Epilog
»Habe ich schon erwähnt, dass ich wirklich nicht gern fliege?«
Cora wirbelte herum und ihre Haare flogen ihr ins Auge. »Was?«
Frazer zuckte zusammen und schluckte schwer. »Ich hasse es.«
»Und du hast gewartet, bis wir in einem zwanzig-Stunden-Flug nach Irland zur Hochzeit deines besten Freundes festsitzen, um mir das zu sagen?«
»Möglicherweise.«
»Aber du hast mir erzählt, dass du schon mal geflogen bist.«
Frazer zuckte mit den Schultern, während sie mit dem Finger in der Armlehne bohrte. »Einmal. Nach Japan. Es war schrecklich.«
»Hasst du es so sehr, dass du hyperventilierst, oder brauchst du einfach Ablenkung?«
»Ablenkung.«
Frazer wackelte mit den Augenbrauen und Cora zog ihre mit gespieltem Entsetzen nach oben.
»Nein. Wir sind in einem dreckigen, bazillenverseuchten Flugzeug. Auf keinen Fall.«
Dank der Nervosität war Frazers Magen sowieso verkrampft und es gab in dieser Situation nicht viel, um sie dafür in Stimmung zu bringen. Nichtsdestotrotz tat Frazer so, als wäre sie enttäuscht. »Kein Bedürfnis, dem Mile-High-Club beizutreten? Nicht mal, nachdem du letztes Jahr dreimal – «
»Vier.«
»Viermal in einem Flugzeug gesessen hast, um zu deinen ehrenamtlichen Projekten zu reisen?«
Cora schüttelte den Kopf, nahm Frazers Hand und zog sie auf ihren Schoß, um ihre Finger miteinander zu verschränken. »Nein.«
Frazer seufzte: »Na schön. Dann lenk mich mit Worten ab.«
Frazer dachte, Cora würde etwas über Daniels und Robs anstehende Hochzeit sagen, aber Cora wandte ihr einfach den Kopf zu und sah sie an. Es war beunruhigend und die Vibrationen der Flugzeugmotoren sorgten dafür, dass Frazers Magen wirklich anfing zu protestieren.
»Hast du es ernst gemeint?«, fragte Cora schließlich.
Sie waren jetzt seit einem Jahr zusammen und Frazer konnte Coras Gedankengängen immer noch nicht ganz folgen. »Dass ich es hasse zu fliegen?« Die Triebwerke heulten auf, als das Flugzeug zur Startbahn rollte, und Frazer hatte das Gefühl, als würde ihr der Magen in die Kniekehlen rutschen. Sie nickte schnell. »Ja. Das habe ich definitiv ernst gemeint.«
»Nein.« Coras Daumen rieb in sanften Kreisen über Frazers Handrücken. Es war zärtlich und beruhigend und Frazers Magen kroch in Teilen wieder dorthin zurück, wo er hingehörte. »Ich meine, was du gesagt hast, als du letzte Woche nach Robs Junggesellenabschied betrunken in mein Bett gekommen bist.«
Selbst in ihrem leicht panischen Zustand spürte Frazer, wie Hitze in ihre eben noch blassen Wangen stieg – zumindest nahm sie an, dass sie blass gewesen waren. In dieser Nacht hatte es wesentlich mehr Alkohol gegeben, als gut für sie war. Sie hatten irgendwelche Shots getrunken, die angezündet wurden, und anschließend blaue Cocktails, die verstrahlt ausgesehen hatten. »Welcher Teil?«
»Der Teil, bei dem du mich gefragt hast, ob ich bei dir einziehen will, nachdem du mir ein Schlaflied gesungen hast, in dem es darum ging, dass wir besser sind, wenn wir zusammen sind.«
Diese Nacht gehörte wohl nicht zu Frazers Glanzmomenten. Und der Taxifahrer hatte auf dem Weg zu Cora Jack Johnson gespielt. Sie schluckte und ignorierte, wie sich ihr Magen verdrehte. »Also, ich … äh … Ja. Das habe ich ernst gemeint.«
Ein Lächeln umspielte Coras Lippen.
Frazer klammerte sich fester an ihre Hand, während die Motoren hochdrehten und die Flugbegleiter seltsame Armbewegungen machten, um die Notfallabläufe zu erklären. Einer von ihnen sah sie finster an, wahrscheinlich, weil sie offensichtlich überhaupt nicht zuhörten.
