Die Sitze in Suzies Lieferwagen waren aufgerissen, der Boden war mit Fetzen alter Fast-Food-Verpackungen übersät, und anstelle eines Zündschlüssels steckte ein alter Schraubenzieher in der Lenksäule. Judith versuchte so zu tun, als sei der Transporter keine Todesfalle, während Suzie sich eine selbst gedrehte Lakritzzigarette ansteckte, den Motor hustend und spuckend zum Leben erweckte und sie beide zum Ruderzentrum von Marlow fuhr.
»Habe ich doch gesagt, dass ich jeden Menschen in Marlow kenne«, sagte Suzie sehr selbstzufrieden. »Allerdings haben Liz Curtis und ich seit ungefähr zehn Jahren kein Wort mehr gewechselt. Sie hatte einen Welsh Springer Spaniel namens Crumble. Der reizendste Hund, den man sich vorstellen kann. Nichts als weiche Ohren, Energie und Schwung, verstehst du? Und so seelenvolle Augen. Aber ursprünglich war es nicht Liz’ Hund, er gehörte ihrem Vater. Aber ihr Vater starb. Da hat Liz auch das Ruderzentrum geerbt. Und außerdem Crumble.«
»Lass mich raten: Sie war nicht so hundebegeistert?«
»Das kannst du laut sagen. Sie hat ihn zum Spazierengehen zu mir gebracht, und über Nacht sollte ich auch auf ihn aufpassen. Aber sie hat sich gar nicht um ihn gekümmert. Und sich noch beschwert, wie viel ich dafür verlange. Könnte ich Crumble nicht einfach draußen im Garten lassen und weniger nehmen? Oder noch ein paar andere Hunde dazu aufnehmen, um die Kosten zu reduzieren? Dabei mag ich es gar nicht, mehr als einen Hund auf einmal in Betreuung zu haben. Eins zu eins kann ich mich besser um sie kümmern. Und eines Tages hat sie Crumble dann gar nicht mehr zu mir gebracht.«
»Warum? Was ist passiert?«
»Ich habe sie ein paar Monate später zufällig auf der High Street getroffen und mich nach Crumble erkundigt. Sie sagte, sie wisse nicht, wie es ihm gehe. Er sei eines Tages aus dem Haus gelaufen und nicht wiedergekommen. Sei einfach verschwunden. Aber irgendwas an der Art, wie sie das erzählte, kam mir komisch vor. Ich merkte, dass sie log. Oder ihr schlechtes Gewissen zu verbergen versuchte. Als ich dann das nächste Mal beim Tierarzt war, kam ich mit der Sprechstundenhilfe ins Gespräch. Die kenne ich schon ganz lange. Wir sind zusammen zur Great Marlow School gegangen. Also fragte ich sie, ob Liz’ Crumble je wiedergefunden wurde. Sie war schockiert, dass ich davon wusste, dabei wusste ich gar nichts, tat aber so, als wüsste ich es. Jedenfalls hat sie mir erzählt, dass Liz ihren Hund zum Tierarzt in Bovingdon Green gebracht und dort hat einschläfern lassen.«
»Entschuldigung, sie hat was?«
»Obwohl der Hund vollkommen gesund war.«
»Sie hat ihren eigenen Hund umgebracht?«
»Das hat mir die Sprechstundenhilfe erzählt.«
»Ist das überhaupt erlaubt?«
»Womöglich ist es erlaubt, aber ich würde jedenfalls zu keinem Tierarzt gehen, der ein gesundes Tier umbringt.«
»Ganz deiner Meinung.«
»Also, ich glaube, es wurde nie irgendwas nachgewiesen, aber ich kann dir sagen, dass die Tierarztpraxis in Bovingdon kurz danach zugemacht hat, als sich herumsprach, dass der Arzt dort auf Verlangen tötet. Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich vielleicht sogar selbst etwas damit zu tun. Aber das Entscheidende ist: Liz hat ihren Hund einschläfern lassen, obwohl er so gesund war wie du oder ich.«
»Und du bist sicher, dass sie das getan hat?«
»So sicher, wie ich nur sein kann. Das ist böse. Crumble war so eine liebe Seele. Jeder hätte ihn aufgenommen, wenn Liz die Bürde hätte loswerden wollen. Ich selbst hätte ihn genommen. Aber so ist Liz. Eine Hundemörderin.«
Judith und Suzie wurden still, als sie auf den kleinen Schotterparkplatz des Ruderzentrums einbogen. Es bestand aus einem Grüppchen von Bürocontainern und Hütten, die am Rand des Ortes an einer Biegung der Themse errichtet worden waren. Die Umgebung war prachtvoll, aber die Gebäude ziemlich verwittert, und die blauen, roten und weißen Kanus und Kajaks, die auf Metallständern gestapelt waren, hatten alle schon bessere Tage gesehen.
