Seven
T ravis machte Liegestützen, um Zeit totzuschlagen. Neben den Gangmitgliedern war die Zeit sein größter Feind im Gefängnis. Sie arbeitete gegen ihn, ließ Tage wie Jahre erscheinen und zermürbte ihm damit den Verstand. Obwohl es ihn tröstete, dass er an diesem Tag entlassen wurde, musste er noch weitere drei Stunden in dem winzigen Drecksloch totschlagen.
Man hatte ihm eine Einzelzelle zugeteilt. Das war ungewöhnlich, doch in Anbetracht der Ermittlungen gegen den Green Army OMC nicht verwunderlich. Travis galt als Schlüsselfigur, die der stellvertretende Bundesstaatsanwalt nicht gefährden wollte. Dieser bearbeitete ihn seit kurzem, um gegen den Club auszusagen, aber Travis weigerte sich beharrlich. Er wusste, dass eine Anklage ohne unzureichende Beweismittel keinen Erfolg haben würde und wollte nicht der verfluchte Verräter sein, der dem Staat welche lieferte. Lieber würde er sterben. Was auch noch passieren konnte.
Als er Cringe Callahan, dem Präsidenten des Contra Costa Chapters, den Vorschlag unterbreitet hatte, sein Geschäft auf Salinas auszuweiten, hatte er nicht gedacht, dass sich die Nuestra Familia derart zur Wehr setzen würde. Doch trotz all der umfangreichen Ermittlungen war es dem FBI nicht gelungen, die sogenannte Mesa auszuschalten, die Köpfe der Familia. Die schweren Jungs operierten noch immer aus dem Pelican Bay State Gefängnis in Kalifornien und dem ADAMAX Gefängnis in Colorado heraus. Von dort aus organisierten sie sich, setzten neue Generäle, Kapitäne, Straßen- und Regimentskommandanten ein und bemühten sich, ihrer zerschlagenen Organisation wieder Leben einzuhauchen. Sie muteten wie ein angeschossener Wolf an, der mit hochgezogenen Lefzen wild um sich biss. Die Norteños, die Mitglieder der Straßengangs, waren nervös. Sie ballerten auf alles, was sich in ihre Bezirke wagte, brachten sich zum Großteil sogar gegenseitig um, um an die begehrten Führungspositionen zu gelangen. Salas war mittlerweile ein Sumpf, der jeden in die Tiefe zog, der nicht schnell genug flüchten konnte.
Aus diesem Grund war Travis auch stinksauer, dass Mya zurückgekehrt war. Sie gehörte nicht hierher, hatte es nie getan. Nach allem, was ihr in Salas zugestoßen war, hätte sie das eigentlich selbst begreifen müssen. Travis stand auf und ignorierte das schmerzhafte Ziehen seiner Muskeln. Er hoffte, dass Rory sie dazu bewegte, so schnell wie möglich aus der Stadt zu verschwinden, aber wie er seinen besten Kumpel kannte, würde er sie eher ficken als fortschicken. Travis schnaubte. Sie hatten so viel zusammen durchgestanden, doch an Myas Fortgang wäre Rory beinahe zerbrochen.
Nach einigen Dehnübungen legte sich Travis erneut auf den Boden, diesmal, um Sit-ups zu machen. Die Bewegung tat ihm gut, erlaubte ihm, seine Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken. Weg von Mya. Er verstand nicht, weshalb sie Rory und ihm so wichtig werden konnte. Vor ihrem Auftauchen waren sie wie zwei ordentlich vernietete Stahlträger gewesen. Hart, unbeugsam und eng miteinander verbunden. Aufgewachsen im Las Casitas Complex an der Amarillo Road, wo hauptsächlich irische Arbeiterfamilien wohnten, die auf den San-Ardo-Ölfeldern beschäftigt waren, hatte das Leben sie bereits von klein auf fest zusammengeschweißt. Nachdem Travis’ Mutter mit seinen beiden jüngeren Schwestern abgehauen war, blieb er mit seinem gewalttätigen Vater zurück, der ihn schon als Kind hinaus auf die Straße schickte, um wesentlich ältere Jugendliche zu verprügeln. Er hatte ihm gesagt, das würde ihn stärken und auf die Zukunft vorbereiten. In Wirklichkeit hatte er auf seinen Sohn nur Wetten abgeschlossen, hatte dabei meist gegen ihn gesetzt, um sich Geld für seine Trinkerei zu erspielen. Travis konnte die Frakturen bald nicht mehr zählen, die ihm bei diesen Kämpfen zugefügt worden waren. Die meisten von ihnen waren niemals ärztlich behandelt worden, denn Travis’ Familie besaß keine Krankenversicherung. Rorys Mutter kümmerte sich darum. Sie war Altenpflegerin und lebte mit ihrem Mann und den drei Söhnen ein Stockwerk über ihnen. Auch Rorys Vater war ein Säufer, wenn auch nicht so aggressiv wie der von Travis. Ihr verkorkster Alltag, der aus elterlichen Streitereien, Straßenkriminalität und der Sprache der Gewalt bestand, machte Freunde aus ihnen. Brüder.