Coras Augen glänzten belustigt. »Du wolltest mir Bananenpfannkuchen machen und ohne Wecker mit mir ausschlafen.«
Frazer grinste. »Hat dir mein gesungener Vorschlag gefallen?«
Cora erwiderte das Lächeln. »Mir hat meine Nachbarin leidgetan. Sie ist so taub, dass sie es verpasst hat.«
»Tja, ich bin überaus romantisch. Heißt das, du sagst ja?«
Cora nickte. »Nur, wenn es nicht nur die betrunkene Frazer vorgeschlagen hat.«
»Nein, ich denke schon seit ein paar Wochen darüber nach. Ich habe den Teil definitiv ernst gemeint, in dem es hieß, dass ich den gleichen Schlüssel haben will wie du.«
Sie hatte wirklich nicht vorgehabt, eine so wichtige Frage betrunken zu stellen. Aber als sie lächerlich romantische Lieder summend zu Cora gekommen war, hatte Cora quer im Bett gelegen, einen Arm um Frazers Kissen geschlungen, als würde sie nach ihr greifen.
Cora drehte sich auf ihrem Sitz zu Frazer und zog sie für einen ungeschickten Kuss an sich. »Willst du es wirklich?«
»Ja.« Vor allem, wenn sie dadurch auf so ablenkende Weise geküsst wurde. Coras Lippen waren weich und sorgten dafür, dass sie nicht mehr an die Tatsache dachte, dass sie gleich in einem Metallgrab in der Luft sein würden.
Der widerwärtige Druck, der darauf hinwies, dass sie viel zu schnell über die Startbahn rasten, drängte sie auseinander, hielt Cora aber nicht davon ab zu lächeln. »Ziehe ich bei dir ein? Oder du bei mir? Ich meine, mein Haus ist ziemlich klein. Aber die Lage ist sehr gut.«
Ja, sie würden jetzt gleich abheben. Frazer lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss fest die Augen, als das Flugzeug die Startbahn hinunterschoss. Sie klammerte sich wahrscheinlich viel zu fest an Coras Hand. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust und sie hörte entfernt Coras Stimme.
»Versuch zu antworten, Frazer. Das wird helfen.«
Ihre Augen waren noch immer geschlossen, als sich das Flugzeug neigte und anfing, auf eine Art und Weise die Bodenhaftung zu verlieren, wie es kein Mensch je tun sollte. Frazer nickte knapp. »Wir suchen uns was Neues.«
»Super, ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest. In der Nähe des Zentrums? Am Strand? Einem Vorort?«
Frazer verzog das Gesicht und hörte Cora leise lachen.
»Okay«, sagte Cora. »Kein Vorort.«
»Der Strand?«
Frazer zuckte zusammen, als sie hörte, wie das Fahrgestell eingefahren wurde. Das Flugzeug richtete sich langsam wieder aus. Mit jedem Zentimeter lockerte sich auch Frazers Griff um Coras Hand. Endlich öffnete sie die Augen und sah, dass Cora sich zu ihr gedreht hatte, um sie mit einem sanften Gesichtsausdruck zu beobachten. Als würde sie sichergehen wollen, dass Frazer in dem Moment, in dem sie die Augen öffnete, wusste, dass sie da war.
Cora nickte, als wäre Frazer gerade nicht das erste Mal vor ihr in Panik ausgebrochen. »Hervorragend. Der Strand. Das bedeutet wohl, dass wir uns südlich vom Fluss etwas suchen müssen.«
Frazer riss die Augen auf und starrte sie an. »Südlich
Cora blinzelte. »Ja. Südlich. Wieso sollten wir nördlich bleiben wollen?«
»O mein Gott.« Frazer starrte sie an. »Ich liebe einen dieser Menschen, die glauben, dass es südlich vom Fluss besser ist.«
»Weil es so ist.«
»Aber du lebst im Norden.«
Cora schnaubte, was sie nur selten tat. Normalerweise fand Frazer es liebenswert. Aber nicht jetzt. Jetzt hatte sie Angst. Okay, Angst war übertrieben, aber sie brauchte die Ablenkung.
»Nenn mir einen Grund, warum es nördlich besser ist«, sagte Cora.
Sie hatte die Augenbrauen gehoben, wie sie es immer tat, wenn sie auf eine Antwort wartete, von der sie wusste, dass sie unzulänglich sein würde.
»Okay, man ist näher an der Innenstadt«, sagte Frazer und klopfte sich in Gedanken anerkennend auf den Rücken.
»Oh, bitte. Bei dem Verkehr dauert es genauso lange.« Cora lehnte sich auf ihrem Sitz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Scarborough Beach.«
»Leighton Beach.«
Verdammt. »Ähm – im Norden ist das Nachtleben besser.«
»Wann gehen wir denn überhaupt noch aus?«
Gutes Argument. Sie gingen hin und wieder mit Freunden etwas trinken, aber es gab überall tolle Bars. »Oh!«, setzte sie nach. »Ich meinte Restaurants.«
»Meintest du nicht. Das ist dir gerade erst eingefallen. Aber«, Cora hob eine Hand, um Frazers bevorstehenden Protest abzuwehren, »in dem Punkt muss ich dir recht geben.«
Grinsend schob Frazer das Kinn vor. »Wohl verdient.«
»Aber ich werde gewinnen.«
Frazer verdrehte die Augen. »Wirst du nicht.«
»Fremantle.«
Nochmal verdammt. »Schön. Es stimmt. Zehn Punkte, du gewinnst.« Frazer seufzte schwer. »Aber es wird eine viel längere Fahrt zur Arbeit sein.«
»Aber in so hübscher Szenerie …« Cora grinste triumphierend.
