Epilog
Der Unantastbare wurde von zwei Satanas zu seinem Quartier begleitet. Seine Meridiane brannten unerträglich. Er war vollgepumpt mit der astralen Kraft von einem Dutzend Zweiten oder mehr, dennoch fühlte er sich so ausgelaugt, dass er kaum noch einen Huf vor den anderen setzen konnte. So war es stets, nachdem er für den letzten G'labrx als Kommunikationsgefäß fungiert hatte.
„Ja. Mein Gebieter sorgt gut für mich“
, ächzte der junge Satan innerlich. „Er gibt mir mehr, als ich brauche. So viel mehr, als ich vertrage.“
Hohl klapperten die Pferdefüße der drei Dämonen auf dem schwarzen Granit. Der Unantastbare wollte nur schlafen und seinen schmerzenden Körper vergessen.
„Gleich habe ich es geschafft. Noch zwei Flure, dann kann ich mich ausruhen.“
Aber seine Beine verweigerten ihm schon jetzt den Dienst, er strauchelte.
Sofort schnappten die krallenbewerten Hände seiner Artgenossen nach seinen Oberarmen und richteten ihn wieder auf.
Wortlos.
Emotionslos.
Erbarmungslos.
Kühl und doch voller Neid schleppten sie das Gefäß des Weltenwanderers zu seiner Kammer. Der Unantastbare wusste genau, was sie über ihn dachten: «Dieser Dämon bekommt alles in seinen viel zu jungen Arsch geblasen, wofür wir so hart kämpfen müssen.» Würde er nicht das Zeichen des Allmächtigen tragen, würden sie ihn…
„Wenn sie es bloß täten!“
Aber sie taten es nicht. Niemand krümmte dem Unantastbaren auch nur ein Haar.
„Obwohl – gegen diese beiden hier brauche ich das Zeichen des letzten G'labrx nicht. Nicht mehr. Über Monate haben sie mich Tagesspanne für Tagesspanne mit so viel Astralkraft vollgestopft, dass sich mein Potenzial
gefährlich vergrößert hat. Selbst jetzt, wo ich mich kaum noch auf meinen Beinen halten kann, könnte ich die zwei mit einem Fingerschnippen einäschern.“
Früher mal hatte er von so einem Potenzial geträumt und sich vorgestellt, wie es wäre, so viel Macht zu besitzen. Heute sehnte er sich bloß nach einer einzigen Nacht ohne dieses höllische Brennen in seinen Meridianen.
Das Hufgeklapper wurde unregelmäßig, die Eskorte verlangsamte ihre Schritte. Der rechte Satan riss eine Tür auf und beide Wächter gaben dem jungen Dämon einen unsanften Schubs.
Mit unsicheren Schritten wankte der Unantastbare in seine Kammer. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
„Endlich allein.“
Erschöpft taumelte er zu seiner Schlafstatt. Dort knickten seine Beine ein und er fiel auf seine Ruhematte.
Heute hatte sich etwas Außergewöhnliches ereignet. Der Kroyork hatte berichtet, dass sie die Erben der Abtrünnigen gefunden hatten. Trotz der Verfolgung durch das Natterngezücht war es den Magiern des Geheimbundes offenbar gelungen, Nachkommen zu zeugen und ihr Wissen weiterzugegeben. Über Generationen hinweg hatten sie das getan: sich verkriechen, sich fortpflanzen, das Wissen weitergeben. Generation für Generation für Generation. Die jüngsten Abkommen der Abtrünnigen nannten sich Hüter.
„Unzählige Schriften haben diese Menschen in den vergangenen Jahrhunderten angefertigt und dennoch verstehen sie den Sinn ihrer eigenen Worte nicht mehr. Sie haben in den vielen Dekaden schlichtweg vergessen, was sie bedeuten.“
Stöhnend drehte sich der Unantastbare auf die Seite.
„Das Natterngezücht nahm den Humanoiden die Magie und um nicht aufzufallen, durften auch die Abtrünnigen keine mächtigen Zauber mehr weben. Ohne Praxis haben ihre Kinder die alte Kunst verlernt. Das, was sie heute noch beherrschen, ist nicht der Rede wert. Tse. Sie sind im Besitz von Almanachen über die komplexe irdische Magie, doch die simplen Grundlagen sind aus ihren Gedächtnissen gesickert wie Wasser aus einem leckgeschlagenen Eimer. Was können sie ohne Grundlagen mit
den Almanachen anfangen?“
Nichts. Obwohl sie blind für die Inhalte waren, hatten die Hüter jede einzelne Schrift aufgehoben und teilweise mit ihrem Leben verteidigt. Genauso verhielt es sich mit den Artefakten. Deren Funktionsweise konnte ebenfalls kein Mensch mehr entsinnen.