Sie schworen sich, dem anderen immer zur Seite zu stehen, egal, was das bedeutete. Und sie hatten es getan. Als Travis wegen wiederholten Drogenbesitzes, gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Raub zu zwei Jahren Jugendgefängnis in Preston verurteilt worden war, dem Ort, der als die Vorstufe zur Hölle bekannt war, ließ Rory sich ebenfalls erwischen und folgte nur drei Wochen später nach. Zusammen standen sie das durch, ertrugen die Demütigungen der Wärter, die nicht selten auch sexueller Natur gewesen waren, und kämpften gegen die Übermacht der mexikanischen Jugendlichen an. Weder die kotverschmierten Zellen, in denen man die Isolationshaft absitzen musste, noch der kakerlakenverseuchte Fraß, den man ihnen die ganze Zeit über vorsetzte, hatten sie gebrochen. Am Ende verließen sie Preston mit hocherhobenen Köpfen und wussten, dass sie dieser Aufenthalt nur noch stärker und brutaler gemacht hatte. Erst ein mageres, dunkelhaariges Mädchen hatte sie geknackt und sich zwischen sie gedrängt wie flüssiger Stahl. Sie hatte ihre Hohlräume ausgefüllt und ihre Nieten gesprengt.
Travis bemühte sich, ruhig zu atmen, auch wenn er verärgert darüber war, dass sich Mya zum wiederholten Mal in seinem Kopf festsetzte. Sie hatte ihm etwas bedeutet, verdammt! Er riss seinen Oberkörper in die Höhe, obwohl er dachte, seine Bauchmuskeln würden zerreißen. Zwar war er nach ihrem Verschwinden nicht durchgedreht wie Rory, sondern hatte sich bemüht, diese Tatsache hinzunehmen, aber etwas hatte sich verändert. Ihr Geist blieb bestehen und schwebte zwischen ihnen. Und nun war er auferstanden. Das bedeutete nichts Gutes. Man weckte keine Toten, genauso wenig wie man vergessene Gefühle wieder aufwärmte.
Travis sprang mit einem Satz auf die Beine und verübte Boxschläge gegen einen unsichtbaren Gegner. Die dunkle Vorahnung, die ihn verfolgte, seit Mya ihm einen Besuch abgestattet hatte, wurde übermächtig. Im Gegensatz zu Rory sah er die Zusammenhänge, die ihnen das Genick brechen konnten. Der größte Risikofaktor dabei war Lisa, Rorys Frau. Travis konnte sie nicht ausstehen. Er nannte sie nur ›die Irre‹ und in seinen Augen war sie das auch. Sie steckte viel zu tief in der Familia drinnen, als dass sie sich davon hätte lösen können. Nur als Leiche schied man aus der Organisation aus, hieß es, und es war damals sowohl von Lisa als auch von Rory naiv gewesen zu glauben, dass man sie für alle Zeit unbescholten in Salas würde leben lassen. Ihr großes Glück war, dass die Gang zum Zeitpunkt ihrer Heirat viel zu sehr damit beschäftigt gewesen war, ihre Spuren zu verwischen und Mitglieder auszuschalten, die geredet hatten, als dass sie sich um eine ungewollte Heirat geschert hätten. Doch nun, da sich die Situation wieder stabilisierte und Rory als Feind gehandelt wurde, war es nur eine Frage der Zeit bis Lisa sich zu ihrer wahren Familie bekannte. Bekennen musste. Das war keine Entscheidung der Zuneigung, sondern der Abstammung. Einmal Familia, immer Familia. Außerdem war Lisa Paquis Cousine und der war als Regiment Commander von Salas ganz sicher nicht derart loyal, dass er ein Green Army Mitglied in seiner Verwandtschaft duldete. Es herrschte Krieg, auch wenn Rory das noch nicht verstanden hatte.
