Neunzehn
Pearl
V or dem Spiegel hatte ich am Morgen ein letztes Mal mein Pokerface geübt. Zumindest versuchte ich, äußerlich Gelassenheit zu demonstrieren, auch wenn es in meinem Inneren ganz anders aussah. Aber die Geschworenen sowie die Richterin standen uns positiv gegenüber. Natürlich vertraute ich ebenfalls auf Camerons Strategie, dennoch blieb ein Restrisiko. Die amerikanische Gerichtsbarkeit verhielt sich oft wie ein Glücksspiel, unkalkulierbar. Wie Cameron das wohl sah?
Ein zweites Mal in meinem Leben legte ich den Schwur ab, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit auszusagen. In Anbetracht der Vergangenheit mit einem bitteren Beigeschmack.
Wie vereinbart, vermied ich es, Trevor direkt anzuschauen. Seinen düsteren Gesichtsausdruck kannte ich allzu gut, und ich malte mir aus, wie er mit der Fassung rang. Deren Verlust stellte ihn privat und beruflich oft vor Probleme.
»Miss Noris.« Cameron trat in seinem makellosen Dreiteiler auf mich zu. Mein Pulsschlag erhöhte sich. Ich begehre dich so sehr. »Ich bedanke mich, dass Sie sich kurzfristig für eine Aussage entschieden haben, um den todkranken Kindern und ihren Familien zu ihrem Recht zu verhelfen.« Sein Blick schweifte zu den Geschworenen. »Möchten Sie uns von Ihrer außerordentlichen Begabung erzählen?« Souverän stand er vor mir. Seine Nähe gab mir Sicherheit.
»Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die umgangssprachlich über ein fotografisches Gedächtnis verfügen.«
»Einspruch!« Bei Trevors aggressivem Ton zuckte ich zusammen. Unterschwellig meldete sich meine Angst vor ihm. »Das ist nicht von Relevanz und nicht belegt.«
In diesem Saal kann er nicht übergriffig werden , erinnerte ich mich. Die Anspannung blieb.
»Euer Ehren, im Gegenteil, die Fähigkeit wird zur Gerechtigkeitsfindung beitragen und wir können ein aktuelles medizinisches Gutachten vorlegen. Zudem verweisen wir auf die in der Kindheit von Miss Noris’ Eltern durchgeführten, staatlich anerkannten Tests.«
Aufrecht sitzend verfolgte ich jede noch so kleine Regung in Camerons Gesicht. Beim Übergeben der Unterlagen an die Vorsitzende neigte er den Oberkörper ein wenig in ihre Richtung.
Sie rückte die Brille zurecht und überflog den Inhalt. Quälende Sekunden der Unsicherheit folgten. »Mr King, Einspruch abgelehnt.«
Mit einem kurzen Augenaufschlag verständigten Pearl und ich uns und ich atmete erleichtert aus. Trevor setzte sich geräuschvoll und ich riskierte einen schnellen Blick. Der Geschäftsführer von CWM beugte sich zu ihm und sprach anhand Trevors Miene flüsternd wohl eher nicht über das nächste Meeting.
Der CEO zeigte sich extrem unzufrieden.
»Wie vorhin angesprochen, arbeiteten Sie in dem fraglichen Zeitraum bei der Kanzlei Goldman & Partner
»Ja, das ist korrekt.« Konzentriert legte ich die Hände in meinen Schoß.
»Wie Ihnen bekannt ist, beschuldigen wir das Unternehmen Chemical Waller Mill , aus wirtschaftlichen Erwägungen sowie aus Sorge vor einem Imageverlust die Sport- und Freizeitanlage, die auf dem kontaminierten Grundstück errichtet wurde, nicht geschlossen zu haben.«
»Wir wissen, worum es geht«, blaffte Trevor. »Einspruch, Mutmaßungen.«
»Bitte, Mr King, unterlassen Sie solche Äußerungen, und Einspruch abgelehnt«, mahnte ihn die Richterin und schüttelte den Kopf. Du lernst nicht, den Mund zu halten, wenn es erforderlich ist. Eine gewisse Schadenfreude stellte sich ein.
»Wir können beweisen, dass sehr wohl Kenntnis darüber bestand.«
Ein Raunen durchzog den Saal. Jetzt kamen wir an den nächsten heiklen Punkt. Es war eine Gratwanderung, ein Spiel mit dem Schicksal. Inzwischen schwitzten meine Hände. Cameron hingegen blieb erwartungsgemäß cool.