»Stimmt.«
Frazer nahm Coras Hand in ihre und Coras Lächeln wurde sanfter. »Wir werden es also wirklich tun?«
»Sieht ganz so aus.«
»Was tun?«
Frazer zuckte zusammen und drehte sich auf ihrem Sitz um, um Jemma, die sich über die Rückenlehne des Gott sei Dank freien Platzes neben Frazer gebeugt hatte, einen finsteren Blick zuzuwerfen.
Jemma grinste breit. »Du bist ein wenig schreckhaft, Schwesterherz.«
Frazer kniff ihre Augen zu Schlitzen zusammen. »Ich bin in einem Flugzeug, tausende Meter in der Luft. Unter diesen Umständen ist es nicht normal, nicht schreckhaft zu sein. Leg deinen Sicherheitsgurt wieder an.«
Cora schnaubte erneut belustigt und Frazer ignorierte sie.
»Wie auch immer. Meg hat mich gebeten, dich nochmal daran zu erinnern, dass du dein Gepäck bei der Zwischenlandung abholen musst, weil irgendetwas passiert ist und es sonst nicht zum nächsten Flugzeug weitergeleitet wird und … Was werdet ihr tun?«
Frazer brauchte eine Sekunde, um Jemmas Gedankengängen zu folgen, doch dann streckte sie stolz die Brust raus. »Wir werden zusammenziehen.«
Jemmas Gesicht hellte sich auf. »Leute! Das ist großartig. Wirklich?«
»Südlich vom Fluss«, fügte Cora hinzu.
Frazer widerstand dem Drang, ihr ins Bein zu kneifen.
Auf Jemmas Gesichtsausdruck zeichnete sich Entsetzen ab. Ihr Blick wanderte von Cora zu Frazer. »Nein? In den Süden ? Schwesterherz, ich habe so viel Besseres von dir erwartet.«
Und damit richtete sie sich auf und ging den Gang zurück zu ihrem Sitz neben Meg im hinteren Teil des Flugzeugs.
Frazer verdrehte die Augen. »Danke dafür.«
Cora grinste. »Jederzeit.«
»Jetzt wird sie es Tony sagen und wir werden uns später einen Vortrag über den Immobilienmarkt anhören müssen.«
»Macht dein Bruder das wirklich?«
»Auf jeden Fall. Und ich werde ihm vorher eine Nachricht schicken und ihm schreiben, wie sehr du dich darauf freust, Informationen über die Preisunterschiede bei den Mietobjekten und für zukünftige Investitionen zu bekommen.«
Cora schnappte theatralisch nach Luft. »Das würdest du nicht tun.«
Natürlich würde sie das nicht tun. Das wäre viel zu grausam. Sie war ja kein Unmensch. »O doch.«
»Was, wenn ich sage, dass es mir leidtut?«
Frazer schmolz dahin, als sie Coras leichten Schmollmund sah. »Vielleicht werde ich ihn nicht neben dir sitzen lassen.«
»Du bist die Beste.« Cora klimperte mit den Wimpern und drückte schnell einen Kuss auf Frazers Nase. »Also, welchen Film wollen wir uns ansehen?«
»Wir werden aber nicht diese ekelhafte Pärchensache machen, bei der wir gleichzeitig mit dem Film anfangen, obwohl jede ihren eigenen Kopfhörer und einen Bildschirm hat, oder?«
Cora beugte sich vor und klickte sich bereits durch das Unterhaltungsangebot auf dem Bildschirm vor sich. »Natürlich werden wir das.«
Grinsend sah Frazer ihr dabei zu, wie sie die Komödien durchforstete. »Sind wir dieses ekelhafte Pärchen?«
»Pscht, sonst hört dich Jemma.«
Frazer ließ sich lachend in ihren Sitz sinken und wartete darauf, dass Cora einen Film für sie aussuchte. Sie würde dabei sein, wenn zwei ihrer besten Freunde heirateten. Und Cora würde an ihrer Seite sein. Sie spürte kaum noch die nagende Angst, dass das Flugzeug jede Sekunde abstürzen könnte.
Cora wandte sich zu ihr und zwinkerte sie an. »Hör auf, so verzaubert auszusehen.«
»Niemals.«
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