»Du hast recht«, sagte Judith zu Suzie, als sie aus dem Transporter stiegen. »Es könnte sein, dass wir gleich mit der Mörderin sprechen. Bist du sicher, dass du das willst?«
»Nur zu«, sagte Suzie, und ihre blinde Entschlossenheit brachte Judith ins Grübeln.
Sie holte ihr Handy aus der Tasche und wählte Tanikas Nummer.
»Judith, alles in Ordnung?«, fragte Tanika sofort.
»Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ich wollte Ihnen bloß Bescheid geben, dass ich herausgefunden habe, wer die Rothaarige ist. Sie wissen schon, die ich in Stefans Garten gesehen habe. Und am nächsten Tag auf der Wiese.«
»Ach ja? Und wer ist es?«
»Sie heißt Liz Curtis, und sie betreibt das Ruderzentrum von Marlow.«
»Sind Sie sicher?«
Als Tanika diese Frage stellte, sah Judith die rothaarige Frau mit einem Pinsel in der Hand aus einem Container treten, Wasser aus den Borsten schütteln und wieder hineingehen. Sie schaute nicht auf, darum sah sie Judith und Suzie nicht.
»O ja, da bin ich sicher«, sagte Judith.
»Dann müssen Sie mir etwas versprechen.«
»Und was?«
»Dass Sie keine weiteren Nachforschungen anstellen.«
»Wieso das?«
»Weil Sie sich schon einmal in Gefahr gebracht haben, als Sie diesen Eindringling in Stefan Dunwoodys Haus verfolgt haben. Und ich werde nicht zulassen, dass Sie so etwas noch einmal tun.«
»Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle keine Gedanken machen, das war eine einmalige Sache.«
»Ich glaube nämlich nicht, dass der Mörder schon fertig ist.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, es könnte noch einen weiteren Mord geben. Einen dritten.«
Judiths Hand umklammerte das Telefon fester. Woher konnte Tanika das wissen?
»Sie müssen mir also versprechen, dass Sie sich auf keinen Fall in Gefahr bringen, ja? Ich möchte das aus Ihrem Mund hören.«
»Natürlich«, sagte Judith. »Ich verspreche es. Kein Detektivspiel mehr. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
»Danke.« Tanika klang erleichtert. »Und danke für die Information zu Liz Curtis. Ich werde mal sehen, was ich über sie herausfinden kann.«
Tanika beendete das Gespräch, und Suzie, die nur die letzten paar Worte gehört hatte, fragte ihre Freundin, was sie gerade versprochen hatte.
»Ach, nichts Wichtiges«, sagte Judith mit strahlendem Lächeln. »Und jetzt komm, wir müssen mit Liz Curtis reden.«
Sie gingen zu dem Container, aus dem Liz gekommen war. Sie stand drinnen auf halber Höhe auf einer Leiter und strich die Wände weiß.
»Hallo«, sagte sie und stieg herab.
Liz war groß, dünn und kantig, ihre Gliedmaßen schienen länger als natürlich vorgesehen, dachte sich Judith. Wie eine Gottesanbeterin. Aber wichtiger war, dass sie eine flammend rote Mähne hatte und ohne jeden Zweifel die Frau war, die zweimal vor ihr geflüchtet war.
Liz’ Züge entgleisten, als sie Judith sah.
»Ach, Sie sind es«, sagte sie.
»Hallo, Liz«, sagte Suzie.
Als sie Suzie neben Judith sah, wurde sie noch bestürzter.
»Hallo, Suzie«, sagte sie, wandte den beiden Frauen den Rücken zu und ging zu einem metallenen Thermosbehälter, der auf einem Tapeziertisch neben Teezutaten stand. »Wollen Sie Boote buchen?«
»Heute nicht, nein«, sagte Judith und warf Suzie einen Blick zu. Sie merkten beide, wie schuldbewusst Liz sich verhielt.
