Kapitel 16
»Jemma, warum zur Hölle lächelst du?«
Es war verstörend. Jemma schob sich ein Stück Karotte in den Mund und kaute mit einem unverändert breiten Grinsen. »Bitte, diese Frau steht sowas von auf dich.«
»Tut sie nicht , Jemma.«
»O doch. Das tut sie. Deshalb hat sie von dir verlangt, dass du dich von ihr fernhältst, weil sie es nicht kann.«
Frazer trank einen Schluck Cola durch ihren Strohhalm und runzelte die Stirn. Es war egal, wie Cora es gemeint hatte, Frazer war fertig mit ihr. Sie war mit allem fertig. Sie hatte alles gegeben und war zu einem Menschen geworden, den sie selbst nicht mochte. Sie war die Lesbe, die auf das heterosexuelle Mädchen stand; die Freundin, mit der Cora geschlafen hatte, weil es für sie praktisch war. Cora hatte sie zu ihrem Geheimnis gemacht, einer Person, die sich so schmutzig fühlte, dass sie manchmal dreimal am Tag duschte. Ein trauriges Klischee. Okay, vielleicht war das nicht ganz fair. Frazer war daran nicht ganz unbeteiligt gewesen. Aber darum ging es nicht. Es ging darum, dass sie nicht so war.
Nicht mehr.
Nein.
Stattdessen ging Frazer mit ihren Freunden zum Abendessen. Traf sich mit ihrer Schwester. Sie begrüßte Cora freundlich bei der Arbeit und behandelte sie wie eine Kollegin – fragte sie, wie es ihr ging, lächelte sie höflich an und verschwand dann. Über das Programm kommunizierten sie per Mail. Sie gingen einander aus dem Weg und telefonierten nur, wenn es wirklich notwendig war.
Die Welt ging nicht unter. Das Programm lief gut. Und Frazer war professionell – und fertig damit. Es war einfach, den Teil von sich zu ignorieren, der Cora vermisste – zumindest den Teil, der den Sex in den letzten Monaten genossen hatte. Bei dem Teil, der ihre Freundschaft vermisste, war es schwieriger.
»Können wir über etwas anderes reden?«, fragte Frazer.
»Kommst du dieses Wochenende zum Familienessen?« Etwas funkelte in Jemmas Augen.
»Okay, noch etwas anderes?«
Frazers Stimme musste angemessen weinerlich geklungen haben, denn Jemma stemmte die Ellbogen auf die Tischplatte und legte den Kopf schief. »Schön. Wie läuft’s mit dem Programm?«
»Super. Es nimmt langsam Fahrt auf. Wir sind noch dabei, unseren Rhythmus zu finden, aber die Rückmeldungen von den Eltern waren toll. Es gab aber auch einige schwierige Fälle.«
»Darauf wette ich.« Jemma schob die Pommes mit der Gabel umher und spießte stattdessen ein Stück Gurke auf. »Ist es schwer?«
Frazer zuckte mit den Schultern. »Ich meine, es ist nicht schwieriger als vorher. Diese Fälle gab es schon immer; zumindest können wir den Menschen jetzt helfen.«
»Wie ist es, Cora die ganze Zeit über zu sehen?«
Frazers Finger schlossen sich fest um ihre Gabel. »Ich dachte, wir würden nicht mehr darüber sprechen?«
»Als würde ich dir das so einfach durchgehen lassen. Hast du bemerkt, wie geschickt ich die Unterhaltung wieder auf das Thema gelenkt habe?«
»Die Uni hat dich verhunzt.«
»Sei nicht albern. Ich war schon immer so.«
»Stimmt.«
Jemma beugte sich vor. »Also – wie ist es?«
»Ach. Ganz okay. Wir sehen uns nicht oft.«
»Trotz des Programms?«
»Unsere Kommunikation findet größtenteils über E-Mails statt. Und wenn wir uns sehen, ist es professionell.« Frazer erwähnte nicht, was sie fühlte, wenn sie Coras Blick auf sich spürte. Wie er Frazer zu folgen schien, wenn sie im Zimmer war. Wie unfair beides war, denn Cora hatte Frazer gebeten, sich von ihr fernzuhalten.
»Ja, das ist gut. Wie geht’s ihrer Ehe?«
Als Frazer innehielt, beugte sich Jemma war. »Du weißt etwas!«
»Ich habe nur Gerüchte gehört.«
»An Gerüchten ist immer auch etwas Wahres dran.«
»Du hattest auf der Highschool also wirklich einen Dreier?«
Jemma riss die Augen so weit auf, dass Frazer befürchtete, sie hätte einen Schlaganfall. »Du hast davon gehört?«
»Also ist es wahr?«
Schmollend stach Jemma auf ihre Pommes ein. »Es war kein richtiger Dreier . Ich habe ein bisschen mit diesem Typen und einem Mädchen rumgemacht und, na ja, das ist alles.«
Die leichte Enttäuschung darüber, dass Jemma ihre eigene Theorie bewiesen hatte, wurde von der Freude überschattet, diesen Tratsch zu hören. »Sieh an, sieh an, kleine Schwester. Ein Dreier.«
»Es war kein Dreier!«
Ihre Antwort kam so laut, dass die Leute zu ihnen herüberschauten, und irgendwo im Café ertönte Gelächter. Jemma wurde rot. »Es war kein Dreier«, sagte sie leiser.
