Scheiße! Ich habe keine Ahnung, was Maya mit mir anstellt, aber um ehrlich zu sein, jagt mir das, was auch immer es ist, eine Heidenangst ein. In meinem bisherigen Leben kam ich ganz prächtig klar. Lockere Beziehungen, nichts zu verlieren. Ich weiß, was meine Prioritäten sind und das waren bisher nie irgendwelche Mädchen. So wollte ich es und es hat gut geklappt. Und jetzt? Jetzt laufe ich schweigend neben Maya her, weiß nicht wo ich hinschauen und was ich mit meinen Händen anstellen soll. Das auf den Boden Starren habe ich mittlerweile aufgegeben und sehe nun verloren in der Gegend umher. Wieso zur Hölle fällt es mir plötzlich so schwer, cool zu bleiben? Verlegen reibe ich mir den Nacken, als wir uns den Feuerstellen immer weiter nähern. »Ähm.« Ähm? Ähm?? Ich verdrehe die Augen über mich selbst. Maya scheint es gesehen zu haben, denn ihre Mundwinkel ziehen sich keck nach oben. »Du bist echt süß, wenn du schüchtern bist.«
»Schüchtern? Süß?« Ich straffe die Schultern und setze ein unverschämtes Lächeln auf. »Diese Worte kommen in meinem Wortschatz nicht vor. Selbstbewusst. Sexy. Das sind die Worte, mit denen ich
mich beschreiben würde.« Als sie lacht, atme ich erleichtert aus, und bin glücklich, die beklemmte Stimmung los zu sein. Zwar ist da immer noch dieses ätzende Gefühl in meiner Brust, aber mit genügend gutem Willen und betäubendem Sex werde ich auch das irgendwie wieder abstreifen können. Wir nähern uns dem Lagerfeuer, um das sich jetzt mehrere Menschen versammelt haben als eben noch. Vermutlich sind die meisten mittlerweile so angetrunken oder erschöpft vom Tanzen, dass die Ruhe hier bald der Vergangenheit angehört.
»Soll ich dir noch etwas zu trinken holen? Der Cocktail von vorhin sah verlockend aus«, frage ich, als Maya sich auf den Baumstamm setzt. Sie blickt von unten zu mir hoch, und lässt mich sofort wieder an verdammt unanständige Dinge denken, die sie in dieser Position anstellen könnte.
»Ich glaube, es ist besser, wenn ich meinen Kopf freihabe.«
Ich setze mich neben sie und mustere ihr wunderschönes Gesicht. »Du musst kein schlechtes Gewissen haben.«
Sie schnaubt verächtlich und streicht sich fahrig durchs Haar. »Ach nein? Ich werde morgen mit meinem Freund Schluss machen. Sowas habe ich noch nie getan.
«
»Er hat dich ohnehin nicht verdient«, schnaube ich bei dem Gedanken an diesen Volltrottel, den sie Freund nennt.
Ihr Atem kommt schwer und beinahe schmerzlich. Ihre Augen legen sich auf mein Gesicht und entfachen wieder dieses Gefühl in meinem Inneren, das ich in ihrer Gegenwart nicht abschalten kann. »Nein«, gesteht sie leise und wendet den Blick ab.
Um uns herum haben sich etliche Menschen versammelt und einer stimmt auf seiner Gitarre eine melancholische Musik an. Töne, die nicht passender für unsere Situation sein könnten. Mein Herz schlägt höher, schnell und unkontrolliert. Es will mir etwas sagen, doch wie soll man auf sein Herz hören, wenn man weiß, dass man am Ende nur verlieren kann?
»Das war so nicht geplant«, murmele ich und hoffe, dass sie es nicht gehört hat. Denn auf die Fragen, die sie stellen wird, habe ich keine Antworten. Es ist, als habe sie alles Logische, alles, woran ich so lange hing, weggeschoben. Und nun liege ich frei vor ihr. Verletzlich und ohne Kontrolle. So, wie ich nie sein wollte.
»Was genau?«
»Dass …« Dass was? Dass ich mich zu ihr hingezogen fühle? Dass ich zum ersten Mal überlege, ob mein Weg der richtige ist? »Nichts davon.
«
Schwermütig seufzend sieht sie sich um. »Am besten wäre es, wenn wir es einfach vergessen.« Sie reicht mir ihre Hand und versucht sich an einem Lächeln, das ich ihr keine Sekunde lang abkaufe. »Freunde?«
Freunde. Als könnten wir Freunde werden. »Freunde«, bestätige ich lächelnd und erkenne in ihren Augen, dass sie dasselbe denkt wie ich.
Es dauert nicht lange, da hat sich die gedrückte Stimmung wieder gelegt und wir genießen den sommerlichen Abend. Zu dem Gitarristen hat sich eine Sängerin mit melodiöser Stimme gesellt und gemeinsam geben sie uns ein kleines Privatkonzert. Maya schlürft an ihrem alkoholfreien Cocktail, den ich für sie habe mischen lassen, während ich wie immer bei Wasser bleibe. Das Leben ist schon kompliziert genug, da kann ich die Auswirkungen von Alkohol wirklich nicht gebrauchen. Das leise Knistern des Feuers ist das einzige Geräusch, während der Gitarrist sich mit der Sängerin berät, was sie als nächstes Spielen sollen. Als sie die ersten Akkorde anstimmen, japst Maya auf. »Ich liebe diesen Song!«, gesteht sie und schließt die Augen, um sich voll und ganz auf die Musik einzulassen.
