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eder Mensch hat seine eigene Vorgehensweise, um Abschied zu nehmen, so auch ich. Ich hatte einige Tage und Nächte mit mir gehadert, ob es eine dritte Chance für Blake und mich geben sollte. Letztendlich nahm er mir die Entscheidung indirekt ab, da er sich nicht mehr bei mir meldete.
Von Jacksons Assistentin erfuhr ich, dass Blake New York am gleichen Tag verlassen hatte, als ich ihn bei Cameron hatte anschwärzen wollen. Ein eigentlich zu bewältigendes Hindernis, sofern der Wunsch nach einer Kontaktaufnahme bestand. Dieser bestand augenscheinlich nicht.
Kommunikation bedeutete keine Einbahnstraße. Natürlich könnte ich den ersten Schritt unternehmen. Aufgrund unserer speziellen Situation verbot ich es mir jedoch, dies in Betracht zu ziehen.
Das schweigsame Ende hatte zur Folge, dass all die Fragen, die ich ihm gern gestellt hätte, unbeantwortet blieben. Die Unwissenheit, die Spekulationen in sämtliche Richtungen anheizte, entwickelte sich zunehmend zu einer Belastung. Diese zu verdrängen, gelang mir nicht. Oft träumte ich wirres Zeug
von Blake, der Villa, unserem Miteinander, den Sexorgien und erwachte morgens gerädert.
Es gab nur eine Lösung, den endgültigen Cut zu vollziehen. Es dauerte noch einige Tage, bis ich den Mut aufbrachte, das Flugticket zu buchen, das mich von New York zum West Palm Beach International Airport bringen würde.
Der Plan lautete: zurückkehren an die Orte des Geschehens. Ein Wochenende im Paradise Spa Resort
zu verbringen und einen Ausflug zu Blakes Villa zu unternehmen. Direkte Konfrontation mit meinen inneren Dämonen, in Erinnerungen schwelgen, um bei Abreise die Tür unwiderruflich hinter mir zu verschließen.
Aus Selbstschutz erzählte ich niemandem von der Abschiedstour. Um mich nicht von zig unterschiedlichen Meinungen verunsichern zu lassen, hielt ich das für die sicherste Variante. Heute wie damals handelte es sich bei dem Kurztrip um ein verlängertes Wochenende, somit kam ich nicht in Erklärungsnot.
Die Gefahr, Blake über den Weg zu laufen, schätzte ich als sehr gering ein. Das Paradise Spa Resort
gehörte inzwischen zu den etablierten Häusern seiner Kette. Damit verband ich die Hoffnung, dass er sich anderen Projekten widmete.
Beim Einchecken tanzten mir die Erinnerungen durch den Kopf, wie Liz, Caroline und ich leise kichernd an der Rezeption warteten, bis wir die Keycard für unser Mehrbettzimmer entgegennehmen durften.
»Ich wünsche den jungen Damen einen vergnüglichen Aufenthalt. Wenn Sie ein Anliegen haben, stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.« Der smarte Rezeptionist hatte uns angelächelt
und wir waren hin und weg gewesen. »Der Page wird Ihr Gepäck auf das Zimmer bringen.« Allein die Aussage führte später zu einem Kreischalarm.
»Miss Baker, herzlich willkommen im Paradise Spa Resort
in Palm Beach.« Es entlockte mir ein Lächeln, denn es begrüßte mich derselbe Mitarbeiter von damals, der sich kaum verändert hatte.
Auf dem Zimmer angekommen, öffnete ich die Balkontür und trat seufzend hinaus. Ein Ort zum Träumen, einmal zur Upper Class dazugehören, etwas, das wir uns unter dem Motto Normal kann jeder
gegönnt hatten.
Beim Auspacken des Trolleys legte ich ein Päckchen aufs Bett. »Ein wenig wirst du mir als Sicherheit fehlen.« Um nicht in letzter Sekunde zu kneifen, hatte ich die Kelly Bag zu Hause verpackt. So ersparte ich mir den Anblick dieser wundervollen Handtasche. Nachdenklich entwich mir ein Seufzer. Zu einem endgültigen Abschluss gehörte die Rückgabe des Geschenks.
Um entspannt den Plan umzusetzen, gönnte ich mir ein ausgiebiges Sonnenbad und eine hawaiische Massage Lomi Lomi Nui
, die über zwei Stunden dauerte und körperliches und seelisches Wohlbefinden miteinander verband. Durch die beruhigenden und fließenden Bewegungen holte ich mir erwartungsgemäß den letzten Energieschub.
Für den Abend wählte ich ein schlichtes, dunkelblaues Leinenkleid mit moderater Saumlänge bis kurz oberhalb der Knie. Damals hatte der Kleidersaum deutlich höher geendet. Mit einer Clutch, dieses Mal kein Plagiat, sowie echten Schmuck trat ich an die Rezeption.