Frazer lachte.
»Bitte, Frazer, hilf deiner gedemütigten Schwester. Was sind das für Gerüchte?«
Es spielte ohnehin keine Rolle. Frazer wünschte sich, sie hätte nichts gehört. »Irgendetwas, das ein Vorstandsmitglied von Alec gehört hat und es einem Chirurgen erzählt hat, der es seiner Frau erzählt hat, die es ihrer besten Freundin erzählt hat …«
Jemma wedelte mit ihrer Gabel in der Luft. »Ja, ja. Ich weiß, wie Gerüchte funktionieren. Worum ging es?«
»Cora und Alec lassen sich scheiden. Angeblich hat Cora sein Auto geklaut und all ihre Sachen ins Haus ihres Liebhabers geschafft, nachdem sie seine Anzüge in Brand gesteckt hat.«
»Wow. Das ist mal ein Gerücht.«
»Ja. Vor allem fährt Alec mit seinem Auto jeden Tag zur Arbeit und keines seiner Kleidungsstücke sieht verbrannt aus. Außerdem wohnt Cora nicht in meinem Haus.«
»Vielleicht hat sie noch einen Liebhaber?« Jemma genoss das hier offensichtlich viel zu sehr.
Frazer unterdrückte jede Regung. »Vielleicht.«
»Oder vielleicht ist nur der Teil mit der Scheidung wahr.«
Frazer zuckte mit den Schultern. Es war ja nicht so, als würde es sie interessieren. »Vielleicht.«
Erneut legte Jemma den Kopf schief und sah sie an. Sah sie wirklich an. »Nicht, dass es dich interessieren würde«, sagte sie langsam.
»Ganz genau.« Frazer traute dem Tonfall ihrer Schwester nicht. Er konnte ironisch sein, doch sie entschied sich, die Andeutung zu ignorieren. »Nicht, dass es mich interessieren würde.«
Weil es sie nicht interessierte.
Frazer war fertig damit.
~ ~ ~
Cora vermisste Frazer.
Das war ihr an einem Morgen, eine Woche nachdem sie Frazer gesagt hatte, sie solle sich von ihr fernhalten, aufgefallen. An diesem Morgen war sie mit Herzklopfen aufgewacht, eine Hand war unter ihrer Unterwäsche vergraben und zwischen ihren Beinen spürte sie das vertraute Pulsieren.
Cora hatte noch nie einen erotischen Traum gehabt. Keinen, der so lebhaft, so aufreizend, so offensichtlich von Sex gehandelt hatte. Sie war noch nie in dieser Position aufgewacht, während sich ein Stöhnen aus ihrer Kehle löste. Cora erinnerte sich an grüne Augen, die zu ihr aufsahen. Ein Traum, der ihren Mund hatte trocken werden lassen und mit anderen Stellen ihres Körpers definitiv das Gegenteil gemacht hatte.
Danach fiel es ihr sehr schwer, weiter daran zu glauben, dass sie einfach nur die Freundschaft mit Frazer vermisste. Auch wenn sie sich wirklich sehr nach den Kaffeepausen, den Mittagessen, dem angenehmen Schweigen zwischen ihnen, der gemeinsamen Arbeit am Programm sehnte. Sie vermisste es, dass einige ihrer Worte schallendes Gelächter hervorriefen, als hätte sie es geschafft, diese Frau zu überraschen. Frazer war ein Bündel aus Übermut und strebte danach, sich und alles um sie herum zu verbessern. Cora vermisste Frazers Drang zum Brainstorming, ihre Bereitschaft, ihre Ideen an Coras Vorschläge anzupassen. Sie vermisste ihr schiefes, freches Grinsen.
Am Abend zuvor hatte Cora beim Einschlafen noch daran gedacht, dass Frazer die sanftesten Augen hatte. Das Grün ihrer Iris veränderte immer ein wenig die Farbe, wenn sie Cora ansah. Ihre Sinne erinnerten sich noch immer daran, wie sich Frazers Lippen auf ihren anfühlten, erinnerten sich an die Hitzewellen zwischen ihrem Hals und ihrer Schulter. Cora war zwischen Wachsein und Schlaf gewesen und hatte die veränderte Richtung ihrer Gedanken kaum in Frage gestellt.
Jetzt riss sie ihre Hand aus ihrem Slip, schob die Laken zur Seite und stolperte durch Lisas Flur ins Badezimmer. Der Wasserstrahl der Dusche fing schnell an zu dampfen und sie stellte sich darunter. Ihre Kleidung lag in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden. Nach den kühlen Fliesen kribbelten ihre Füße unter dem heißen Wasser.
Sie seufzte und wünschte sich, die Erinnerung an Hände, die sanft über ihre Haut strichen, könnte einfach abgewaschen und den Abfluss hinuntergespült werden. Sie vermisste Frazer. Sehr. Aber der Frau schien es gut zu gehen, sie wirkte glücklich. Es machte Cora … missmutig. Wenn sie sich begegneten, begrüßte Frazer sie fröhlich und fragte, wie es ihr ging, als wäre sie eine x-beliebige Kollegin. Fast so, wie sie es getan hatte, bevor Frazer auf Cora zugekommen war, damit sie ihr bei dem Programm half. Damals, als Cora angenommen hatte, Frazer wäre eine unausstehliche Idiotin. Cora zog es beinahe vor, wenn Frazer ihr einfach aus dem Weg ging.