»Es existiert ein reger Mailverkehr, bei dem den leitenden Angestellten des Beschuldigten nahegelegt wird, die Mitgliedschaft im Sportclub zeitnah aufzulösen.« Ein erneutes Gemurmel folgte. »Das belegt die Auflistung der unzähligen Kündigungen im relevanten Zeitfenster. Jene ist unter den Beweismitteln zu finden.«
»Einspruch! Das sind alles nur Vermutungen. Gibt es Beweise für diese Mails?«, ereiferte sich Trevor. »Mr Franklin, wieso stehlen Sie uns die Zeit?«
»Zunächst einmal liegt uns ein Gedächtnisprotokoll von Miss Noris vor, indem sie den Inhalt wortgenau wiedergibt.«
»Das ist lächerlich und nach so vielen Jahren unglaubwürdig.« Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie er hektisch aufsprang.
»Mr Franklin, das ist wahrhaftig kein stichhaltiger Beweis«, gab die Richterin zu bedenken.
»Miss Noris, an was haben Sie sich erinnert?« Er hob beide Augenbrauen.
»In der von mir zitierten Mail zwischen Mr King und einem der Geschäftsführer von CWM gab es klare Hinweise auf ein solches Vorhaben.«
Endlich traute ich mich, dem verhassten Mann, der mir beinahe die Würde genommen hatte, direkt in die Augen zu blicken. Mit den Lippen formulierte er den Satz: Das wirst du mir büßen.
Da der Zeugenstand nur wenige Meter vom Richterpult entfernt war, verfolgte ich den leisen Austausch, als Cameron der Richterin das Gedächtnisprotokoll überreichte.
»Mr Franklin, ich hoffe, Sie bieten mir mehr, bislang ist es dürftig.«
»Euer Ehren, Sie kennen mich.« Es hätte nur noch gefehlt, dass er ihr zuzwinkerte.
»Sie wissen, dass ich es nicht schätze, wenn Sie meinen Gerichtssaal für Ihre Inszenierungen missbrauchen.«
»Sofern es der Gerechtigkeit dient …« Mein Adrenalin stieg. Scheiße, ich habe Angst zu versagen.
Die Richterin seufzte, ließ ihn jedoch gewähren. »Mr Franklin, haben Sie weitere Fragen an die Zeugin?«
»Nein, keine weiteren Fragen.« Ein Schauer lief mir den Rücken herunter.
Cameron wandte sich ab und setzte sich selbstsicher. Nichts an seinem Verhalten deutete darauf hin, dass nun die Entscheidungsschlacht anstand. Es fehlte nur noch der Coffee-to-go, an dem er selbstgefällig nippte. Doch in wenigen Augenblicken stellte ich mich der größten Herausforderungen meines bisherigen Lebens.
»Miss Noris.« Trevor baute sich direkt vor mir auf. Die eng stehenden Augen funkelten wie die des Teufels. »Sie stehen unter Eid, das ist Ihnen klar?«
»Ja.«
»Eine angehende Juristin, wie Sie es sind, weiß, dass Meineid einen Straftatbestand darstellt.«
»Einspruch, irrelevant«, sprang Cameron mir zur Hilfe.
Ich konzentrierte mich, um gleichmäßig zu atmen. Hier im Gerichtssaal darf er dich nicht berühren.
»Euer Ehren, es geht immer noch um die allgemeine Glaubwürdigkeit der Zeugin.«
Die Richterin überlegte kurz. »In Ordnung, ich räume Ihnen die Option ein, dies uns besser zu erklären. Einspruch abgelehnt.«
»Danke.« Ich konnte seine Gedanken praktisch lesen. Er genoss es, mir einen Tritt in die Magengrube zu verpassen. »Miss Noris …« Er fixierte mich, doch ich knickte trotz des rasenden Herzens nicht ein. »Haben Sie in der Vergangenheit schon einmal einen Meineid geleistet?« Triumphierend lehnte er sich an die Balustrade des Zeugenstandes. Ich wich nicht vor ihm zurück, presste jedoch meinen Rücken fest gegen die Stuhllehne.
Bevor ich nur ein Wort erwiderte, hielt er mir drohend den Zeigefinger entgegen. »Ja oder nein?« Seine Tonlage klang beängstigend.
Ich schwieg, starrte auf meine Hände.
»Miss Noris, bitte antworten Sie«, forderte mich die Richterin auf.
»Ja«, presste ich leise hervor und hob den Blick. Ich durfte nicht wie eine schuldige Sünderin wirken.
»Wie bitte, ich habe Sie nicht verstanden?« Provokativ hielt Trevor sich die Hand ans Ohr.
»Ja, verdammt.« Die Anspannung wuchs. So unauffällig wie möglich lockerte ich durch das Neigen des Kopfes die Nackenmuskulatur.
