Kapitel 10
Auf dem Fußboden von Coras Büro entdeckte Frazer, dass Cora der Typ für einen Quickie am Arbeitsplatz war.
Verschwitzt und zerzaust hatte Cora sich wieder ihre Hose angezogen. Hatte ihren Oberkörper mit dem BH und ihrem T-Shirt bedeckt. Sie angelächelt. Und war dann zur Tür gegangen. Bevor sie hinausgeschlüpft war, hatte sie sich noch einmal umgedreht. »Wollen wir morgen zusammen Mittagessen?«
Frazer hatte genickt, nackt, und sich nicht länger leicht und entspannt gefühlt. »Okay.«
Jetzt lag sie zu Hause auf der Couch und fragte sich, wo zur Hölle sie da reingeraten war.
»Leute?« Frazer richtete sich etwas auf und stützte sich auf ihre Ellbogen. Sie spähte durch die Scheibe des Aquariums, das am Ende der Couch stand. »Bin ich ein Idiot?«
Zwei der Fische huschten hinter eine Koralle und tauchten nicht wieder auf.
»Das werte ich mal als ein Ja.«
Sie seufzte und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Sie und Cora. Freundinnen. Die Sex miteinander hatten. Während eine von ihnen verheiratet war.
Frazer hätte nie gedacht, dass sie sich auf so etwas einlassen würde. War sie in dieser Sache unschuldig? Traf Cora die volle Schuld? Immerhin war Frazer nicht diejenige, die verheiratet war.
Nein.
Frazer wusste, was sie tat. Und sie musste es beenden.
Coras Bitten waren lächerlich. Warum hatte Frazer zugestimmt? Sie hatte in diesem Moment nur das Flehen in Coras Stimme gehört. Und ihre Lippen waren so nah an der Stelle gewesen, die vor Verlangen nach ihr pulsiert hatte.
Das konnte so nicht weitergehen. Sie hatte genickt, als Cora vor ihr
gekniet hatte, aber sie hätte es nicht tun sollen. Sie hätte niemals zustimmen dürfen.
Das würde sie ihr morgen auch sagen. Beim Mittagessen würde sie Cora sagen, dass das, was sie taten, Wahnsinn war. Dass sie Frazer nicht benutzen durfte, um herauszufinden, was mit ihrem Leben nicht in Ordnung war.
Aber wurde Frazer wirklich benutzt? Die Situation war bekannt. Sie wusste, dass Cora verheiratet war. Frazer bekam Sex und eine Freundschaft. Aber es war schrecklich, Alec so zu hintergehen.
Frazer vergrub ihren Kopf in einem der Sofakissen und stöhnte laut.
Morgen.
Morgen würde sie Cora sagen, dass sie das beenden mussten.
~ ~ ~
Und schon war der nächste Morgen da. Den ganzen Vormittag über hatte Frazer eine pränatale Untersuchung nach der anderen gehabt. Sie war nur die Hälfte der Zeit geistig anwesend. Die andere Hälfte widmete sie dem, was sie Cora sagen wollte.
Eine dritte Hälfte ihrer Gedanken, auch wenn das mathematisch unmöglich war, kreiste um das Ausbildungsprogramm, das sie nächste Woche beginnen wollten. Bald würden sie mehr Mentorinnen haben und damit auch mehr Menschen helfen können. Die Klienten, die eine Mentorin aus der Abteilung Soziale Arbeit hatten, würde Frazer als Hebamme begleiten, und diejenigen, die eine Hebamme als Mentorin hatten, würde Cora als Sozialarbeiterin betreuen. Bei einem höheren Patientenaufkommen ließ sich das nicht mehr bewältigen, aber fürs Erste würde es so gehen.
»Alles perfekt, Erin.« Frazer zog sich die Handschuhe aus und ließ sie in einen Mülleimer fallen.