Sie wollte Frazer nicht vermissen.
Und heute musste sie auch noch mit Alec sprechen. Der Gedanke daran war wie ein Eimer kaltes Wasser, selbst in der Hitze der Dusche, und Frazer verschwand für kurze Zeit aus Coras Gedanken.
Es war beinahe zwei Wochen her, seitdem sie ausgezogen war, und er hatte sie bei der Arbeit buchstäblich ignoriert, was theoretisch ziemlich angenehm war. Aber ihre Anwältin hatte gesagt, dass sie das Gespräch mit ihm suchen sollte. Sie müssten ein Jahr getrennt verbringen, bevor sie die Scheidung einreichen konnte. Das sollte sie mit ihm besprechen, damit er ihr das Trennungsjahr mit seiner Unterschrift bestätigte, sobald die zwölf Monate vergangen waren. Dann würden sie nicht extra zu einer Anhörung vor Gericht erscheinen müssen und anderthalb Monate später hätten sie beide die Scheidungspapiere in der Post. Erledigt. Problemlos.
Selbst wenn er heute sagte, dass er nicht unterschreibt, würde er in einem Jahr hoffentlich seine Meinung geändert haben. Man durfte ja wohl noch träumen.
Als sie in die Küche schlenderte, saß Lisa am Tisch und hatte die Füße unter sich auf dem Stuhl verschränkt. Eine halb leere Schüssel Müsli stand vor ihr.
»Morgen.« Lisa musterte sie mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht.
»Guten Morgen.«
»Du, ähm … hast gut geschlafen?« Lisa lächelte sie an.
»Ja, habe ich.«
»Wirklich gut?« Noch immer dieses Lächeln.
Cora hielt mit dem Wasserkocher in der Hand inne und das Wasser schwappte über den Rand ihres To-go-Bechers. Hitze stieg langsam über ihren Nacken in ihr Gesicht. »Warum fragst du?«
Lisas Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen, das nur als schadenfroh bezeichnet werden konnte. »Als ich heute Morgen an deinem Zimmer vorbeigekommen bin, habe ich ein paar sehr interessante Geräusche vernommen.«
Es war keine Hitze mehr. Ihre Wangen brannten förmlich.
»Ein schöner Traum?« Lisa schob sich grinsend einen Löffel Müsli in den Mund.
Cora drückte den Deckel auf ihren Becher und wandte sich zum Gehen. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Cora! Warte! Es tut mir leid.« Das Lachen, das Lisas Worte unterbrach, bewies das Gegenteil, aber Cora drehte sich im Türrahmen um. Sie hob die Augenbrauen. »Wirklich? Es tut dir leid?«
»Irgendwie schon. Von wem um alles in der Welt hast du geträumt?«
»Niemand wichtigem.«
Lisa sah aus, als würde sie das Thema eigentlich gerne vertiefen wollen, fragte aber stattdessen: »Hast du etwas von der Hausbesichtigung gehört?«
Dankbar über den Themenwechsel nickte Cora. »Ich habe das Haus bekommen, das zehn Minuten von hier entfernt ist.«
»Hey! Das ist toll. Wann kannst du einziehen? Nicht, dass ich will, dass du gehst. Es hat mir gefallen, dich hier zu haben.
»Ich war auch gern hier.« Das stimmte. Es hatte ihr die Sicherheit gegeben, in Ruhe ihre Gedanken ordnen zu können. »Ich kann am Wochenende einziehen. Ich unterschreibe und bekomme die Schlüssel am Freitag.«
»Das ist toll. Und heute redest du mit …«
Cora nickte. »Ja, heute rede ich mit Alec.« Ein kräftiger Schluck Kaffee half nicht gegen den Kloß in ihrem Hals, also nahm sie noch einen. »Wünsch mir Glück.«
»Viel Glück.« Lisa streckte die Daumen in die Höhe. »Du wirst toll sein.«
»Danke.« Seufzend richtete sich Cora auf. »Ich sollte gehen. Wir sehen uns heute Abend?«
»Ja. Abendessen und Wein, um dein neues Heim zu feiern?«
»Immer.«
Als sie im Flur war, hörte sie Lisa rufen: »Versuch nicht, an diesen Traum zu denken, während du fährst! Ich will nicht, dass du einen Unfall hast und einem süßen Rettungssanitäter erklären musst, dass dich ein erotischer Tagtraum abgelenkt hat.«
»Ich hasse dich!«, rief Cora mit einem fröhlichen Unterton zurück, und als sie die Tür ins Schloss zog, hörte sie Lisa noch immer kichern.
