21. Auf dem Weg zu den Abtrünnige n
Rückblende – Wochen zuvor:
Malte Rasmussen stand im Tunnel und wischte sich mit seinem Hemdsärmel den verdreckten Schweiß von der Stirn. Seit 13 Tagen grub er nun schon hier unten, getrieben von einer inneren Unruhe, die er sich nicht erklären konnte. Er war erschöpft, nein, mehr als erschöpft: er war regelrecht ausgelaugt. Der Zauber, mit dem er den Boden Zentimeter für Zentimeter pulverisierte und anschließend an den Tunnelrändern zu einer stabilen Stützschicht verdichtete, war kräftezehrend, vor allem jedoch erzeugte er einen feinen Staub, der sich permanent in der Luft hielt und überall hineinkroch. Malte konnte duschen so viel er wollte, den Schmutz bekam er weder aus den Ohren noch aus seiner Nase oder der Lunge. Morgens nach dem Aufstehen hustete er und schnäuzte sich minutenlang, bis mehrere Taschentücher mit erdigem Schleim bedeckt waren.
„Was für eine elendige Schinderei!“, seufzte Malte. „Nur am gesegneten Sonntag habe ich mir ein paar Stunden zur Andacht gegönnt, bevor ich nachmittags doch wieder in meine Grube geklettert bin. Dieser Dreck ist wirklich übel.“
Am zweiten Tag hatte er es mit einem Mundschutz probiert. Das Teil hatte zwar den Staub von seinen Atemwegen ferngehalten, aber es hatte genauso den astralen Fluss behindert. So sehr, dass Malte maximal ein Drittel vom Vortag geschafft hatte. Ähnlich sah es mit dem magischen Schutzschild aus: Der lenkte ihn ab und raubte außerdem noch die Energie, die er so dringend fürs Graben brauchte. Er fühlte sich rastlos.
„Ich habe auch so schon zu viele meiner Anhänger um Hilfe bitten müssen“, murmelte Malte missmutig. „Am liebsten hätten sie mir ja einen Teil der Plackerei abgenommen, aber keiner von ihnen beherrschte den Zauber annähernd so gut wie ich. Das war sinnlos.“ Er stöhnte. „Darum haben sie mich großzügig gestützt und das, obwohl sie ihre Kräfte für die Shows brauchen. Wenn das hier nicht bald ein Ende hat, muss ich nach anderen Wegen suchen. Ich darf meine Leute nicht gefährden. Nicht auszudenken, wenn einer von Ninas Feuerbällen Lasse trifft und dessen Schild kollabiert. Und das bloß, weil ich noch einen halben Meter mehr schaffen will.“
Verärgert beobachtete der Kroyork, wie die Ablehnung seines Wirts wuchs. Dieses sensible Jüngelchen sträubte sich von Tag zu Tag mehr gegen das Graben. Und es war viel zu sehr auf die Gesundheit seiner Anhänger bedacht, eine Haltung, die ihm selbst fremd war.
„Um Ziele zu erreichen, müssen Opfer gebracht werden! Glück gehabt, wenn man nicht selbst dabei draufgeht.“
Exakt diese Worte hatte er nichtsahnend dem Rasmussen eingeflüstert. Sein Wirt hatte darauf mit so heftiger Abwehr reagiert, dass er dem Menschen etliche Bibelzitate hatte einsäuseln müssen, um ihn wieder zu besänftigen.
Nicht entzückend! Der letzte G'labrx wollte Fortschritte sehen, und ob der Tunnel nun zehn Meter in die Tiefe ragte oder zwanzig, war dem Gebieter vollkommen gleichgültig. Genauso wenig wollte er etwas von den vertraglichen Problemen hören, die beim Kauf des Grundstücks aufgetreten waren, oder von den Anstrengungen, die sie bei der Beschaffung des Geldes und der astralen Kraft auf sich nahmen.
Den Weltenwanderer interessierten lediglich die Artefakte, die im Boden verborgen lagen.
„Bei der Sphäre“ , ächzte der Flüsterling bei sich, „dieses christliche Wertesystem bremst die Pläne des G'labrx‘ aus. Daran werden wir arbeiten müssen.“
Er würde subtil vorgehen und ein paar Wahrheiten verdrehen. Das Alte Testament bot da sicherlich konstruktive Ansätze. Doch das würde Zeit brauchen. Zeit, die er jetzt nicht hatte. Auch nicht entzückend.
Unzufrieden kramte der Kroyork nach motivierenden Gedanken für seinen Wirt. „Ich kann die Artefakte schon spüren“ , wisperte er und ignorierte die eigene Langeweile. „Es ist nicht mehr weit. Nur noch wenige Meter. «Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Wege!» Gott leitet mich, das schaffe ich.“
Noch ein paar von diesen Psalmen über Mühsal und Plackerei und der Dämon würde dem Rasmussen ins Hirn kotzen. Jammerschade, dass das der Intelligenz seines Wirts abträglich war. Erst recht nicht entzückend!