Unruhig lief Travis in seiner Zelle auf und ab. Es gab viel für ihn zu tun, wenn er draußen war, er wusste gar nicht, wo er beginnen sollte. Soweit er von seinem Informanten gehört hatte, war das Treffen vor zwei Tagen mit den Triaden positiv verlaufen. Sowohl der Übergabeort als auch die Summe waren mit Handschlag besiegelt worden. Nun musste er Cringe nur noch davon überzeugen, der arischen Bruderschaft einen Anteil am Drogenhandel zukommen zu lassen. Die Rechten produzierten Meth in rauen Mengen, waren aber zu klein, um in Salinas Fuß zu fassen. Da sie jedoch die Green Army Brüder im Gefängnis schützten, so wie sie es auch bei Travis und vor Jahren bei Rory getan hatten, war es nur fair, sie zu beteiligen. Ihr Netzwerk reichte bis in die Bundesgefängnisse hinein und man konnte nie wissen, ob man dort nicht irgendwann Schutz benötigen würde. Oder Informationen.
Travis fuhr herum, als er den Schlüssel im Schloss hörte. Ein Wärter öffnete den Zugang, durch den er die Hände strecken musste, um sich Handschellen anlegen zu lassen, bevor er hinausgelassen wurde. Travis krauste die Stirn. Es war zu früh. Er kannte die Rituale der Gefängnisse. Niemand ging hier vor der angekündigten Zeit.
»Du wirst im Verhörraum erwartet«, sagte der Wärter ungeduldig und gab ihm zu verstehen, näherzukommen.
Travis zögerte.
»Mach schon, ich hab nicht ewig Zeit!«
»Ich werde heute entlassen.«
»Erzähl das Mr. Marella.«
Travis grunzte. John Marella war der stellvertretende Bundesstaatsanwalt des Bezirks Nordkalifornien, der das Contra Costa Chapter im Visier hatte. Das war bereits sein zweiter Besuch bei Travis. Sollten das seine Brüder von der Green Army herausfinden, würde sie das misstrauisch werden lassen und er hatte keine Lust, sich deshalb zu rechtfertigen. Verärgert streckte er die Hände durch die Öffnung, ließ sich die Handschellen anlegen und trat hinter die markierte Sicherheitslinie zurück, wo der Wärter ihn sehen konnte. Erst dann entriegelte dieser das Sicherheitsschloss der Tür. Travis trat auf den Gang mit dem ausgetretenen, grünbraunen PVC-Boden. Seine weißen Turnschuhe quietschten auf dem Untergrund, als er dem Wärter voran in den Besucherblock marschierte. Sie passierten endlose Gänge und Travis erspähte eine Gruppe verfeindeter Mithäftlinge. Allesamt Mexikaner, Norteños. Man erkannte sie an den Sombreros mit der Machete, die auf ihre Hälse tätowiert waren, und an dem Symbol XIV, das für die Zahl 14 stand, weil das N der vierzehnte Buchstabe des Alphabets war. Travis hielt ihren starren Blicken stand, blieb jedoch dicht an der Wand, damit sie ihn durch die Gitterstäbe des Aufenthaltsraumes nicht in die Finger kriegten. Heimtückische Stiche in die Milz, etwa durch eine angespitzte Zahnbürste oder einen Bleistift waren keine Seltenheit. Die Norteños beherrschten das mit tödlicher Präzision und die Wärter bekamen es meist erst mit, wenn das Opfer neben ihnen ohnmächtig wurde. Bei einem Stich in die Milz kam es zu erheblichen inneren Blutungen, jedoch kaum zu äußeren.
Travis passierte den Aufenthaltsraum ohne Vorkommnisse und gelangte schließlich in den äußersten Block des Gefängniskomplexes. Er wusste, dass die beiden Verhörzimmer direkt neben den Besucherräumen lagen. Wortlos ließ er sich hineinführen und nahm auf einem knarzenden Plastikstuhl Platz. Er sah sich unauffällig um. Die Wände waren weiß gestrichen, die Neonröhren an der Decke grell und hinter dem obligatorischen Spiegel spürte er die Blicke der Beamten auf sich gerichtet. Er zuckte nicht mit der Wimper und nahm die Überwachungskameras ins Visier. Solange sie liefen, hatte er nichts zu befürchten. Erst wenn sie abgeschaltet wurden, bedeutete das für gewöhnlich, dass jemand geschmiert worden war, um das zu übersehen, was anschließend geschehen würde. In diesem Moment blinkte das rote Licht der Kameras mehrmals, dann erlosch es. Fuck.