Sie überstand die Fahrt zur Arbeit, ohne sich von unanständigen Gedanken ablenken zu lassen. Als sie den Flur ihrer Abteilung betrat, war Lauren nicht am Platz und Cora atmete erleichtert aus. Wann immer sie diese Frau jetzt sah, schwankte Cora zwischen Überfreundlichkeit und der Gefahr, über ihre eigenen Füße zu stolpern, weil sie versuchte, den Blickkontakt um jeden Preis zu vermeiden. Es war höchst unprofessionell und ein bisschen dämlich, aber sie konnte es nicht lassen. Lauren machte sie nervös und löste so etwas wie Eifersucht in ihr aus, die Cora gern als Abneigung verkauft hätte. Weil sie nicht eifersüchtig sein wollte. Eifersucht bedeutete, dass Cora Dinge fühlte, die sie nicht fühlen wollte.
Warum hatte sie gedacht, dass eine Affäre eine gute Idee wäre?
Sie ließ ihre Tasche unter ihren Tisch fallen, schaltete ihren Computer ein und scrollte durch ihre E-Mails. Wie hatten sich in nur zwölf Stunden zwanzig Mails ansammeln können? Sie öffnete das Update von Frazer über das Programm schneller als üblich. Sie überflog die Zeilen und knirschte mit den Zähnen, als sie den übertrieben professionellen Tonfall las. Als wäre Cora jemand, den Frazer nur flüchtig kannte, und nicht jemand, die sie auf ganz unterschiedliche Arten zum Kommen …
»Cora?«
Zum dritten Mal an diesem Tag fühlten sich ihre Wangen überhitzt an und dabei war es gerade mal halb neun. Cora versuchte, freundlich zu schauen. Noch eine Frau, der Cora gerade nur schwer in die Augen sehen konnte. »Hey Tia.«
»Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass Alec bestätigt hat, dass er um zwanzig Uhr fünfundvierzig mit dir reden kann. Ich dachte, ich lasse es dich kurz persönlich wissen.«
»Danke.« Coras Stimme war ein wenig höher als sonst. »Dann bin ich in fünfzehn Minuten da.«
Cora wollte diese Unterhaltung mit ihm nicht am Arbeitsplatz führen. Es fühlte sich unpassend an. Aber Alec ignorierte all ihre Anrufe und weigerte sich, sich außerhalb der Arbeit Zeit zu nehmen und Cora in einem Café zu treffen. Sie hatte das ungute Gefühl, dass er das Gespräch an einem Ort führen wollte, an dem er die Oberhand hatte.
Anstatt zu gehen, blieb Tia stehen und musterte Cora. Es fühlte sich an, als würde ihre Mutter sie anstarren. »Wie geht’s dir?«
Die Stimme klang zu sanft und zu besorgt. Manchmal, wenn Cora glaubte, dass es ihr gut ging, brauchte es nur jemanden, der diese Frage mit diesem Blick und in diesem Tonfall stellte, um Cora vor Augen zu führen, dass es doch nicht so war. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle und obwohl ihre Augen plötzlich grundlos brannten, lächelte sie. »Mir geht’s gut.«
Tia verschränkte die Arme und sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihr hinüber, mit einem Blick, der keine mütterliche Schuldzuweisung, sondern Sorge zum Ausdruck brachte. »Nochmal, mit Gefühl.«
Cora schaute auf ihren Bildschirm, um einen Moment Zeit zu schinden, schluckte schwer und sah dann wieder zu Tia. »Es geht mir gut, wirklich.«
»Okay. Aber nur, damit du es weißt, Liebes«, Tia richtete sich auf und wandte sich zum Gehen, »dass muss es nicht.«
Sie ließ Cora mit dem Gefühl allein, eine Umarmung zu brauchen.
~ ~ ~
Das Holz war hart und Coras Knöchel schmerzten, als sie an Alecs Tür klopfte.
»Herein.«
Sie schlüpfte in sein Büro, schloss die Tür hinter sich und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl.
»Hi Alec.«
Er saß kerzengerade. Sein Anzug war gebügelt, seine Haare perfekt gestylt. Aber sein Gesicht wirkte erschöpft und er hatte dunkle Schatten unter den Augen. »Guten Morgen.«
Einen Augenblick lang sahen sie einander nur an. Es hatte etwas Unangenehmes, Beunruhigendes an sich. Es war, als würden sie darauf warten, dass der andere Streit anfing.
»Ich habe mit meiner Anwältin gesprochen«, sagte Cora schließlich.
Alec seufzte genervt. Langgezogen. »Warum?«
»Wegen der Scheidung, Alec.«
»Wir lassen uns nicht scheiden.«
So lief es also. »Werden wir.«
Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. »Du kannst mich nicht verlassen, Cora. Das ist nicht fair. Ich habe nichts getan . Du hast keinen Grund für eine Scheidung.«
Cora war nicht in der Stimmung, um die Gründe für ihre Scheidung mit ihm zu besprechen. Sie tanzten diesen Tanz schon zu lange miteinander. Alec hatte eine Verteidigung, eine Ausrede, eine Schuldzuweisung für alles, was Cora sagte. »Ich muss keine Gründe angeben, Alec. Nicht in Australien.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte sie. »Ich unterschreibe gar nichts.«
Warum konnte er es ihr nicht ausnahmsweise mal leicht machen? Warum wollte er mit jemandem verheiratet sein, der nicht mit ihm verheiratet sein wollte? »Tja, das musst du auch nicht. Nach dem Trennungsjahr können wir einzeln bei Gericht vorsprechen. Ich würde es zwar vorziehen, wenn wir beide einfach unterschreiben, weil es diesen Prozess um einiges unkomplizierter macht, aber es verhindert die Scheidung nicht, wenn du nicht unterschreibst.«
»Ich werde nichts unterschreiben, in dem steht, dass wir getrennt sind.«
Seufzend schlug Cora die Beine übereinander und versuchte, weder genervt noch aggressiv zu klingen. »Alec, du kannst mich nicht zwingen, mit dir verheiratet zu bleiben.«
Er starrte sie nieder, oder versuchte es zumindest. Aber als sie ihren Blick nicht abwandte, war er es, der als erster wegschaute. »Ich kann, wenn ich nichts unterschreibe.«
»Ich habe meinen Mietvertrag als Beweis. Er läuft auf meinen Namen.« Sie war all das mit ihrer Anwältin durchgegangen.