Die Erleichterung auf dem Gesicht der Frau, die auf dem Untersuchungstisch lag, war deutlich spürbar. »Ja? Aber diese Schmerzen …«
Frazer hatte es ihr schon dreimal gesagt. Und sie würde es noch weitere zehnmal tun, wenn es sie beruhigte. Frazer war nicht diejenige, die ein Baby in ihrer Gebärmutter spazieren trug. »Alles vollkommen normal. Braxton-Hicks-Kontraktionen können sehr unangenehm sein, vor allem während der ersten Schwangerschaft. Aber es ist alles in
bester Ordnung.« Frazer wusch sich die Hände und warf beim Sprechen einen Blick über die Schulter. »Wenn Sie sich zu große Sorgen machen, fahren sie einfach in die Notaufnahme und lassen es abchecken. Aber es gibt keinen Grund, sich verrückt zu machen.“
Erin atmete erleichtert aus. »Okay. Danke. Sam hat mir immer wieder gesagt, dass es nichts ist.«
»Was weiß der schon?« Frazer zwinkerte ihr zu.
Grinsend schüttelte Erin den Kopf. »Sehr viel über Computer, aber nichts hierüber.«
»Er hat es wahrscheinlich gesagt, weil er wollte
, dass alles in Ordnung ist.«
Als Erin ihre Unterwäsche und die Hose hinter der Trennwand wieder anzog, setzte sich Frazer an den Computer und machte schnell einen Vermerk in ihrer Akte. »Also, wir sehen uns heute vielleicht das letzte Mal vor der Geburt. Es sei denn, Sie haben da einen Spätzünder – aber soweit sieht alles normal aus.«
»Gott.« Erin rieb sich über ihren riesigen Bauch. »Meine Schwester war eine Woche überfällig und deshalb musste die Geburt eingeleitet werden.« Ihr Gesicht wurde blass. »Sie meinte, dass das schmerzhafter war als die Geburt.«
»Machen Sie sich deswegen nicht verrückt, Erin.« Frazer lehnte sich gegen den Schreibtisch. »Wir werden das gemeinsam schaffen. Möchten Sie noch etwas wissen? Brauchen Sie noch weitere Informationen?«
»Nein«, sagte Erin sofort. »Ich habe ohnehin schon alles Mögliche gelesen. Und Sie haben mir all meine Fragen schon tausendmal beantwortet.«
»Gut. Machen Sie einfach einen Termin, wenn Sie Ihre Meinung ändern.« Frazer grinste. »Und wenn wir uns das nächste Mal sehen, dann hoffentlich, weil ich Ihnen dabei helfe, Zack da rauszuholen.«
Erin wickelte sich ihren Schal um den Hals. »Er heißt jetzt Blake.«
»Dann Blake.«
»Vielen Dank, Frazer. Bis dann.«
Als die Tür sich hinter Erin schloss, lehnte Frazer sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie rieb sich übers Gesicht. Heute Morgen hatte sie mit vielen besorgten Eltern gesprochen. Ein werdender Vater wäre fast in Panik ausgebrochen, weil er glaubte, zwei Penisse auf dem
Ultraschallbildschirm gesehen zu haben. Sie hatte ihm mit unbewegter Miene erklären müssen, dass einer davon die Nabelschnur war.
Nachdem er sich beruhigt hatte, war ihm eine leichte Enttäuschung anzumerken. »Man wird ja wohl noch träumen dürfen«, hatte er gesagt.
Für diesen Kommentar hatte er sich von seiner Freundin einen Schlag auf den Hinterkopf eingefangen.
Frazer verließ das Untersuchungszimmer und ging in ihr Büro. Sie beantwortete ein paar E-Mails und schickte Cora dann eine Nachricht.
Eine Nachricht, die sie nicht wirklich abschicken wollte. Aber es musste sein. Diese Situation war einfach nicht in Ordnung.
»Frazer!«
O Gott. Nein.
Sie sah auf und wusste bereits, wessen Anblick sie begrüßen würde. Alec kam auf sie zu und lächelte auch noch.
»Hey Alec.« Ich hatte Sex mit deiner Frau. Schon wieder
.