»Meine Freundin hier«, sagte Suzie, »möchte nämlich wissen, warum Sie ständig vor ihr weglaufen.«
»Wie war das?«, fragte Liz, während sie sich Tee einschenkte und den beiden immer noch den Rücken zukehrte.
»Wollen Sie vielleicht behaupten, dass Sie auf der Weide nicht vor mir weggelaufen sind?«
Liz antwortete nicht gleich. Aber nachdem sie ihren Tee umgerührt und den Teelöffel abgelegt hatte, drehte sie sich endlich um.
»Wie war das?«, sagte sie erneut, als hätte sie nicht richtig gehört.
»Ich habe Sie in Stefans Garten gesehen, zwei Tage nach seinem Tod«, sagte Judith. »Und einen Tag später auf einer Weide. Beide Male sind Sie vor mir weggelaufen. Ich möchte wissen, warum.«
Liz nahm einen Schluck Tee und ging dann zum Empfangstisch. Es war offensichtlich, dass sie versuchte, Zeit zu gewinnen.
»Nein, tut mir leid, aber ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte sie.
»Aber wir haben einander gesehen –«
»Ich habe gesagt, ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Liz wieder, und Judith und Suzie konnten sehen, wie sie ihre Panik zu verbergen suchte.
»Oh«, sagte Judith. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie nach seinem Tod nicht zu Stefan Dunwoodys Haus gegangen sind?«
»Ganz genau. Ich weiß nicht einmal, wer Stefan Dunwoody ist«, sagte Liz. »Den Namen habe ich noch nie gehört. Also, wollen Sie jetzt etwas buchen, oder muss ich Sie bitten zu gehen?«
»Und was ist mit Iqbal Kassam?«, fragte Suzie.
Liz brauchte einen Augenblick, um die Frage zu beantworten.
»Mit wem?«
»Iqbal Kassam. Der Taxifahrer, der neulich ermordet wurde.«
»Ja, darüber habe ich in der Zeitung gelesen. Wie schrecklich. Aber warum fragen Sie mich das?«
»Wir wollen wissen, ob Sie ihn kennen.«
Liz’ Augen weiteten sich erstaunt, als sie erriet, warum Suzie die Frage gestellt hatte.
»Was um alles in der Welt wollen Sie da andeuten?«
»Wir deuten überhaupt nichts an, wir wollen nur wissen, ob Sie ihn kennen.«
»Natürlich nicht. Warum sollte ich ein Taxi nehmen, wenn ich ein funktionsfähiges Auto besitze? Ich muss schon sagen, ich finde es einigermaßen ärgerlich, dass Sie hier hereinschneien und solche Unterstellungen äußern.«
»Wie bitte?«, fragte Suzie.
»Ich weiß nicht, wieso Sie mir diese ganzen Fragen zu den toten Männern stellen.«
»Ich glaube, das wissen Sie sehr gut.«
»Nein, weiß ich nicht.«
»Dann sage ich nur ein Wort zu Ihnen. Crumble.«
Liz machte ein Gesicht, als hätte man sie geohrfeigt.
»Denn wir wissen doch beide, was Sie diesem armen Hund angetan haben«, fuhr Suzie fort.
»Ich habe ihm überhaupt nichts angetan.«
»Sie haben ihn umgebracht.«
»Das dürfen Sie nicht sagen!«, jaulte Liz, und Tränen traten ihr in die Augen, während sie offenbar von einer Mischung aus Angst, schlechtem Gewissen und Verwirrung überwältigt wurde.
»Sie haben ihn umgebracht, weil Sie ihn nie haben wollten. Weil er Ihnen zu teuer war!«
»Sie müssen mir glauben – Sie haben recht, ich wollte ihn nicht, als Dad starb. Ich wusste, ein Hund würde nicht in unser Leben passen. Und ja, er war auch teuer. Aber das liegt vor allem daran, dass wir kein Geld haben. Ich habe Crumble geliebt. Das wissen Sie doch sicher? Ich war so fertig, als er verschwand. Wir haben Poster an die Laternenmasten gehängt, das war so ziemlich die schlimmste Zeit meines Lebens. Wie können Sie nur sagen, ich hätte ihn umgebracht? Entschuldigung, aber das lasse ich mir nicht bieten. Nicht heute. Nicht jetzt.«
Ehe Judith oder Suzie noch ein Wort sagen konnten, hatte Liz sich umgedreht und war aus dem Container gehuscht.