»Warum, Cora?« Er sah aus, als hätte er wirklich keine Ahnung.
»Wir waren nicht glücklich.«
»Sag mir nicht, was ich war!«
Sie atmete tief ein. »Okay. Ich war nicht glücklich.«
»Ich kann mich ändern. Ein anderer sein.«
Vielleicht hätte er es früher mal gekonnt. Aber wenn sie ihn jetzt ansah, wie er von einem Argument zum nächsten sprang, um sie dazu zu bringen, so zu handeln wie er wollte … Wenn sie sah, was für eine Art Mensch er war, wollte sie es einfach nicht. Nicht für sich. »Es ist zu spät, Alec.«
Als er schluckte, konnte sie sehen, wie sein Kehlkopf hüpfte. Seine Augen wirkten glasig. »Das kannst du mir nicht antun.«
»Ich tue dir nichts an, Alec.«
Etwas in seinem Gesicht wurde hart. »Ich werde dir dein Leben hier zur Hölle machen.«
Irgendwie hatte Cora das erwartet. »Das wird dir nur noch mehr Probleme bereiten.«
»Ich will nicht, dass du weiter hier arbeitest, Cora. Ich will, dass du gehst. Dein Job hier ist … ist nichts.«
Er hatte immer geglaubt, dass sein Job wichtiger war als ihrer. Er hatte immer geglaubt, dass seine Pläne wichtiger waren als ihre. Manchmal fragte sich Cora, ob sie nur ein Punkt auf seiner Liste gewesen war. Ehefrau – check. Er hatte sie ausgelacht, als sie erwähnt hatte, dass sie in Asien Hilfsprogramme unterstützen wollte. »Fang nicht damit an, Alec. Ich habe die Gewerkschaft und die Personalabteilung auf meiner Seite.«
»Verschwinde aus meinem Büro.«
Der Muskel in seinem Kiefer zuckte erneut und sie stand auf. »Okay.«
»Cora«, rief er, als sie bereits an der Tür war. Sie drehte sich um. »Das wirst du bereuen.«
Als sie hinausging, wusste sie nicht, ob er das als Drohung oder einfach nur als Feststellung gemeint hatte.
~ ~ ~
»Wie geht’s dir?«
Tia war plötzlich in Frazers Büro aufgetaucht und Frazer zuckte so heftig zusammen, dass sie die Unterlagen in ihrer Hand fallen ließ. »Gott, Tia!«
»Nein, nur Tia.« Sie zwinkerte. »Meine andere Identität ist ein Geheimnis.«
Frazer sammelte ihre Papiere mit gesenktem Blick und wild schlagendem Herzen wieder auf. Sie lachte, um ihre Verlegenheit zu überspielen. »Du bist zum Totlachen. Sehr witzig.«
Als sie sich aufrichtete, hatte sich Tia auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch gesetzt. Frazer zuckte erneut zusammen – dieses Mal weniger dramatisch.
»Siehst du?«, sagte Tia. »Ich bin auch schon so schnell wie er.«
»Nur blasphemischer.«
»Stimmt.«
Frazer legte die Unterlagen in einem fein säuberlichen Stapel auf den Tisch. »Gibt es einen bestimmten Grund, warum du mir einen Herzinfarkt bescheren wolltest?«
»Ich wollte nur mal sehen, wie’s dir geht. Nach all dem … Drama.«
»Es gab kein Drama.«
Tia presste ihre Lippen fest und missbilligend aufeinander. »Nein, nicht wirklich. Du hast einfach … Schluss gemacht? So einfach?«
Einfach war nicht das Wort, das Frazer benutzt hätte. »Ja.«
Tia blinzelte sie an und Frazer seufzte.