»Miss, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sofort eine Dame mit einem freundlichen Lächeln.
Mit einem kleinen Kloß im Hals überreichte ich ihr das Päckchen. »Bitte geben Sie das Mr Blake Carter.«
»Darf ich nach Ihrem Namen fragen?«
»Summer Baker, ich bewohne Zimmer 201. Und es eilt nicht.«
Ohne mein finanzielles Sicherheitsnetz verließ ich mit einem leichten Schwindelgefühl die Lobby. Der zweite Schritt sah ein Abendessen im À-la-carte-Restaurant auf der Terrasse vor. Um sicherzugehen, einen Platz an der Balustrade zu bekommen, hatte ich beim Einchecken einen Tisch reserviert. Die Location bot eine Traumkulisse, die ich für immer mit Blake in Verbindung bringen würde. Der Abschied betraf somit die gesamte Region, die ich von der Reiseagenda strich.
Habe ich dir je etwas bedeutet? Ich werde es wohl nie erfahren. Abschiednehmen ist doch nicht so leicht.
Je länger ich am Tisch saß, desto mehr erfasste mich eine beängstigende Schwermut.
Derselbe glutrote Himmel, der sich mit Orangetönen und pinken Akzenten vermischte, spannte sich über uns. Wie auf einer Postkarte zierten einige Palmen das Panorama. Ein Ort zum Schwelgen, der Sehnsüchte weckte. Der Ausblick hatte sich nicht verändert, das Universum schenkte uns eine vertraute Kulisse.
Mittlerweile nervte mich die Lautstärke des Restaurants, und ich winkte den Kellner heran, um zu bezahlen beziehungsweise den Betrag auf meine Zimmerrechnung setzen zu lassen.
Gedankenverloren steuerte ich den Ort an, an dem mein Leben eine nie vermutete Wendung genommen hatte. Die Postkartenidylle rückte in den Hintergrund, und zum ersten Mal kamen Zweifel auf, ob ich Blake einfach vergessen könnte.
Wieso spielte meine Gefühlswelt verrückt? Gerade jetzt, wo ich doch entschieden hatte, pragmatisch zu handeln! Eine Träne löste sich und rann mir über die Wange. Ein Schmerz, der Liebeskummer ähnelte, breitete sich aus. Mein Magen zog sich zusammen, ein Druck auf dem Brustkorb und ein Kloß im Hals zwangen mir die verdrängte Wahrheit auf. Ich liebe ihn seit dem ersten Abend.
»Ein Geschenk, das genießen zu dürfen«,
riss mich eine Männerstimme aus meinen traurigen Gedanken. Wie in einem Film switchte ich in die Vergangenheit. Sah die junge Frau, die sich in ihrem Secondhand-Designerkleid erstmals einen lang gehegten Wunsch erfüllte.
Erschrocken zuckte ich zusammen und wandte den Kopf nach links. Für eine Sekunde stand die Welt still. Niemals zuvor war ich einem Mann begegnet, der eine ähnliche Faszination ausgelöst hatte. In diesem magischen Moment schien alles möglich. In meiner Fantasie existierte ein exaktes Bild von Mr Right. Das ist unmöglich. Eine Fata Morgana, die sich in das Postkartenidyll eingeschlichen hatte.
Blake hielt den Blick aufs Meer gerichtet. Unbewusst stützte ich mich auf der Brüstung ab und betrachtete sein Profil. Die Faszination von damals, der Schock, auf den
Mann zu treffen, all das wiederholte sich.
Nach wie vor richtete er seine Augen auf das nächtliche Firmament. »Du hast die Kelly Bag zurückgegeben.«
»Ja«, presste ich heraus. »Es ist Teil des Abschieds.«
Endlich sah er mich an. »Beenden wir hier und heute gemeinsam unsere Geschichte.« Auch wenn sich meine Meinung mit seiner deckte, zog sich mein Magen zusammen.
»Wie soll ich das verstehen?« Fragend schaute ich ihn an und der Kloß im Hals wuchs.
»Wir gehen zum Strand, da ich vermute, es wäre sowieso der Ort, den du im Anschluss aufsuchen wolltest.«
Obgleich es die allerletzte Chance bedeutete, zögerte ich. »Ist das vernünftig?«
»Wenn ich mein Leben ausschließlich unter der Prämisse der Vernunft geführt hätte, besäße ich kein einziges Resort.«
Es entlockte mir ein dezentes Lächeln. »Wir versuchen es.« Es fällt mir so verdammt schwer.