Die Tür ging auf und John Marella trat ein. Travis neigte den Kopf und beobachtete ihn aufmerksam. Marella war speziell. Er trug keinen dunklen Anzug mit Krawatte, wie es Bundesbeamte normalerweise taten, sondern er erschien in Jeans und Lederjacke. Lässig setzte er sich Travis gegenüber und verschränkte die Finger vor sich auf dem Tisch.
»Ich wollte Sie noch einmal sehen, bevor Sie diese heiligen Hallen verlassen, Mr. McAlister«, begann er und sah Travis ins Gesicht. »Sie waren bei meinem letzten Besuch nicht besonders kooperativ und ich dachte, ich suche noch einmal das Gespräch mit Ihnen.«
Travis schwieg. Er wusste, dass Marella nichts gegen ihn in der Hand hatte, sonst hätte er längst eine Haftverlängerung beantragt.
»Mya Eloise Munroe.« Der Name schwebte im Raum und Travis’ Blick bohrte sich in den von Marella. Der stellvertretende Bundesstaatsanwalt grinste. »In der Tat. Sie bedeutet ihnen etwas. Das hätte ich nicht gedacht.«
Travis rief sich zur Ruhe. Er hatte sich aus dem Konzept bringen lassen, verdammt!
»Hat Mya Munroe je von ihren Eltern gesprochen?« Marella beugte sich vor. »Hat sie je erwähnt, dass der Name ihres leiblichen Vaters Rene Carnero lautet?«
Travis sagte der Name nichts und er gab sich desinteressiert, obwohl er sich fragte, welche Spur Marella verfolgte.
»Rene Carnero war ein Kapitän der Nuestra Familia. Er war der Mesa unterstellt und wurde ein FBI-Informant.« Marella schien jedes Wort zu genießen. »Die Familia ließ ihn während der Operation vor einigen Jahren hinrichten. Man fand seine zerstückelte Leiche auf den Gemüsefeldern.«
Travis atmete ganz ruhig. Er hatte gelernt, sich nicht provozieren zu lassen, selbst wenn ihn diese Nachricht beunruhigte. Viel mehr beunruhigte ihn zudem, was Marella damit bei ihm bewirken wollte. Er zögerte nicht, es Travis mitzuteilen: »Mya Munroe ist die Tochter eines Verräters. Glücklicher Zufall, dass sie ausgerechnet jetzt wieder in der Stadt ist.«
»Was hat das mit mir zu tun?«, fragte Travis betont gleichgültig.
»Obwohl wir es Ihnen nicht beweisen können, bin ich mir hundertprozentig sicher, dass Sie etwas mit dem Mord an Walt Chandler zu tun haben, Mr. McAlister. Ich denke, Sie haben dieses Mädchen geliebt und, wie ich nun zufällig erfahren habe, tragen Sie dasselbe Tattoo. Miss Munroe war etwas unbedacht, was ihre Aussage beim örtlichen Sheriff anging. Die ambitionierte Judith T. Mason ist nicht amüsiert darüber, dass die Green Army auf einmal durch ihren Vorgarten fährt. Sie bekommt intern enorm Druck und will vor allem eines: ihre Stadt schützen. Aus diesem Grund hat sie mich über die Aussage von Miss Munroe informiert. Sie war der Ansicht, die Kleine wolle Ihnen ein Alibi verschaffen, Mr. McAlister. Wie sehen Sie das?«
»Ich muss dazu nichts sagen. Das sind reine Unterstellungen.«
»Gut, dann machen wir mit den Unterstellungen einfach weiter. Sie müssen nur zuhören.« Marellas Grinsen wurde breiter. »Nehmen wir an, Sie haben Walt Chandler vorsätzlich erschossen. Bei Ihren Vorstrafen und Ihrem sozialen Hintergrund bringt Ihnen das bis zu fünfundzwanzig Jahre Knast ein. Oder die Todesstrafe. Hängt von der Jury ab.« Marella musterte Travis. »Ich könnte natürlich auch veranlassen, dass gegen Miss Munroe ermittelt wird und sie in Untersuchungshaft genommen wird. Ich bin mir sicher, sie weiß mehr, als sie zugibt. Vielleicht war sie sogar daran beteiligt?«
Travis zog eine Augenbraue nach oben. »Was sollen die Drohungen? Hätten Sie Beweise in der Hand, würden Sie nicht hier sitzen, um mit mir zu reden.«
Marella rieb seine Handflächen gegeneinander. »Das ist richtig, aber ich bin von einer Bundesbehörde und es ist mir scheißegal, was mit Ihnen oder Ihrem Flittchen passiert. Was mir allerdings nicht egal ist, sind die Bandenkriege, die Salinas erneut erschüttern. Wir haben aufgeräumt. Und das, was nun geschieht, ist verdammt schlechte Presse!«
Daher wehte der Wind. Travis verstand. Marella würde alles tun, um das Ansehen des FBI nicht zu gefährden. Beweismanipulationen waren keine Seltenheit, auch wenn die Öffentlichkeit nie etwas davon erfuhr. »Was wollen Sie?«, brummte er.
