Am ersten Tag gelang den Frauen kein Durchbruch. Auch nicht am zweiten. Anscheinend bewegten sie sich immer nur im Kreis, kauten immer wieder die gleichen Hinweise und Spuren durch, und vor allem die wasserdichten Alibis von Elliot Howard und Andy Bishop.

Der Mut der drei Freundinnen begann zu sinken. Sie bemerkten die hämischen Blicke, wenn sie das Revier betraten oder die Kühnheit besaßen, spezifische Informationen zu verlangen, und sie hatten zunehmend das Gefühl, Tanika zu enttäuschen. Schließlich war sie ein ziemliches Wagnis eingegangen, als sie die drei ins Team geholt hatte, und sie taten nicht viel, um diesen Vertrauensvorschuss zu rechtfertigen.

Am Mittwoch konnten weder Becks noch Suzie mehr Zeit aufbringen, an den Fällen zu arbeiten. Suzie musste Hunde ausführen, und Becks glaubte, ihr Zuhause sei in den vergangenen zwei Tagen komplett in Unordnung geraten. Darum verbrachte Judith den Mittwoch allein im Polizeirevier. Aber ohne ihre Freundinnen war es nicht das Gleiche. Sie kam sich ein bisschen blöd vor. Wie die alberne, aufdringliche Alte, für die sie Tanikas Kollegen ohnehin hielten.

Als sie, nachdem sie den ganzen Tag drinnen eingesperrt

Nach wochenlangem Sonnenschein brachte der Abend dunkle Wolken, und es war drückend heiß und schwül. Ein Gewitter war im Anzug, erkannte Judith, als sie stromaufwärts schwamm.

Um ihre Frustration zu vertreiben, tat Judith, was sie immer tat: Sie machte sich klar, wie gut es ihr ging. Es gab so viele Dinge, über die sie froh sein konnte. Sie war fit, es mangelte ihr an nichts, sie hatte sogar neue Freundschaften geschlossen. Doch trotz ihrer Bemühungen, positiv zu bleiben, kehrten Judiths Gedanken immer wieder zu ihrer Arbeit im Polizeirevier zurück, die nach ihrer Einschätzung null Komma nichts gebracht hatte.

Vor allem dachte sie über die historische Pistole nach, die der Mörder benutzt hatte, und über die Medaillons, die er an den Tatorten zurückgelassen hatte. Dass jedes Opfer mit einer alten Luger erschossen worden war, sagte Judith laut und deutlich, dass Elliot Howard der Mörder sein musste; aber die Freimaurermedaillons auf den Leichen sagten genauso laut, dass es Andy Bishop gewesen sein musste.

Judith hatte das grässliche Gefühl, dass der Täter mit ihr und mit der Polizei spielte. Warum hinterließ er überhaupt solche Spuren wie die Medaillons am Tatort? Würde ein anständiger Mörder nicht bloß auftauchen, seine Tat begehen und so spurlos wie möglich wieder verschwinden? Diese Medaillons ergaben überhaupt keinen Sinn.

Als Judith an Stefans Anwesen vorbeischwamm, paddelte sie eine Weile auf der Stelle, betrachtete das mit

Ein Schauder fuhr durch ihren Körper, und sie beschloss, das Schwimmen abzukürzen und sich vom Fluss zu ihrem Haus zurücktragen zu lassen. Während sie stromabwärts trieb, ging ihr durch den Kopf, wie viele Menschen in Marlow die Themse verband. Sie lebte am Fluss, genau wie Stefan, und wenn sie sich weiter der Strömung anvertraute, käme sie am anderen Ende der Stadt heraus und steuerte auf das Ruderzentrum zu.

Judith grübelte darüber nach, dass Liz Curtis früher eine international erfolgreiche Ruderin gewesen und dass auch Elliot Howard in seiner Jugend gerudert war. Was war mit Stefan Dunwoody? War der auch gerudert? Schließlich war er bei der Henley Regatta gewesen! Judith fiel auf, dass sie diese Verbindung bisher noch gar nicht gesehen hatte. Beim ersten Streit mit Elliot hatte Stefan eine Ruderregatta besucht!

Sie spürte ein aufgeregtes Kribbeln. Dieses Gefühl überkam sie normalerweise beim Lösen von Kreuzworträtseln. So eine Erkenntnis, dass sie die Antwort zwar noch nicht wusste, aber in die richtige Richtung dachte. Und je länger sie über Stefans und Elliots Begegnung in Henley dachte, desto sicherer wurde sie, dass ihr Instinkt sie nicht trog.