Stumm gingen wir über die ausgeleuchteten Wege des Hotels und erreichten nach wenigen Minuten den fast leeren Strand. Ich zog die Ballerinas aus, um den Sand unter meinen Füßen zu spüren. Die feinen, weißen Körner hatten die Hitze des Tages gespeichert. Ohne auf Blake zu achten, schlenderte ich in Richtung Meer, bis die flachen Wellen meine Fesseln umspülten. Mit einem Seufzer drehte ich mich um. Überraschenderweise saß er im Schneidersitz ein paar Meter von mir entfernt und spielte mit dem Sand, den er zwischen seinen Fingern hindurchrieseln ließ.
Die Beklemmung verschwand sukzessive und verwandelte sich in Nachdenklichkeit. Ich setzte mich neben ihn, winkelte die Beine an, umschlang die Knie mit den Armen und stützte den Kopf ab. Die Zehen grub ich in die kühlere Sandschicht.
Ohne dass ich ihm eine Frage stellte, ergriff er das Wort, ruhig, mit gedämpfter Stimme. Wir blickten in die Ferne, schafften Raum, um über seine Gefühle, seinen Lebensweg, die Wahrheit, die Unwahrheiten, all das, was Blake Carter ausmachte, zu sprechen.
Nachdem wir uns das zweite Mal verloren hatten, wollte er endlich das Gespräch suchen, etwas, das ich mir seit Ewigkeiten wünschte.
»
Meine Lebensgeschichte ist der amerikanische Traum. Vom Hotelpagen zum Millionär mit aktuell vier Luxusresorts an den schönsten Stränden der Ost- und Westküste. Neben harter Arbeit verfügte ich über das sprichwörtliche Quäntchen Glück, um meine Ziele zu verwirklichen. Vor ungefähr sechs Jahren, in dem Zeitraum unseres Kennenlernens, stand ich an dem Punkt, mir endlich ein luxuriöses Leben leisten zu können und damit nachzuholen, was ich verpasst hatte. Vor allem ausschweifende Partys, die sich zu bizarren Sexevents entwickelten.«
Er legte eine kurze Pause ein. Mein Gespür riet mir, zu schweigen.
»Tja, und dann bist du aufgetaucht. Eine junge Frau, ohne Lebensziel, voller glamouröser Träume. Ein gefügiges Spielzeug, manipulierbar und formbar.«
Obwohl ich es gewusst hatte, erschreckte mich Blakes Einstellung zu mir erneut.
»Du warst süß, und nach dem Sex hier am Strand, bei dem du dich bereitwillig hingegeben hast, wollte ich dich als meine erste Trophäe. Deine schnelle Entscheidung, dein altes Leben aufzugeben, überraschte mich. Ich dachte mir, wenn sie auf all den Luxus abfährt – bitte schön … Ich betrachtete dich als meine Sexsklavin.«
Wie sehr ich die Bezeichnung verabscheute, erwähnte ich auch heute nicht.
Er legte sich auf den Rücken und nahm die Hände an den Hinterkopf.
»Gefühle gehörten nicht zum Plan. Es war zum Verrücktwerden. Obwohl ich entschied, wer in den Genuss kam, wurde es immer unerträglicher, dich mit anderen Männern zu teilen. Gegen jegliche Regeln der Vernunft begehrte ich dich zwischenzeitlich über das Körperliche hinaus … Die Erkenntnis löste einen wahren Schock aus.«
Urplötzlich erlebte ich einen Flashback. Einen, den ich verdrängt hatte, da er mir unheimlich gewesen war. Einer der Kerle fickte mich bei dem Gang-Bang, nackte Haut klatschte aneinander. Wild, ungezügelt, so, wie er es von mir erwartete. Blake hatte mich dabei stumm, fast teilnahmslos betrachtet. Überzeugt, seinen Wunsch erfüllt zu haben, lächelte ich ihn an. Statt zufrieden zu sein, wie folgsam ich der Aufforderung nachkam, verließ er völlig unerwartet die Szenerie.
Im Zeitraffer rauschten die Bilder durch den Kopf, in denen er ab diesem Zeitpunkt grob, cholerisch reagiert hatte.
»Eifersucht?«, schoss es aus mir heraus.
»Vermutlich nennt man das so.« Schweigend wartete ich. »Okay, ich schaffte es nicht, über den eigenen Schatten zu springen, mir einzugestehen, mehr für dich zu empfinden, es passte schlichtweg nicht zu meinem Verständnis deiner dir zugedachten Rolle.«
»Eine ungewollte Kehrtwende zu meinen Ungunsten?« Niemals im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dass er sich aus dem Grund so verhielt. Bei der Erinnerung lief mir ein Schauer den Rücken herunter.