»Ich will die Triaden und die Real IRA! Und ich will die Nuestra Familia endgültig ausrotten!« Marella lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper.
»Ich weiß nichts über die Triaden, die RIRA oder die Familia.«
»Hören Sie, Mr. McAlister, wir können hier lange sitzen oder nur ganz kurz, aber am Ende werde ich bekommen, was ich will. Mein Druckmittel heißt Mya Munroe und ich habe keine Skrupel, dieses Mädchen für meine Zwecke zu benutzen. Ich werde die Norteños wissen lassen, wer ihr Vater war und dann stecke ich sie mit deren Frauen in einen netten Familienknast. Wie gefällt Ihnen das, Mr. McAlister? Wissen Sie, zu was diese Norteños-Weiber in der Lage sind? Sie quälen ihre Feinde lange und effektiv ohne sie umzubringen. Ich rede hier von Vergewaltigungen durch die Wärter, die auf der Gehaltsliste der Familia stehen, von Folter durch die weiblichen Insassen, Isolationshaft und vielem mehr. Man mag Sie in Preston nicht gebrochen haben, Mr. McAlister, aber ich denke, Ihre kleine Freundin ist nicht so stark. Was meinen Sie? Wollen Sie für ihr Leid oder ihren tragischen Tod verantwortlich sein?«
Travis knirschte mit den Zähnen. Er hatte es verdammt nochmal geahnt! Warum zum Teufel war Mya nur zurückgekommen? Nun steckten sie alle tiefer in der Scheiße als jemals zuvor.
»Was denken Sie, Mr. McAlister?«, bohrte Marella nach. »Sind Sie bereit, mir Einzelheiten zu nennen? Sie müssen Ihre Brüder von der Green Army dabei gar nicht verpfeifen. Zählen Sie mir nur deren Kontakte und die anstehenden Deals auf. Ich will mir die richtig großen Brocken holen.«
In Travis’ Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er sah Marella an.
»Ich weiß, dass Sie mich in Gedanken verfluchen, Mr. McAlister. Aber so ist es nun mal. Man muss ein Arschloch sein, um Arschlöcher festzunageln.«
Travis spuckte angewidert aus und Marella setzte sofort ein siegessicheres Lächeln auf. »Ich höre, Mr. McAlister.«
Zwei Stunden später verließ Travis das Monterey County Gefängnis. Er schritt durch das schwere Stahltor, das sich unter lauten Warnsignalen und blinkenden Hinweislampen öffnete, und blieb kurz stehen, als er Rorys Pick-up erblickte. Sein Kumpel war gekommen, um ihn abzuholen. Travis beschleunigte seine Schritte. Er überquerte die Seitenstraße und sie umarmten einander.
»Scheiße, Bro, es ist so gut, dass du wieder draußen bist!« Rory klopfte ihm mehrmals fest auf den Rücken. Sie knufften sich gegenseitig und Travis war kurz davor, etwas zu erwidern, doch dann erstarrte er.
»Was macht sie hier?«, fragte er aggressiver als beabsichtigt. Er sah Mya auf dem Beifahrersitz des Pick-ups zusammenzucken.
Rory senkte den Kopf und Travis begriff. »Habt ihr gefickt?« Er riss die Autotür auf und zerrte Mya nach draußen. »Hast du’s ihm besorgt, du dummes Miststück?«
»Was soll denn das?« Rory ging dazwischen und Travis bemerkte, dass Mya bleich geworden war.
»Was ist?«, herrschte er sie an. »Bist du entsetzt darüber, was hier abgeht?« Seine Wut richtete sich gegen Rory. »Was tut sie noch hier? Warum sitzt sie nicht längst im Flieger zurück in das Loch, aus dem sie gekrochen ist?«
Rory hob beruhigend die Hände. »Keine Sorge, Bruder, alles easy. Sie hat Alyssa getroffen und die Norteños haben ihr zugesetzt. Deshalb habe ich sie in Sicherheit gebracht. Raus aus dem Motel.«
»Wohin hast du sie gebracht?«, knurrte Travis und sah Rory schlucken.
