Sonntag, 15 . April, 8 : 00 Uhr,
Berlin-Charlottenburg,
Wohnung von Dr. Sabine Yao
N ach einem opulenten sonntäglichen Frühstück mit Rührei, Brötchen und allerlei anderen Köstlichkeiten – an sich ein Ritual, das sie geflissentlich an jedem Wochenende pflegte – war Yao nicht im Ansatz zumute. Nicht weil es zu früh dafür war, sie hatte morgens immer einen gesunden Appetit, sondern weil ihr vegetatives Nervensystem gerade unter Hochdruck auf einer Adrenalinwelle durch ihren Körper fuhr und den Verdauungstrakt aufs Abstellgleis gestellt hatte.
In den vergangenen zwei Stunden hatte sich Yao ruhelos durch ihre amerikanischen Lieblingsserien und alte chinesische Sitcoms gezappt, war aber nie länger als wenige Minuten bei einer Folge geblieben. Die Wartezeit bis 8 :00 Uhr hatte sie zusätzlich mit mehreren Tassen starken grünen Tees überbrückt. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Länger wollte und konnte sie weder warten noch Jörgensen seine Nachtruhe gönnen.
Sie wählte Jörgensens Handynummer, während sie in ihrem Wohnzimmer auf und ab ging, immer noch im Nachthemd.
Es klingelte ein paarmal am anderen Ende der Leitung, aber dann sprang zu Yaos großer Enttäuschung die Mailbox an.
Mist!
Allerdings dauerte es keine zwei Minuten, und Jörgensen rief zurück.
Nachdem sich Yao für die frühe Störung am Sonntagmorgen entschuldigt hatte, berichtete sie Jörgensen von ihren Überlegungen bezüglich einer Handy-App, mit der man aus der Ferne oder auch im Voraus eine Fußbodenheizung entsprechend bedienen oder programmieren und so einen toten Körper hinsichtlich seiner Temperatur manipulieren konnte.
Der rechtsmedizinische Routinier vom Landesinstitut, der auf über zwanzig Jahre Berufserfahrung mehr als Yao zurückblicken konnte, konnte zu ihrer großen Erleichterung ihre Überlegungen Punkt für Punkt nachvollziehen. Auch wenn sie Jörgensen nicht besonders gut kannte, spürte sie, dass der altgediente Facharzt am anderen Ende der Leitung aus dem Staunen nicht mehr herauskam.
Am Ende des Telefonats schlug Yao vor, dass sie unverzüglich Kontakt zu Monica Monti aufnehmen und sie über ihren Verdacht informieren würde. Selbstverständlich würden sie oder Monti Jörgensen über das weitere Vorgehen auf dem Laufenden halten.