Frazer schluckte schwer und zwang sich, ihre Mundwinkel zu heben. »Wie läuft dein Tag?«
»Meetings und noch mehr Meetings. Du weißt, wie das ist.«
Eigentlich nicht. Zum Glück. Wenn sie sich nur um den Papierkram kümmern müsste, würde sie vor Langeweile sterben. Außerdem würde sie die Menschen vermissen. Die Babys. Selbst die tragischen Fälle – sie würde es vermissen, den Eltern durch diese Zeit hindurch zu helfen. Seit ihrer Beförderung musste sie viel Schreibtischarbeit erledigen, aber sie fand es wunderbar, wie heute auch selbst Untersuchungen durchzuführen und während ein paar der Geburten auf der Station zu sein, selbst wenn sie trotzdem noch fünf Tage die Woche Zeit im Büro verbringen musste.
»Ja. Viel zu tun.« Sie lächelte weiter. Oder versuchte es zumindest. Es fühlte sich an, als würde ihr Gesicht unter der Anstrengung zerbrechen.
»Ich habe deine E-Mail bekommen. Die erste Schulung ist nächste Woche, ja?«
»Ja, genau – Montag bis Freitag, von sechs bis zwanzig Uhr.«
»Gut. Und wie viele Teilnehmende gibt es?«
»Immer noch vier.«
»Und Cora hilft mit?«
Offensichtlich. Was sollte das Verhör? »Ja, jeden Abend. Wir haben zwei Hebammen und zwei Sozialarbeiterinnen. Wir hoffen, dass wir von den unterschiedlichen Perspektiven profitieren können. Aber es geht auch viel um Krisenmanagement. Wie sollte man sich am besten verhalten, wenn man sich Sorgen macht und die Sozialdienste einschalten muss? Solche Sachen.«
»Gut. Nicht, dass wir noch verklagt werden.« Er lachte etwas zu laut.
Hatte es deshalb so lange gedauert, das Programm bewilligt zu bekommen? Wow. Frazer war manchmal wirklich naiv. Natürlich war das der Grund gewesen. Warum sollte man es riskieren, verklagt zu werden, wenn man die Eltern genauso gut sich selbst überlassen konnte?
»Ja.« Sie biss die Zähne zusammen. »Das wollen wir natürlich nicht.«
»Ganz genau.« Alec nickte. »Na dann, viel Glück nächste Woche.«
Mit diesen Worten verschwand er. Als sie ihm nachsah, fragte sie sich, wieso Cora bei einem Typen wie ihm gelandet war.
Da Frazer seit neuestem den Fahrstuhl mied, nahm sie die Treppe. Obwohl sie vier Stockwerke nach oben musste, wollte sie nicht riskieren, mit Cora in einem Raum sein. Vor allem, wenn sie aus diesem Raum nicht fliehen konnte. Sofort würde sie vergessen, was sie eigentlich sagen wollte.
Als sie endlich vor Coras Tür stand, atmete sie heftiger als sie sollte, wenn man bedachte, wie oft sie in letzter Zeit schwimmen gewesen war. Frazer ging in das Büro.
Und erstarrte.
Cora saß am Tisch. Zwei Sandwiches lagen vor ihr. Sie lächelte. »Hey«, sagte sie.
Sobald Frazer die Tür hinter sich schloss, begannen die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, schon wieder davonzufliegen. »Hey.«
Als sie mit Coras Lippen an ihrem Hals gegen die Tür gedrückt wurde, gelang es Frazer mit Mühe, zwei davon noch einzufangen. »Cora. Warte.«
Ihre Stimme klang fremd in ihren Ohren, zu leise, zu belegt. Rau.
Mit den Lippen an Frazers Ohr flüsterte Cora: »Bitte?«
Frazer konnte nicht anders. Sie packte Cora und presste ihre Lippen aufeinander. Alles, was sie hatte sagen wollen, verschwand vollständig
aus ihrem Kopf.