»In deinen Wohnwagen.«
Travis musste sich umdrehen, um nicht völlig die Beherrschung zu verlieren. Als er sich wieder einigermaßen im Griff hatte, drängte er Mya energisch zurück in den Wagen und rutschte neben sie auf die durchgehende Sitzbank.
»Fahr!«, befahl er und starrte geradeaus.
Rory lief um die Motorhaube herum, stieg ein und startete den Motor. Sein Blick ruhte auf Travis, doch der knallte nur die Beifahrertür zu und bemühte sich, Mya nicht zu berühren. Er war geladen wie schon lange nicht mehr.
Rory fuhr los, folgte der Natividad Road und anschließend dem Sherwood Drive durch die Anbauflächen der Mexikaner. Der Monterey Salinas Highway brachte sie schließlich aus der Stadt heraus. Schweigend fuhren sie Richtung Süden. Sie nahmen die Ausfahrt 19 und bogen vor der Einfahrt in den Toro County Park auf eine Schotterstraße ab. Über unwegsames Gelände ging es durch verdorrte Grasebenen, ausgetrocknete Flussbetten und sandiges Buschland. In einer Senke brachte Rory den Pick-up zum Stehen. Sie warteten kurz, bis sich die Staubwolke gelegt hatte, dann stiegen sie aus. Travis ging voran. Er trat die Disteln nieder, die zwischen den Bäumen und dem Gestrüpp gewachsen waren und räumte die dürren Zweige zur Seite, die seinen Wohnwagen vor den Blicken der Ranger schützten. Mya hatte alles so hinterlassen, wie sie es vorgefunden hatte, stellte er erleichtert fest.
Mit geübtem Griff öffnete er die sperrige Tür und trat ins stickige Innere. Seine wenigen Sachen befanden sich alle noch an ihrem Platz. Allerdings hatte sie sein Bett gemacht. Er zerwühlte es demonstrativ mit dem Absatz seines Stiefels und ging wieder nach draußen. Dabei begegnete er ihrem forschenden Blick.
»Du kannst nicht hierbleiben«, kommentierte er ihre unausgesprochene Frage. »Wann geht dein Flug?«
»Der Sheriff hat mich gestern kontaktiert. Sie hat mir gesagt, ich soll mich noch länger zur Verfügung halten. Anscheinend gibt es Probleme bei den Ermittlungen.«
Travis schnaubte. »Es gibt keine Probleme. Flieg nach Hause, am besten noch heute.«
Sie wollte widersprechen, er sah es ihr an und schüttelte warnend den Kopf. »Wir wollen dich hier nicht, ist das klar?«
Mya machte einen Schritt rückwärts und stieß dabei gegen Rory, der ihr beruhigend über den Arm strich. Die Vertrautheit zwischen den beiden kotzte Travis an. Sie hatten keine Ahnung, was für ein verheerender Sturm sich über ihnen zusammenbraute und er hatte keine Lust, es ihnen zu erzählen. Es genügte, wenn er Bescheid wusste. Trotzdem war es das erste Mal, dass er seinem Kumpel etwas verschwieg und das setzte ihm zu. Es verstärkte seine Wut, die er in diesem Moment nicht ablassen konnte.
»Wo ist mein Bike?«, grollte er.
»Steht in meiner Garage.« Rory zögerte. »Was ist los, Exx?«
Seinen Spitznamen zu hören, brachte ihn vollends zum Austicken. Er schoss nach vorne, schubste Mya zur Seite und verpasste Rory einen Kinnhaken. Der Kopf seines besten Freundes flog nach hinten und er sah Blut spritzen. Es war befreiend.
»Du dämlicher Wichser, was denkst du, was du hier tust?« Er schlug erneut zu. Dieses Mal traf er Rory an der Schläfe. Sein Kumpel sackte auf die Knie. Blut troff aus seinem Mund zu Boden. Er wehrte sich nicht.
»Bist du verrückt geworden?« Travis spürte Mya, die nach ihm griff, und schüttelte sie ab wie eine lästige Fliege. Dann packte er Rory am Kragen seines Shirts und zog ihn auf die Beine.