»In allen Anklagepunkten schuldig«, sagte Suzie zu ihrer Freundin.
»Weißt du was«, antwortete Judith, »ich glaube, ich bin deiner Meinung.«
Als die beiden Frauen in die Sonne hinaustraten, sahen sie Liz gerade noch in ein zerbeultes Fahrzeug steigen. Es war dasselbe dunkelbraune Auto, in dem Judith Liz nach ihrer Begegnung auf der Weide gesehen hatte, was erneut bestätigte, dass es damals auch tatsächlich Liz gewesen war. Sie schauten ihr nach, wie sie zur Hauptstraße fuhr, wo der Wagen mit quietschenden Reifen und dem lauten Auspuffknall einer Fehlzündung nach rechts bog und in Richtung Marlow verschwand.
»Das nenne ich mal einen Abgang«, sagte Suzie.
»Was glaubst du, wo sie hinwill?«
»Wohin auch immer, sie hat es eilig.«
»Und warum leugnet sie, mir begegnet zu sein? Das ist doch das Auto, in dem ich sie habe wegfahren sehen.«
»Weil sie die Mörderin ist.«
»Ja, so sieht es aus, nicht wahr? Aber wenn sie tatsächlich die Mörderin wäre, könnte man doch damit rechnen, dass sie sich ihre Antworten ein bisschen besser zurechtlegt. Ich meine, ich habe sie zweimal gesehen. Das wussten wir beide. Warum hat sie sich also keine Geschichte ausgedacht, die ihr Weglaufen erklären würde? Dass sie mich mit jemand anderem verwechselt hat zum Beispiel. Oder dass sie sich beim ersten Mal in Stefans Garten verirrt hat und dann beim zweiten Mal weggelaufen ist, weil es ihr so peinlich war.«
Judith sah sich nach weiteren Inspirationsquellen um und entdeckte einen Mann im dunkelgrünen Overall, der unten am Flussufer an einem Kanu arbeitete.
»Weißt du, wer das ist?«, fragte sie.
»Ein Angestellter?«
»Dann schlage ich vor, dass wir uns kurz mit ihm unterhalten, was meinst du? Ich finde, wir sollten noch ein bisschen mehr über unsere so plötzlich abgereiste Gastgeberin in Erfahrung bringen.«
Als Judith sich dem Mann näherte, stellte sie fest, dass er groß und ziemlich stämmig war, vor allem sein Bauch spannte den Baumwollstoff seines Overalls. Ein ordentlicher Biertrinker, dachte sie sich, als sie ihm ein Hallo zurief.
Der Mann hatte sich um ein Gestell voller alter Kanus gekümmert und richtete sich mit einem Schraubenschlüssel in der Hand auf.
»Hi«, sagte er.
»Entschuldigen Sie die Störung, aber dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen?«
»Klar. Wozu?«
»Arbeiten Sie für Liz Curtis?«
Der Mann lächelte.
»Kann man so sagen. Ich bin ihr Mann. Danny Curtis.«
Danny streckte ihnen die Hand hin, und die beiden Frauen stellten sich vor.
»Also, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er.
»Das wird sich zeigen. Also, ich bin die Nachbarin von Stefan Dunwoody. Ich wohne ihm gegenüber am anderen Flussufer. Und ein kleines Stück flussabwärts.«
»Klar, ich kenne Sie. Ihnen gehört der Schuppen direkt vor der Schleuse von Hurley. Ich sehe Sie ab und zu in Ihrem Garten, wenn ich auf dem Fluss unterwegs bin. Er ist kürzlich gestorben, nicht wahr? Aber in der Zeitung steht jetzt, dass er ermordet wurde? Irgendwie schwer zu glauben. Hier in Marlow.«
»Stimmt. Darf ich fragen, ob Sie oder Ihre Frau Stefan Dunwoody kannten?«
»Ich sicher nicht. Aber Liz kannte ihn.«
Judith und Suzie sahen sich kurz an.