»Wirklich, Tia. Ich wusste, wie falsch das alles war. Und alles … andere, bedeutet nicht wirklich etwas.«
»Warum gehst du mir dann aus dem Weg?«
Frazer räusperte sich. »Tue ich nicht.«
»Tust du wohl. Seit wir uns so nett eine Zigarette geteilt haben, meidest du mich um jeden Preis.« Tia zupfte einen Fussel von ihrer Hose. »Es ist offensichtlich.«
Frazer ging auch Cora aus dem Weg. Es sei denn, sie hatte keine andere Wahl. Dann lächelte sie so breit sie konnte, sagte Hallo und versuchte zu ignorieren, dass ihr Coras Blick durch den Raum folgte. Es ärgerte sie. Cora hatte Frazer gesagt, dass sie sich von ihr fernhalten sollte, und genau das tat sie auch. Dann hör auch auf zu starren. Es war verdammt nochmal unhöflich. »Ich war beschäftigt.«
»Nicht beschäftigter als vorher.«
Das stimmte. »Entschuldige.«
»Ich will keine Entschuldigung, ich will wissen, ob es dir gut geht.«
Frazer lächelte. Es fühlte sich zu breit an, also schraubte sie es ein wenig zurück. »Mir geht’s gut.«
Tia seufzte schwer und hörte sich dabei an, als würde sie die Bürde schultern, alle Idioten dieser Welt ertragen zu müssen. »Sicher. Okay.«
Sie stand auf und ging. Frazer hörte sie laut und deutlich sagen, damit Frazer es auch ganz sicher mitbekam: »Das hörte sich hier ja genauso überzeugend an wie bei Cora.«
»Was hast du gesagt?«, fragte sie ebenso laut.
Die verdammte Frau ging einfach weiter.
Sie war kurz davor aufzustehen und Tia nachzulaufen, um ihre Frustration loszuwerden, ließ sich dann aber wieder auf ihren Stuhl zurückfallen. Ihr Handy klingelte. »Was?«, fauchte sie, als sie das Gespräch annahm, nachdem sie den Namen ihrer Schwester auf dem Display gesehen hatte.
»Na, du bist ja heute Morgen wieder mal wunderbar gelaunt.«
»Was willst du, Jem?« Es kostete sie viel Mühe, die Wut in ihrer Stimme zu zügeln.
»Ernsthaft, wer hat dir in die Cornflakes gepinkelt?«
»Ich hasse Cornflakes.« Frazer schob sich in ihrem Bürostuhl mit den Zehen vor und zurück.
»Okay, in deinen Kaffee?«
»Niemand. Mein Tag ist anstrengend und ich bin müde.«
»Müde davon, dich vor Coras Ich liebe dich -Blick zu verstecken?«
Frazer knirschte mit den Zähnen. »Hast du aus einem bestimmten Grund angerufen?«
»Nein!« Ihre Stimme klang für Frazers Geschmack viel zu fröhlich. »Ich wollte nur nachhören, ob sie dir schon ihre unsterbliche Liebe gestanden hat? Oder ob du wieder in einer kompromittierenden Situation erwischt wurdest, als du versucht hast, deine wahren Gefühle zu ver–«
Frazer legte auf. Ihr Handy klingelte direkt wieder. Es klingelte beinahe eine Minute, bevor sie nachgab und ranging.
»Zu verbergen, die du für deine jetzt nicht mehr verheiratete Liebhaberin hegst. Solche Gerüchte–«
Frazer legte erneut auf und schaltete ihr Handy auf stumm. Jemma kriegte sich wahrscheinlich gerade sowieso nicht mehr ein vor Lachen und würde nicht mehr versuchen, sie anzurufen.
Alle um sie herum waren dämlich und Frazer hatte das Gefühl, zum Zerreißen angespannt zu sein, und bei der nächsten Person, die ihr krumm kam, einfach zu explodieren. Ihr Pager summte an ihrer Hüfte und Frazer sah ihn glücklich an. Auf der Station gab es eine Patientin, deren Muttermund zehn Zentimeter geöffnet war.
Zumindest würde heute noch etwas Schönes passieren.
~ ~ ~
Dieser dämliche Traum war schuld.
Er glitt wie ein Phantom über ihre Gedanken und legte seine Finger auf Stellen, die in Ruhe gelassen werden mussten. Weder die Unterhaltung mit Alec noch Coras Erinnerung an den Abend, an dem sie zu Frazer gegangen war, halfen, es zu vertreiben. Warum hatte sie das Bedürfnis verspürt, Frazer zu verlassen?
Wollte sie Frazer oder sich selbst damit etwas beweisen? Cora war sich nicht mehr sicher.
In der Cafeteria sah sie bewusst nicht zu Frazer, die an einem anderen Tisch über etwas lachte, das Lauren gesagt hatte. Sie ignorierte, wie sie fröhlich den Kopf zurückwarf. Sie schob die Erinnerung daran, wie ihre Lippen auf Frazers weicher Haut gelegen hatten und an deren Stöhnen, sobald sie sanft an ihr gesaugt hatte, weit von sich.
Es fühlte sich an, als würde die Zeit langsamer vergehen. Als wäre jegliche Luft aus dem Raum gesogen und gleichzeitig alles in ihre Lungen gepumpt worden. Sie konnte nicht richtig atmen. Es war, als würde Frazer mit allem spielend leicht zurechtkommen, während sie selbst strauchelte.
Am anderen Ende des Raums stützte Frazer das Kinn in ihre Hand. Sie strahlte. Positiv. Glücklich. Und Cora saß hier, kaute aggressiv auf einer Karotte und starrte sie an.