»Eine angehende Juristin begeht wiederholt Meineid, tja, das spricht Bände.« Mit einem süffisant angedeuteten Lächeln sah er zu Cameron hinüber. »Keine weiteren Fragen.«
Siegessicher marschierte er zu seinem Platz.
Doch Cameron eilte bereits zu meiner Rettung und bat, mich aufgrund der neuen Informationen erneut zu befragen. Die Richterin erteilte die Erlaubnis, so, wie wir es geplant hatten, und ich atmete tief durch.
Wir kämpften als Team. Ich würde das schaffen.
»Miss Noris, Sie wissen, dass Sie unter Eid stehen und zur Wahrheit verpflichtet sind.« Langsam kam Cameron auf mich zu. Trotz der brisanten Lage erinnerte ich mich an unseren letzten Kuss, bewunderte im Geiste die Tattoos, von denen niemand etwas ahnte. Ein leiser Seufzer entfuhr mir.
»Ja, Mr Franklin. Ich bin mir inzwischen des Fehlers bewusst.«
»Stimmt es, dass Ihre Falschaussage eine Gefälligkeit darstellte?«
»Ja.« Ich traute mich nicht, in Trevors Richtung zu schauen.
»Möchten Sie uns und der ehrenwerten Richterin mitteilen, wem Sie diesen befremdlichen Freundschaftsdienst erwiesen haben?«
»Einspruch!«, brüllte Trevor unkontrolliert heraus.
»Ist es von Belang?« Die Richterin verzog den Mund.
»Ja, Euer Ehren.«
»Gut, Miss Noris, antworten Sie bitte.«
Langsam hob ich den Kopf und richtete mit unbeweglicher Miene den Blick auf den verhassten Kerl. »Mr Trevor King, mein direkter Vorgesetzter bei Goldman & Partner , der mich sexuell dominierte und die Liebe einer Studentin im ersten Jahr schamlos ausnutzte.«
Trevor hielt sich mit den Händen an der Schreibtischkante fest. »Du Miststück, was erzählst du da für einen Scheiß!« Den Ausraster wirst du bereuen, und er reitet dich immer tiefer in den Dreck.
Die Richterin zog ärgerlich die Stirn in Falten. »Ich dulde solche Beleidigungen nicht und belege Sie mit einem Ordnungsgeld aufgrund von Missachtung des Gerichts.« Jetzt war er es, der einen Schlag in die Magengrube einsteckte.
»… der mich bei unseren ausgefallenen Sexspielen filmte, um mich weiterhin gefügig zu halten«, fuhr ich äußerlich ungerührt fort. In mir tobte ein Sturm sondergleichen.
Soweit wir es im Vorfeld simulieren konnten, hatte mich Cameron in einer sogenannten Scheinverhandlung auf das Szenario vorbereitet. Dennoch fiel es mir zunehmend schwerer. Die Tränen ließen sich nicht länger aufhalten.
Im Saal brannte die Luft.
»Ruhe in meinem Gerichtssaal«, donnerte Richterin Parker und schlug einige Male mit ihrem Hammer auf die dafür vorgesehene Unterlage.
In dem Moment öffnete sich die Tür. Ein Gerichtsdiener betrat den Raum und brachte eine wichtige Nachricht.
»Darf ich Ihnen vorgreifen«, schaltete sich Cameron ein. »Das ist der Durchsuchungsbeschluss und die Erlaubnis, die Korrespondenz von Chemical Waller Mill im fraglichen Zeitraum zu sichten. Ich bin mir sicher, da wird sich einiges finden.«
Die Richterin nahm das Dokument entgegen. »Ein Tollhaus.«
Jetzt der finale Todesstoß.
Cameron wandte sich direkt Trevor zu, der wie zu einer Salzsäule erstarrt dem Geschehen folgte. Sein Mandant rührte sich ebenfalls nicht. Um der inzwischen entstandenen Lautstärke entgegenzuwirken, hob er die Stimme.
»Exakt in diesem Moment werden die Daten durch die Staatsanwaltschaft gesichert.« Taktisch klug drehte er sich zu den Geschworenen. »Diese belegen, dass Chemical Waller Mill wissentlich die Erkrankung der Kinder und der Besucher des Sport- und Freizeitclubs in Kauf genommen hat, um den Umweltskandal so lange wie möglich geheim zu halten.«
Am liebsten wäre ich ihm vor allen Leuten um den Hals gefallen. Das würde ich später nachholen. Cameron Franklin, du bist tatsächlich der geilste Anwalt New Yorks!