»Als sie das letzte Mal gegangen ist, hast du dich kopflos ins Gefängnis geschossen und ich konnte dir nicht zur Seite stehen. Anschließend hast du diese Irre geheiratet und nun soll die ganze Scheiße von vorne beginnen?«, flüsterte er gefährlich leise. Seine Nase berührte beinahe die von Rory. »Sie ist nur eine miese Schlampe mehr, die wir gefickt haben, also reiß dich zusammen!«
Rory schüttelte den Kopf. »Das ist sie nicht und das weißt du, verdammt.«
Travis griff nach unten und zog das kleine Messer aus dem Schaft seines Stiefels, das er mitsamt der anderen Habseligkeiten zurückerhalten hatte, bevor er das Gefängnis verlassen hatte. Mya schrie auf. Travis richtete die Spitze der Klinge auf das Auge seines Freundes.
»Ich schneid’s dir raus, damit du sie nicht mehr ansehen musst. Vielleicht geht’s dir dann besser«, zischte er und spürte das Adrenalin durch seine Adern pochen. Niemals zuvor war er gegen Rory gewalttätig geworden, doch in diesem Moment ging es mit ihm durch. Dieser Zustand erregte ihn und ekelte ihn gleichzeitig an.
Sein bester Freund rührte sich nicht und Travis spürte den aufgestauten Zorn wie einen Orkan, der in seinem Inneren wütete. Er wollte Blut sehen. Er sehnte sich förmlich danach.
»Hör auf!« Myas Hände umschlossen seine Faust, die das Messer umklammerte. »Es geht nicht um ihn.« Mit ungewöhnlicher Stärke zog sie seinen Arm zu sich heran, richtete die Klinge gegen ihren Hals. »Es geht um mich.«
Sein Blick fand den ihren. Sie wirkte verstört und er schluckte hart. Dennoch verstärkte er den Druck gegen ihren Hals, beobachtete, wie das Messer ihre Haut ritzte.
»Ich bin gegangen«, sagte sie mit fester Stimme. »Das war falsch. Ich habe euch alleine gelassen und mir damit selbst die größten Schmerzen zugefügt.«
Er sah einen Blutstropfen über ihre Kehle rinnen und verringerte den Druck. Doch Mya hielt seine Hand fest. »Es tut mir leid. Ich wusste nicht, was ich tun soll. Je mehr man von seinen Gefühlen preisgibt, desto mehr Menschen finden Wege, um einen zu verletzen. Ich wollte nicht mehr verletzt werden.«
Er fletschte die Zähne. Ihr dummes Gelaber machte ihn aggressiv. Er hätte sie niemals verletzt und das wusste sie. Am liebsten hätte er sie für diese Aussage geschlagen, aber er konnte es nicht.
»Ich habe geschwiegen und das viel zu lange. Es tut mir leid.« Sie sah ihn bittend an und ein weiterer Blutstropfen zog eine schimmernde Spur über ihren Hals.
Travis entriss ihr seine Hand. Schwer atmend ließ er das Messer zuschnappen. »Schweigen ist der mächtigste Schrei, Mya«, erwiderte er rau.
Sie nickte und legte ihre Finger auf die Stelle über seinem Herzen. Dort, wo sein Hemd das Tattoo mit dem schwarzen Kleeblatt verbarg. »Du hast mich gehört.«
Ihre Stimme war beinahe tonlos und er zog sie einem heftigen Impuls folgend zu sich heran. Es war, als hätte sie nur darauf gewartet, sprang in seine Arme und legte die Beine um seine Taille. Ihr Gesicht schwebte über ihm. Fuck. Zum zweiten Mal an diesem Tag befand er sich in einer Situation, der er am liebsten entkommen wäre. Die ihn tiefer in etwas hineinzog, das schlecht für ihn war und tödliche Konsequenzen haben konnte. Vorsichtig leckte er ihr das Blut vom Hals. Sie vergrub ihre Hände in seinen Haaren und ihr Geruch katapultierte ihn zurück in die Vergangenheit. Er wurde steif und seine Lippen wanderten nach oben. Als er ihren Mund fand, wusste er, dass er verloren hatte.
Rory drängte heran und Travis ließ zu, dass er die Arme um sie beide legte.
»Tut mir leid, Bro«, sagte er und beobachtete, wie Mya ihren Kopf abwandte und nun Rory küsste. Seine Erregung nahm zu. Es war lange her, dass er gefickt hatte und verdammt nochmal, es war zehn Jahre her, dass er es so getan hatte, dass ihm dabei beinahe die Eier detoniert waren.
