnliches Taschengeld verdienen. Was haltet ihr davon? … Eine tolle Chance? Ja, das ist es mit Sicherheit … Natürlich, besprich das mit Floor, denn ohne sie wird nichts draus; ich brauche zwei Mädchen.«
Während er Marcias aufgeregtem Geplapper im Hintergrund lauschte, nickte er seiner Frau zu und hielt den Daumen hoch.
»Nun, was meint Floor dazu? … Sie ist einverstanden? Sehr schön! Dann noch Folgendes. Wir haben, wie gesagt, dem Auftraggeber einige der Fotos vorgelegt, die wir neulich im Park gemacht haben. Er ist von euren frischen Gesichtern begeistert. Nun möchte er gern noch ein paar Studioaufnahmen von euch sehen, denn Fotos für Kleiderkataloge werden meist drinnen gemacht. Und das künstliche Licht im Studio kann den Hautton verändern. Wir müssten das also erst mal testen. Die Aufnahmen im Studio sind allerdings aufwendiger und nehmen einen ganzen Tag in Anspruch. Wir sollten also einen Termin am Wochenende abmachen, am besten möglichst bald.«
Er lachte, als Marcia begeistert zustimmte. »Kommenden Samstag, sagst du? Moment, ich sehe rasch in meinem Terminkalender nach.« Er wartete ein paar Sekunden. »Doch, das könnte klappen … das heißt, nein ich sehe gerade, dass wir dann das gleiche Problem haben wie neulich: Fotograf ausgebucht! Vielleicht kann ich selber ja noch mal …« Er seufzte. »Nein, leider … ich habe am Samstag einen Termin mit einem Kunden … aber den könnte ich eventuell verschieben auf … doch, ja … Samstag würde passen. Wir treffen uns also am Samstag, den 23. Juni, in Ordnung? Unser Studio ist in der Nähe von Elst. Wenn ihr den Zug nehmt und am Bahnhof Elst aussteigt, hole ich euch dort ab. Um halb elf vormittags, lässt sich das einrichten? … Sehr schön!«
Er unterdrückte ein Lachen, als Marcia sich überschwänglich bedankte.