Ich beobachte sie, wie sie sich langsam im Takt der Musik bewegt. Wie die aufgestaute Energie und Lebensfreude versuchen, herauszuströmen, Maya sie aber wie immer im Zaum zu halten versucht. »Dann tanz dazu!
«
»Was?«, fragt sie überrumpelt und sieht sich in der Menge um. Die meisten sitzen auf den Baumstämmen oder dem hohen Gras und unterhalten sich leise. Sowas bin ich von Partys eigentlich nicht gewöhnt, aber dieser Abend scheint etwas Magisches, Beruhigendes an sich zu haben. »Sonst tanzt niemand.«
»Was kann schon passieren?« Ich fixiere sie mit meinen Blicken, lege meine Stirn kraus, weil ich ihre Zweifel nicht nachvollziehen kann.
»Ich könnte mich blamieren«, murmelt sie und sieht zu Boden.
»Und das wäre so schlimm, weil? Wenn man hinter dem steht, was man macht, kann man sich überhaupt nicht blamieren.« Ich zucke mit den Schultern, stehe auf und halte ihr meine rechte Hand hin. »Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre ein Fall ins Feuer.«
»Sehr beruhigend, Logan!«, sagt sie lachend, greift dann aber kopfschüttelnd nach meiner Hand, als könne sie selbst nicht glauben, dass sie das wirklich tut. Ich gebe zu: Ich bin nicht der größte Tänzer. Genaugenommen, kann und mag ich es nicht besonders, aber um ihr nahe zu sein, und zeigen zu können, dass das Leben mehr
bietet, als nur als Zuschauer davorzusitzen, würde ich alles machen.
Wir bewegen uns zu der Musik, obwohl wir völlig aus dem Takt sind. Um genau zu sein, bringt sie mich völlig aus dem Takt. Ihre Anwesenheit. Ihr Körper, der meinem so nah ist. Ihr Atem an meinem Hals. Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn wir alleine wären. Doch dann vertreibe ich diesen Gedanken schnell wieder.
Als sich dünne Arme von hinten um meinen Nacken schmiegen, werde ich wieder auf den Boden der Tatsachen gezogen. Wir sind nicht alleine. Und vielleicht wäre es besser, wenn wir das auch nicht mehr so bald wären.
»Na, Brüderchen? Amüsierst du dich gut?« Maggie hat eine gewaltige Fahne. Sie schmiegt ihr Gesicht an meinen Rücken und murmelt irgendetwas, was ich nicht verstehe.
»Du tust es offenbar«, antworte ich grinsend und versuche, sie über die Schulter anzusehen.
»Und wie! Ich hatte schon lange nicht mehr so einen Spaß. Ihr seid heute alle so gut drauf.« Bei dem Satz fahre ich herum und packe Maggie an den Schultern. »Wo ist Neal?«, frage ich bestimmt
.
Sie öffnet erschrocken ihre Augen und starrt mich an. »Keine Ahnung. Trish wollte sich etwas zu trinken holen. Er ist wohl mitgegangen.«
»Mein Gott, Maggie! Bin ich der Einzige, der mitdenkt?« Ihr Gesicht wird fahl. Ich erkenne, dass sie es vergessen hat. Sie hat nicht daran gedacht, dass wir ihn nicht aus den Augen lassen sollten.
»Es … Oh Gott! Es tut mir leid! Ich habe nicht nachgedacht.«
Maya, die neben uns tritt, lässt den Blick verständnislos zwischen uns hin und her gleiten, aber dafür habe ich weder die Zeit noch den Nerv. Wütend stampfe ich davon auf der Suche nach meinem Bruder. Wenn ich auch nur einen Moment glaube, dass ich eventuell zu übervorsorglich bin, beweisen sie mir sofort wieder, dass ich falsch liege. Ich scanne die ganze Umgebung ab und finde Neal auf einem der Barhocker sitzen. Ein Glas in der einen Hand, Trishs Hand in der anderen.
»Neal!«, rufe ich von Weitem. Mit drei großen Schritten bin ich bei ihm, sehe ihm eindringlich in die Augen. Er senkt sie, was mir genügt. Ich reiße ihn von dem Stuhl hoch. Trish rutscht auf ihrem zurück und starrt mich mit ängstlichen Augen an. »Wir fahren. Jetzt!«, presse ich aus zusammengebissenen Zähnen hervor und packe Neal am Arm
.
»Logan.« Maya legt mir sanft eine Hand auf den Arm. Ich zucke unter der Berührung zusammen. »Übertreibst du nicht ein wenig?«
Wütend schüttele ich ihre Hand ab und gehe einen Schritt zurück. »Halt dich da raus! Du denkst, dass du irgendetwas über uns weißt? Falsch. Du hast keine Ahnung! Tu nicht so, als würdest du uns kennen.« Ich laufe in Richtung meines Autos und muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass meine Geschwister mir folgen. Und ich muss mich auch nicht umdrehen, um zu wissen, dass ich Maya verletzt habe. Aber womöglich ist es besser so. Ich darf mich nicht so sehr von ihr ablenken lassen. Ich kenne meine Prioritäten. Und die habe ich vernachlässigt.
»Raus!«, knurre ich, als wir wieder vor unserem neuen Zuhause stehen. Neal schreckt aus dem Schlaf hoch, Maggie sieht mich mit entschuldigenden Augen an. »Was ist mit dir?«, fragt sie kleinlaut.
Ohne ihr zu antworten, stehe ich auf, gehe um das Auto herum und öffne die Beifahrertür. »Raus!«, knurre ich.
Sobald die beiden in dem Haus verschwunden sind, starte ich den Motor und fahre hinaus in die Nacht.