»Ach, wirklich?«
»Er hatte doch die Kunstgalerie, oder? Da treibt sich Liz ständig herum.«
»Sie kannte ihn also gut?«
»So weit würde ich nicht gehen. Aber sie hat immer auf einen Plausch bei ihm reingeschaut, wenn wir im Ort einkaufen waren.«
»Das ist ja interessant. Wissen Sie, ob sie ihn jemals zu Hause besucht hat?«
»In seinem Haus? Nein. Ich glaube, sie weiß nicht mal, wo er wohnt.«
»Wäre es möglich, dass sie am letzten Samstag sein Haus aufgesucht hat?«
»Keine Ahnung. Da müssten Sie schon sie selbst fragen. Aber damit Sie nicht auf falsche Gedanken kommen: Auch wenn Liz sich gut mit Stefan verstand, hat sie doch nie irgendwas bei ihm gekauft. Ich meine, schauen Sie sich hier mal um. Wir haben nicht das Geld für Kunstwerke.«
Dabei deutete Danny mit dem Kopf auf die abgelebten Gebäude des Ruderzentrums.
»Ja, das habe ich mich auch schon gefragt«, sagte Judith. »Wo sind denn die Leute? Es sind doch Sommerferien, da hätte ich gedacht, dass jede Menge Kinder in Ihren Kanus auf dem Fluss unterwegs sind.«
Danny seufzte. »Wir versuchen immer noch, den Laden nach dem Hochwasser wieder auf Vordermann zu bringen.«
Judith wusste, dass die Themse im Winter mehrere Male über die Ufer getreten war. Ihr Garten stieg steil an, daher war ihr Haus nie bedroht gewesen, aber an vielen Tagen hatten ihr Bootshaus und Teile ihres Gartens unter Wasser gestanden.
»Das hier war alles unter Wasser«, sagte Danny und zeigte auf die Gebäude. »Und als es wieder abfloss, war alles eine einzige Schlammwüste. Es war der härteste Winter seit Jahrzehnten. Wir haben die ganze Gemeinde um Hilfe beim Aufräumen gebeten, und es sind auch Leute gekommen, aber viel konnten sie auch nicht tun. So schlimm ist es uns noch nie gegangen. Und wir hatten schon schlimme Zeiten.«
»Werden Sie hier öfter überflutet?«
»Liz’ Vater hat immer gesagt, als sie das hier gebaut haben, stand es höchstens einmal in zehn Jahren unter Wasser. Jetzt passiert es anscheinend jedes Jahr.«
»Das tut mir wirklich leid für Sie.«
»Unsere Räumlichkeiten sind noch nicht alle wieder voll einsatzfähig, darum können wir nur eine begrenzte Zahl von Menschen zugleich hier auf dem Gelände haben. Und wir sind ganz allein, Liz und ich. Der Plan war, im Laufe des Sommers alles in Schuss zu bringen, hoffentlich den nächsten Winter zu überleben und dann im nächsten Frühling wieder richtig loszulegen.«
»Das klingt hart«, sagte Suzie, und Judith merkte, dass zwischen ihr und Danny eine Art Verbindung entstand. Sie wussten beide, was harte Arbeit bedeutete.
»Liz ist eine gute Christin. Geht jeden Sonntag zur Kirche. Kann ich von mir nicht behaupten. Aber womit wir hier fertigwerden müssen, das hat selbst sie auf eine harte Probe gestellt. So, wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich muss diese Kanus heute Abend zum Training nach Nottingham bringen.«
»Training?«, fragte Judith und schaute unwillkürlich auf Dannys voluminösen Leib.
Danny lachte. »Nicht ich. Das britische Jugendnationalteam. Die trainiere ich. Sie haben ihren Stützpunkt in Nottingham.«
»Sie trainieren das Nationalteam?«, sagte Suzie beeindruckt.
»Ist bloß das Jugendteam, und es gibt noch mehr Trainer, aber ja, ich gehöre dazu.«
»Dann wollen wir Ihnen nicht noch mehr Zeit stehlen«, sagte Judith. »Vielen herzlichen Dank, dass Sie mit uns gesprochen haben.«
Judith und Suzie wandten sich zum Gehen, aber nach ein paar Schritten blieb Judith stehen, als ihr einfiel, dass Liz, wenn sie über ihre Bekanntschaft mit Stefan gelogen hatte, vielleicht auch an anderer Stelle die Unwahrheit gesagt hatte.