„Wahrlich, in diesem alten Keller lagern Kostbarkeiten. Allein die Amulette werden von unschätzbarem Wert für den Rasmussen und seine Freien Magier sein.“
Das größte Wunder jedoch war ein scheinbar leeres Gewölbe. Der Flüsterling stieß erst Tage nach seiner Begegnung mit den Hütern darauf. Der Eingang war sorgfältig verborgen und versiegelt gewesen. Es hatte den Wirt Stunden gekostet, die Schutzzauber unter Anweisung des Kroyorks zu entfernen. Was sie dann gefunden hatten, versetzte den letzten G'labrx in Ekstase: ein jungfräuliches Tor.
Der Unantastbare rollte sich auf seiner Ruhematte zusammen. Die Erregung des Gebieters summte noch immer in seinen Knochen.
„Dieses Tor haben die abtrünnigen Magier nie geöffnet. Es war ihr letzter Ausweg, ihr Notausgang. Nur deswegen hat das Natterngezücht keine Kenntnis davon. Wohin es führt?“
Der Dämon gähnte. Selbst seine Gesichtsmeridiane schmerzten.
„Keine Ahnung. Noch hat der Kroyork in den Menschenschriften nichts darüber gefunden. Ha! Diese einfältigen Hüter dachten tatsächlich, es gäbe in dem Keller ein Art Geheimgang. Pah! Diese dumpfen Menschen sind keine Hilfe.
Nun ja, wohin das Tor führt, ist irrelevant. Der Erste, der nicht an Flüche glaubt, ist der Ansicht, dass er auch ohne dieses Wissen das jungfräuliche Tor von den Nebeln aus orten kann. Der Weltenwanderer plant bereits eine Offensive. Er wird zurückkehren in die Welt seiner Feinde, dorthin, wo vor so vielen Dekaden all seine Brüder und Schwestern von dem verräterischen Natterngezücht umgebracht worden waren.“
Der Unantastbare holte tief Luft und versuchte, sich zu entspannen. Er hatte die unbändige Sehnsucht des G'labrx gespürt. Der Letzte verzehrte sich förmlich nach dem fremden Planeten.
„Nicht mehr lange und die Rache ist sein. Die wilden Horden werden
über die Erdenwelt herfallen. Sie werden die betörende Magie dieses Planeten aussaugen. Alles Natterngezücht wird ein für alle Mal ausgemerzt. Und dann endlich wird mein Gebieter Ruhe finden. Dann braucht er sein Gefäß nicht mehr. Dann kann er es zerschlagen und das Brennen in meinen Meridianen hat für immer ein Ende.“
Diese Aussicht gab dem jungen Dämon Frieden und schließlich fand er in einen unruhigen Schlaf.
Ende
… zumindest vorerst…
„Was? Wie jetzt? Ende?! Nicht entzückend!“
Der Kroyork könnte kotzen.
„Soll ich jetzt etwa ‘ne Ewigkeit warten, bis endlich dieses TOR aufgeht! Und mir bis dahin endlos Bibelzitate mit dem Rasmussen hin- und herschieben, oder was?! Hast du ‘nen Knall, Johanna?! Ich weiß schon, was er denken wird: «Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, offenbart seine Torheit.» Bla, bla, bla! Würg. Ich will wissen, wie es weitergeht. Bekommt der Letzte G'labrx seine Rache? Johanna, mach das Tor auf! SOFORT!“
„Keine Chance“, entgegnete die Autorin. „Im Gegensatz zu dir kann ICH nicht zaubern. Gut Ding will Weile haben.“
„Boa! Noch mehr sinnlose Sprüche. Ich dreh durch! Argh! GAR NICHT entzückend!“
„Jetzt krieg dich wieder ein, kleiner Flüsterling“, antwortete Johanna und löffelte gelassen etwas Milchschaum von ihrem Zimtkaffee, „es wird keine Ewigkeit dauern, bis die Geschichte vom Phönix weitergeht, sondern bloß bis Ende 2017/Anfang 2018. Solange wirst du dich gedulden müssen. Wenn dir langweilig ist, dann lies doch noch mal die Kiel-Reihe
und schau wie alles begann.“
„Grumpf! Vielleicht.“