Zurück in ihrem Haus schenkte sie sich ein reichliches Maß »Denkscotch« ein, wie sie das gern nannte. Dann ging sie zu ihrem Spieltisch und startete ihr Tablet. Sie nahm sich

Sie gab »Elliot Howard« und »+Rudern« in ihre Suchmaske ein. Keine Ergebnisse. Machte nichts. Sie versuchte das Gleiche erneut mit dem Namen »Stefan Dunwoody« und war überrascht, ein Resultat zu bekommen. Ein Artikel in der Marlow Free Press. Judith klickte den Link an.

Die fragliche Seite gehörte zu der Rubrik »Haus und Garten«, und es ging im Text um den »örtlichen Galeriebesitzer Stefan Dunwoody«, der den Lesern sein Anwesen vorführte. Zahlreiche Fotos zeigten Stefan in seinem Haus, aber Judith las aufmerksam den Text, um herauszufinden, was darin über Stefan und »Rudern« gesagt wurde. Schnell fand sie den betreffenden Absatz:

Mr Dunwoody lacht, als ich ihn frage, warum er ein Haus an der Themse erworben hat. »Ich kann nicht schwimmen, und Rudern habe ich noch nie gemocht, darum mag es seltsam scheinen, dass ich eine alte Wassermühle gekauft habe. Aber ich liebe die Tierwelt am Fluss. Solange mich niemand zwingt, in ein Boot zu steigen, bin ich hier glücklich.«

Judiths Begeisterung verpuffte. Das beantwortete die Frage ziemlich deutlich. Sollte es eine Verbindung zwischen Stefan und den anderen in die Fälle verstrickten Personen geben, dann bestimmt nicht über das Rudern.

Aber Judith wusste, so wie man bei einem Kreuzworträtselhinweis nicht eher aufgibt, bis man alle Umwandlungen durchgespielt hat – alle Buchstaben des Alphabets

Keine Ergebnisse.

Als Nächstes versuchte sie es mit »Liz Curtis« und »Danny Curtis« und dem Wort Rudern, doch da bekam sie Hunderte von Suchresultaten, zumeist von Reise- und Tourismusseiten oder Blogs.

Judith runzelte die Stirn. Wie konnte sie mehr über Liz’ Ruderkarriere herausfinden anstatt über ihr Ruderzentrum? Sie versuchte sich durch die Links zu klicken und mit anderen Wörtern zu suchen, aber das brachte sie nicht weiter. Alle möglichen Artikel im Netz lobten das Ruderzentrum als tolles Ausflugsziel für Familien mit Kindern oder beklagten die Schließung wegen der Überschwemmungen, aber nichts bezog sich explizit auf Liz oder ihren Mann Danny und Wettkampfrudern.

Um Mitternacht konnte Judith keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der »Denkscotch« hatte sich gegen zehn Uhr in einen »Nichtdenkscotch« verwandelt, und sie konnte nicht sagen, was sie seitdem noch erreicht hatte. Sie hatte die Internetseiten aller lokalen Zeitungen und aller örtlichen Rudervereine durchsucht, von den Schulen William Borlase’s und Great Marlow über den Ruderclub Marlow bis zum Leander Club in Henley. Doch wie gründlich sie auch suchte, sie fand keine Verbindung.

Der ganze Abend war ein Rohrkrepierer gewesen.

Trotzdem hatte Judith irgendwo tief drinnen das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Und noch tiefer saß das

Judith stemmte sich hoch. Zeit, ins Bett zu gehen. Doch ehe sie sich so weit orientiert hatte, dass sie die Treppe ansteuern konnte, tastete ihre Hand unwillkürlich nach dem Schlüssel, der um ihren Hals hing, und ihre trüben Augen fanden die Eichentür neben dem Getränketisch. Ihr war vage bewusst, dass jetzt zwar auf keinen Fall der richtige Zeitpunkt war, sie es aber womöglich auch nicht mehr aufschieben konnte.

Auf dem Weg ins Bett redete Judith sich ein, dass eine ordentliche Mütze Schlaf ihr hoffentlich eine Lösung bringen würde.

Das Erstaunliche war, dass sie recht hatte.