»Eine letzte Frage noch«, sagte sie und drehte sich wieder zu Danny um. »Kannten Sie oder Ihre Frau diesen Taxifahrer, der erschossen wurde?«
»Wie bitte?«, fragte Danny zurück.
»Iqbal Kassam.«
Die Frage verwirrte Danny, aber er nickte.
»Kann man so sagen. Also, ich bin ihm nie begegnet, aber wir haben ihn vor ein paar Wochen bestellt. Unser Auto war in der Werkstatt, und wir mussten einkaufen, darum haben wir Iqbal gerufen, uns zum Supermarkt und wieder zurückzufahren. Ich fand ihn ganz nett, als ich ihn am Telefon hatte.«
»Das war er wirklich«, sagte Suzie.
»Ach, Sie kannten ihn?«
»Ich habe seinen Hund ausgeführt.«
»Und stimmt es, was in der Zeitung steht? Dass ihn auch jemand erschossen hat?«
»So wird es jedenfalls behauptet«, erwiderte Judith, die nicht zeigen wollte, wie eng sie und Suzie mit dem Fall befasst waren.
»Meine Güte«, sagte Danny. »Wirklich kaum zu glauben, oder?«
»Sie haben wohl keine Ahnung, wer an seinem Tod interessiert gewesen sein könnte?«
»Ich? Nein, ich habe ihn ja nie getroffen. Aber das sollten sie Liz fragen. Sie hat in seinem Taxi gesessen.«
»Ach, Ihre Frau ist mit Iqbal gefahren?«
»Ja, Liz macht die Einkäufe.«
»Wie oft hat sie ihn denn angefordert?«
»Ich weiß nicht, nur das eine Mal, glaube ich. Warum fragen Sie?«
»Und wie lange hat sie ihn da gesehen?«
»Zwei Stunden vielleicht. Wie ich schon sagte: Er hat sie zum Asda am Handy Cross gefahren, hat gewartet, während sie einkaufte, und sie dann zurückgefahren. Aber ich verstehe nicht: Warum interessiert Sie das so sehr?«
»Wir versuchen bloß herauszufinden, was passiert ist«, sagte Judith, die wie immer beschlossen hatte, dass Ehrlichkeit am längsten währte.
Danny runzelte die Stirn. »Aber ist das nicht eher Aufgabe der Polizei?«
»Ach, da machen Sie sich mal keine Gedanken«, sagte Judith lächelnd. »Die Polizei weiß ganz genau, was wir tun.«
»Ach ja?« Danny blickte skeptisch, zuckte dann die Achseln. »Wenn Sie mehr über den Taxifahrer oder Ihren Nachbarn erfahren wollen, reden Sie mit meiner Frau. Die muss hier irgendwo sein.«
»Vielen Dank«, sagte Judith. »Wenn wir sie sehen, werden wir das tun.«
Judith dankte Danny noch einmal für seine Mühe, wünschte ihm alles Gute für das Training in Nottingham, und dann zogen sie und Suzie wieder ab.
Sobald sie außer Hörweite waren, sagte Suzie zu Judith: »Liz hat uns angelogen.«
»Das hat sie tatsächlich«, stimmte Judith zu.
»Sie kannte sowohl Stefan als auch Iqbal.«
»Dabei hat sie uns erzählt, sie würde keinen von beiden kennen. So wie sie auch geleugnet hat, in Stefans Garten gewesen zu sein. Oder vor mir weggelaufen zu sein. Sie steckt bis zum Hals in der Sache drin, oder?«
»Wie bist du darauf gekommen, Danny nach Iqbal zu fragen?«
Judith überlegte.
»Weiß ich auch nicht. Ich glaube, das kommt von meiner jahrelangen Erfahrung im Erstellen von Kreuzworträtseln. Man gewöhnt sich daran, Verbindungen zu ziehen. Und nachdem Danny bestätigt hatte, dass sie uns über Stefan angelogen hatte … Also, ich glaube, wir sollten noch ein bisschen mehr über Liz Curtis herausfinden, was meinst du?«
»Aber wie können wir das?«
»Nun, mir ist aufgefallen, dass Danny seine Frau als regelmäßige Kirchgängerin beschrieben hat, und da fällt mir jemand ein …«
»Natürlich!« Auch bei Suzie fiel der Groschen. »Becks.«