Frazer zu sagen, dass sie sich von ihr fernhalten sollte, hätte alles einfacher machen sollen. Nach so langer Zeit sollte es ein Schritt zurück sein, während alles andere in Ordnung kam oder auseinandergehen musste, damit Cora ihr Leben wieder auf die Reihe bekommen konnte. Stattdessen vermisste sie Frazer mit einer Intensität, die nichts mit Freundschaft zu tun hatte.
Die Karotte blieb ihr fast im Hals stecken.
Cora wollte, dass Frazer sie so ansah – und nicht Lauren. Sie wollte diejenige sein, die Frazer so zum Lachen brachte, dass sie ganz rote Wangen bekam. Cora war nicht hetero.
Cora wusste nicht, was sie war. Aber sie wusste, dass sie sich in die unausstehliche, freche Frazer verliebt hatte, und es war ihr nicht einmal bewusst gewesen, bis sie in dem Dreck lag, in den sie hineingestolpert war.
Frazer sah auf und ihre Blicke trafen sich. Sie runzelte kurz die Stirn, dann wandte sie den Blick ab und sah wieder zu Lauren.
In einem Alter, in dem sie geglaubt hatte, solche Dinge hinter sich gelassen zu haben, hatte Cora eine plötzliche Erkenntnis. Eine, die dafür sorgte, dass sie den Stuhl nach hinten schob, blindlings aus der Cafeteria stürzte und im nächstbesten Raum verschwand.
Es war ein Behandlungszimmer, in dem sich Gott sei Dank weder Patienten noch Krankenpfleger befanden, weil sie irgendwo anders zu tun hatten.
Ihre Hände zitterten. Ihr Mund war trocken.
Hatte es wirklich fast vier Monate gedauert, bis es ihr klar geworden war? Wirklich? War sie ihren eigenen Gefühlen gegenüber so blind? Aber war sie das nicht immer schon gewesen? Unglücklich in einer Ehe, aus der sie nicht herauskam.
Ihre Finger suchten nach dem Handy in ihrer Tasche. »Lisa?«
»Cora, hey! Wollen wir zusammen Mittag essen gehen?«
Verloren sah sich Cora im Raum um und ihr fiel nichts ein, was sie lieber täte. Aber sie hing in der Klinik fest. »Ich habe gerade gegessen.«
»Verdammt, ich sehne mich nach einem Burger. Du hörst dich komisch an. Was ist los?«
»Ich glaube, ich mag Frauen.«
Eine Pause.
Dann fragte Lisa: »Wie meinst du das, du magst Frauen?«
»Anscheinend so, wie ich Männer mag.«
»Tja, so ist es.«
Cora kniff die Augen zusammen und ihre Mundwinkel hoben sich, als sie plötzlich das Gefühl hatte, richtig atmen zu können. »Du wusstest es?«
»Na klar.«
»Warum hast du es mir nicht gesagt?«
Ein Seufzen erklang am anderen Ende der Leitung. »Ich weiß nicht. Ich habe darüber nachgedacht, aber immer, wenn ich versucht habe, dich in die Richtung zu schubsen, hast du dicht gemacht. Ich dachte einfach, dass du von allein draufkommen musst.«
»Mir ist es gerade erst klar geworden.«
»Wie, jetzt gerade?«
»Ja.« Cora fühlte sich ganz schwindelig. Als hätten Dinge soeben ihren Platz gefunden, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie noch gar keinen hatten. »Wortwörtlich.«
»Und du hast mich angerufen?«
»Ja – wieso?«
»Nichts, das ist nur … süß.«
»Du bist meine beste Freundin.«
Lisas Lachen erklang sanft in ihrem Ohr. »Also, was jetzt?«
Cora leckte sich über die Lippen und starrte die weiße Raufasertapete an der Wand an. Was jetzt? Sie hatte keine Ahnung. Im Moment war sie auf einem kleinen Hoch. Die Tatsache, dass ihre Ehe in einer Scheidung endete – eine Tatsache, die sie ihren Eltern gegenüber noch nicht erwähnt hatte – erreichte sie gefühlsmäßig kaum. Frazer sollte das Letzte sein, womit sie sich im Moment beschäftigte.
»Cora?«
»Ich bin da. Ich denke nur gerade nach.«
»So geschmeichelt ich mich auch fühle, dass du direkt mich angerufen hast, war ich doch davon ausgegangen, dass du nach dieser Erkenntnis eine bestimmte Frau irgendwo im Krankenhaus in ein Zimmer zerren würdest …« Es folgte eine Pause. »Es sei denn, du willst das nicht?«
»Ich, ähm, hab ihr letzte Woche irgendwie wutentbrannt gesagt, dass sie sich von mir fernhalten soll.«
»Oh.«
»Ich war wirklich wütend.«
»Na, toll gemacht«, sagte Lisa.
»Das dachte ich auch.«
»Das Ausmaß deiner Verweigerung ist beeindruckend, Cora.«
Cora seufzte. »Ja, ich weiß.«
»Ich dachte, du wolltest mit ihr befreundet sein?«
»Na ja, ich habe sie mit einer anderen Frau in flagranti erwischt und angeschrien.«
»Sehr charmant.«
»Offensichtlich. Ich bin durchgedreht, weil ich eifersüchtig war, und habe ihr gesagt, dass sie mich in Ruhe lassen soll.«
»Hast sie du an ihren Zöpfen gezogen?«
»Du bist zum Totlachen«, sagte Cora trocken.