Vorsichtig trug er Mya ins Innere des Wohnwagens, legte sie auf das zerwühlte Bett, streifte ihr die Schuhe ab und zog ihr bestimmt ihre Jeans mitsamt dem Slip von den Hüften. Sie biss sich auf die Unterlippe und beobachtete ihn dabei. Travis beugte sich vor, küsste ihre Schamlippen und zerteilte sie mit der Zunge. Mya stöhnte auf. Er schmeckte sie und das machte ihn dermaßen an, dass er sich in den Schritt greifen musste, um seinen Schwanz in eine bequemere Lage zu bringen. Normalerweise befriedigte er Frauen, die er bestieg, niemals oral. Er erwartete es andersherum, legte Wert darauf, dass sie seinen Penis bis zum Anschlag in ihren Mund nahmen und geilte sich am Anblick ihrer aufgerissenen Augen auf, wenn sie merkten, dass er länger war als erwartet. Sex war für ihn lebensnotwendig, in etwa so wie die Fahrt durch einen Drive-through, wenn man hungrig war. Man nahm sich, was man brauchte. Egal wann, egal wo, egal wie.
Doch bei Mya überkam ihn das irritierende Gefühl, ihr etwas geben zu wollen. Selbst nach all der Zeit war sie ihm vertraut, reagierte, wie er es gewollt hatte. Seine Zunge umkreiste ihre Klitoris, während er zwei Finger in ihre feuchte Öffnung schob. Gierig hob sie ihm ihr Becken entgegen. Sie war ungeduldig und er mochte das. Rhythmisch begann er in sie zu stoßen, rieb seine Finger an ihrer inneren Muskulatur, während seine Zunge ihr Spiel fortsetzte.
Aus den Augenwinkeln sah er Rory, der sich bereits völlig entkleidet hinter Mya aufs Bett legte. Er hielt sie für ihn und Travis’ Eier zogen sich vor Erregung schmerzhaft zusammen. So hatten sie es immer getan. Es ging ihnen nicht darum, gleichzeitig mit Mya zu schlafen, es ihr gemeinsam so richtig zu besorgen, sondern sie taten es hintereinander wie zwei Krieger, die ihre Beute einvernehmlich untereinander aufteilten. Das waren sie. Brüder in einem verdammten Krieg. Ihre Blicke trafen sich und Rory nickte kaum merklich. Er verstand, wie er es immer tat. Travis wusste, dass ihr Band niemals zerreißen würde, doch mit Mya in ihrer Mitte waren sie verwundbar.
Trotzdem konnte er sich nicht länger wehren. Er spürte ihre Zuckungen, die sich wie Wellen in ihrem Inneren ausbreiteten. Sie kam schnell und heftig und spülte mit der Nässe ihres Orgasmus den letzten Rest seines Widerstands fort. Ihre glasigen Augen waren auf ihn gerichtet und Travis richtete sich auf. Mit hastigen Bewegungen riss er die Knöpfe seiner Hose auf und streifte sie über den Hintern, ohne sie ganz auszuziehen. Er war so geil, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. Seine Hände umfassten ihre Hüften und mit einem Ruck zog er sie zur Bettkante. Sie schrien beide auf, als er seinen pochenden Schwanz in sie stieß. Mit den nachfolgenden heftigen Stößen wurde ihm bewusst, wie sehr er das vermisst hatte. Sein Blick schweifte über Myas weit geöffnete Ritze, wanderte über ihren Bauch, die kleinen Brüste, die sich dem Takt seiner Bewegungen anpassten, und ihren Mund, der wie selbstverständlich Rorys Schwanz umschloss. Sein Bruder sah ihn an und zum ersten Mal seit Jahren teilten sie wieder jene Erregung und jene unverständlichen Gefühle für die Frau, die sich ekstatisch zwischen ihnen wand. Travis stieß zu und war sich bewusst, dass er dabei grob war. Ein hitziges Verlangen überkam ihn und Rory entzog sich Mya, um sie zu halten. Sie lehnte an ihm und ihr Blick wanderte zwischen den beiden Männern hin und her.
»Du hättest nicht zurückkommen sollen«, presste Travis hervor, beschleunigte sein Tempo und rieb mit dem Daumen ihre Klitoris.
Mya keuchte. Er wusste, dass sie kurz davor war, erneut zu kommen. Auch er konnte sich nicht länger beherrschen. Er kniff die Pobacken zusammen, verharrte tief in ihr und wartete auf das erlösende Gefühl. Es dauerte keine Sekunde und war wie das Abfeuern einer Kanone. Stöhnend spritzte er ab, spürte die Hitze und erschauerte. Das Prickeln in seinem Unterbauch hielt länger an als erwartet und als er über Mya zusammenbrach, hörte er sie flüstern: »Ich musste zurückkommen. Ich gehöre euch.«