Ein letztes Mal traf mich Trevors hasserfüllter Blick, und dieses Mal begegnete ich ihm mit einem kleinen Lächeln. Ja, du hast begriffen, dass wir dich vorgeführt haben.
An dem Abend erlebte ich eine Welt der Gefühle, die mich auf eine mir bislang unvorstellbare Reise schickte. Der Mann, mit dem ich vor ein paar Minuten verschmolzen war, hatte meinen persönlichen Krieg gewonnen. Ein Befreiungsschlag, das Sprengen der Ketten, die meine Seele fesselten. Eine neue Leichtigkeit ergriff mich, wie Federn, die durch die Luft schweben.
Camerons nackter, göttlich durchtrainierter Körper verursachte Herzklopfen, selbst wenn er lässig mit einem Glas Rotwein auf dem Sofa saß. Sein Glied stand aufrecht und prall, allein der Anblick bescherte mir ein dauerhaftes Pochen zwischen den Schenkeln. Obwohl ich ihn in voller Härte erst vor ein paar Minuten in mir gespürt hatte, blieb mein Blut in Wallung.
Ich lehnte nackt an einer der kubistischen Säulen, die dem Interieur des Penthouse eine besondere Note verliehen, und genoss den zweiten phänomenalen Ausblick: New York. Die Stadt, die mir, wie es schien, Glück brachte.
»Du bist wunderschön«, vervollständigte er mit leiser Stimme die Atmosphäre.
Durch das Bedürfnis, ihm mehr von mir zu zeigen, bewegte ich mich zu der im Hintergrund spielenden, langsamen Musik.
Verführerisch strich ich mir mit den Fingerspitzen über das Dekolleté, wanderte zu den Brüsten und spielte mit meinen aufgerichteten Nippeln. In Kombination mit einem minimal kreisenden Becken eine sinnliche Performance.
»Sexy.« Zu Beginn hatte ich heimlich auf jedes Lob gewartet, daher sog ich seine Komplimente weiterhin auf.
Den Kopf angelehnt streckte ich einen Arm aus, räkelte mich an der Säule.
»Fass dich an.«
Wortlos tauchte ich in eine süße Welt ein, mit dem Wissen, von dem Mann, den ich liebte und begehrte, beobachtet zu werden.
Die Beine gespreizt, wanderte die zweite Hand langsam über den Bauch, bis hin zu meinem Venushügel. Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. Das Prickeln steigerte sich. Lustvoll strich ich mit dem Finger durch die Nässe, schmeckte meine Säfte.
»Zeig mir mehr.« Seine Stimme klang unterschwellig fordernd.
Mit frivolen Bewegungen folgte ich seinem Wunsch, spielte fester an den Nippeln. Das An- und Entspannen der Vaginalmuskeln stimulierte.
»Ich will, dass du dich damit fickst.« Er wandte den Kopf zu dem Vibrator, mit dem er mich bereits unzählige Male zum Explodieren gebracht hatte. »Und komm näher, sodass ich nichts verpasse.« Lasziv bewegte ich mich auf ihn zu, drehte mich und präsentierte verführerisch meinen Hintern. »Setz dich direkt gegenüber auf den Sessel.« Camerons Augen glänzten und lustvoll spielte er mit seinem Schwanz. »Von da habe ich den besten Einblick.« Ein Voyeur mit der Vorliebe für die schlüpfrigen Details.
Geschmeidig und mit einem vor Wollust in die Höhe schnellenden Puls ließ ich mich nieder, spreizte die Beine und stellte die Füße auf die breiten Armlehnen.
»Spiel mit dir.« Er reichte mir den dicken, vibrierenden Dildo. »Kreise um die Lustperle.«
Angetörnt wanderte der runde Kopf über die Vulva. Mit einem verführerischen Seufzer erhöhte ich die Intensität der Vibration. Die Schamlippen schwollen weiter an. Die Erregung wuchs und wuchs. Immer wieder hob und senkte ich das Becken und wartete auf die Erlaubnis einzudringen.
»Quäl mich nicht länger.« Flehend warf ich ihm einen Blick zu. Mit einem verschmitzten Lächeln nickte er. Durch das Wichsen hatte sein Schwanz die geliebte ansehnliche Größe angenommen, die Eichel glänzte und die Adern zeichneten sich ab.
Vor lauter Geilheit führte ich das Spielzeug ein. Endlich kündigte sich eine minimale Erleichterung an.
»Fick dich! Aber du kommst nicht! Das Finale übernehme ich.«
Leidenschaftlich, hingebungsvoll, lüstern und in einer erneuten Ekstase krönten wir den einmaligen Tag, der sich zwischenzeitlich dem Ende zuneigte.