»Ich weiß. Also, was machst du jetzt?«
»Ich habe keine Ahnung?«
Die Tür hinter ihr ging auf und Cora drehte sich um, um sich bei einer Krankenschwester für ihre Anwesenheit zu entschuldigen, stand jedoch direkt vor Frazer. Einer alles andere als gelassen aussehenden Frazer mit hochrotem Gesicht. Wenn Cora es nicht besser gewusst hätte, hätte sie fast Angst bekommen, dass Frazer ihr gleich eine Ohrfeige verpassen würde.
»Lisa, ich ruf dich zurück.«
Mit Lisas lautem Protest im Ohr legte sie auf und schob das Handy zurück in ihre Tasche.
»Hi«, sagte Cora. Oder krächzte es vielmehr. Frazer sah wirklich wütend aus und Cora hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Nach einer Woche mit einer scheinbar völlig ausgeglichenen, professionellen Frazer war dieser Anblick fast beängstigend.
»Hi?«, fragte Frazer. »Hi!«
Cora räusperte sich. »Frazer …«
Frazer verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Cora finster an.
»Nein«, sagte sie. »Du musst damit aufhören. Du musst jetzt sofort damit aufhören.«
»Ich …«
»Ist mir egal, Cora, okay?« Frazers Augen blitzen grün und die Röte auf ihren Wangen betonte ihre Wut noch. »Es ist mir einfach egal . Du hörst sofort damit auf. Ich habe alles getan, worum du mich gebeten hast. Jedes Mal. Wir waren Freundinnen. Wir hatten Sex. Wann du wolltest und unter den Bedingungen, die dir am besten in den Kram gepasst haben. Dann wolltest du es beenden und damit war es vorbei. Und dann warst du angepisst, weil ich mich mit jemand anderem getroffen habe, und hast mich angeschrien, dass ich mich von dir fernhalten soll – und auch das habe ich getan. Aber ich kann das nicht tun, wenn du mich die ganze Zeit über beobachtest
»Frazer …«
»Ich war höflich . Ich war deine Kollegin . Hast du in dieser ganzen Sache ein einziges Mal auch an mich gedacht?«
Cora wurde ganz heiß, denn das hatte sie nicht getan.
»Außerdem«, begann Frazer, dann spannte sich ihr Kiefer an und sie holte tief Luft, »ist es sowieso egal. Du musst damit aufhören. Hör auf damit und lass mich in Ruhe. Du musst aufhören, mich so anzusehen.«
Cora legte den Kopf schief. Sie sollte jetzt nicht lächeln, aber das Grinsen war nicht aus ihrem Gesicht gewichen, seit sie Lisa verkündet hatte, dass sie auch Frauen mochte. Und Frazer sah wirklich heiß aus, wenn sie wütend war. Ihre Augen glitzerten förmlich. »Wie denn, Frazer?«
»Nein! Hör auf so zu tun, als hättest du keine Ahnung, wovon ich rede. Du kannst nicht jede Frau, mit der ich spreche, ansehen, als würdest du sie am liebsten umbringen. Oder mich so ansehen, als würdest du mich auf der Stelle ausziehen wollen. Du kannst nicht erst Sex und Freundschaft wollen, mich dann zum Teufel jagen und trotzdem weiter mit diesen Blicken verfolgen. Das ist einfach nicht fair .« Ihre Nasenflügel bebten. »Du musst mich in Ruhe lassen.«
Alles an ihrer Körpersprache sagte Cora, dass sie sich besser zurückziehen sollte. Stattdessen ging sie einen Schritt auf sie zu. Ihr Blick richtete sich auf Frazers Mund und irgendwie machte Frazer das noch wütender.
»Cora, lass mich …«
Es war das Schlimmste, was sie in diesem Moment tun konnte. Cora wusste das. Aber sie musste Frazer dazu bringen, es zu verstehen . Sie drückte Frazer gegen die Tür und presste ihre Lippen aufeinander. Frazers Hand griff nach ihrem Shirt und in dieser Sekunde wurde Cora klar, wie sehr sie diesen Teil von Frazer vermisst hatte. Wie ihr Körper reagierte, wie sie in Frazer versinken und nie wieder auftauchen wollte.
Doch dann schoben die Hände, die sie eben noch gepackt hatten, sie plötzlich weg und Cora stolperte zurück.
Frazer schüttelte den Kopf, die Zähne fest aufeinandergebissen.
Frazer hatte mehr als nur einen Moment auf sie reagiert. Sie hatte Coras Kuss erwidert.
»Es geht nicht, dass du mich einfach küsst, wann immer dir der Sinn danach steht, Cora. Es geht nicht, dass du mir erst sagst, ich soll dich in Ruhe lassen, und dann küsst du mich einfach wieder.«
Und dann wirbelte Frazer herum, riss die Tür auf, stürmte aus dem Zimmer und knallte sie hinter sich zu.
Frazer war offensichtlich wütend.
Und Cora stand wirklich auf Frauen. Eine ganz bestimmte Frau im Besonderen.
Eine Frau, die wirklich, wirklich wütend auf sie war.