»Ja, und ab dem Zeitpunkt geschah vieles aus Selbstschutz.«
Kurz schloss ich die Augenlider und rieb mir vorsichtig übers Gesicht, um das Make-up nicht zu verschmieren. »Nach Zuneigung oder tiefergehenden Gefühlen sah dein Verhalten definitiv nicht aus.« Erneut grub ich meine Füße in die kühle Sandschicht und formte einen Abdruck. »Weshalb hast du mir nur gedroht, mich wegzuschicken?«, flüsterte ich mit rauer Stimme.
»Egoismus. Einerseits wollte ich dich nicht gehen lassen, anderseits ertrug ich deine Anwesenheit nicht mehr. Ein ätzender Zwiespalt.«
»Ist dir bewusst, welche Demütigung ich ertragen habe?«
»Ich zielte darauf ab, dass du von dir aus die Villa verlässt.« Langsam verlor ich meine vermeintliche Gelassenheit, zu sehr wühlte mich sein Geständnis auf.
Blake und mich trennte nur eine Handbreit Sand. Dem Wunsch, ihn zu berühren, widerstand ich allerdings. Das Gespräch diente einem Abschied.
»Es war eine andere Zeit.«
All das erneut zu hören, riss alte Wunden auf und unterstrich, wie tief diese noch heute waren.
»Letztendlich ist es dir gelungen, denn mich gegen Jacky auszutauschen – daran bin ich zerbrochen.«
Der Zorn in seiner Stimme, wie er meine Annäherungsversuche abgeschmettert und mich manchmal überhaupt nicht beachtet hatte, all die Erinnerungen gehörten zu den schlimmsten mit Blake.
»Jacky hat mir nichts bedeutet.«
»Nein?«, presste ich hervor. Sollte ich mich darüber freuen? Bis heute blieb sie für mich ein rotes Tuch.
»Sie war Mittel zum Zweck.«
Obwohl ich endlich eine Antwort auf die Frage erhielt, die mir viel Kummer erspart hätte, brach ich nicht in innerlichen Jubel aus. Stattdessen wurde mir schummerig, ich hatte keinen Plan, was ich erwidern sollte.
Gott sei Dank ist es dunkel und ich muss ihn nicht ansehen.
Genau in dem Moment setzte er sich auf und wandte sich zu mir. »Das ist die Wahrheit, die ich dir schuldig war.«
Der Kloß in meinem Hals nahm ungeahnte Dimensionen an.
»Puhh …« Abrupt entwickelte sich ein flaues Gefühl, das sich mit schmerzlicher Verbitterung mischte.
»Weshalb erzählst du mir das ausgerechnet heute?«
»Mit der Rückgabe der Tasche wurde mir klar, wenn ich nicht umgehend handele, wird es vermutlich endgültig zu spät sein.«
Bei dem Satz stutzte ich. Nein, das gefiel mir gar nicht.
»Hätte ich dir die Kelly Bag in New York zurückgeben, wärst du nicht ohne eine vernünftige Verabschiedung abgehauen?« Den Sarkasmus zu verbergen, bemühte ich mich gar nicht. »Du hast mich ein zweites Mal verletzt und deine Spielchen gespielt.«
Das erinnerte mich daran, dass wir keine Rollen in einem Liebesfilm spielten. Wir würden uns nicht in idyllischer Szenerie, gegenseitig alles verzeihend in die Arme fallen, würden uns nicht im Sand wälzen und die ewige Liebe schwören.
Verbittert rappelte ich mich auf. Blitzartig verlor die Kulisse ihren Charme und ich klopfte den Sand von meinem Kleid. »Weißt du, was ich glaube?« Jetzt war sie endgültig dahin, die Ruhe, ich stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. Mit einem dynamischen Sprung stand Blake neben mir. Seine Wangenknochen bewegten sich und unvermittelt brannte die Luft.
»Du kannst nicht verlieren.«
»Was hat das mit unserem Gespräch hier zu tun?« Seine Stimme hatte einen gereizten Unterton angenommen.
»Mit der Rückgabe der verdammten Tasche hast du endgültig deine Felle davonschwimmen sehen.«
»Ah, so siehst du das.« Er legte die Stirn in Falten und seine Augen funkelten.
»Ja, genau!« Ob es klug war oder nicht, ich drehte völlig auf. »Die liebesverrückte Summer, die sich abermals auf dich eingelassen hat, wendet sich von dem großen Blake Carter ab.«
»Ich rate dir, überlege dir, was du sagst.« Ja, so hörte sich der wahre Blake Carter an. »Und glaube mir, wir haben einiges gemeinsam, auch wenn du es nicht wahrhaben willst.«
»So ein Schwachsinn, wir haben nichts, überhaupt nichts, was uns verbindet.« Nur mit Mühe schaffte ich es, ihn nicht anzubrüllen. »Ich bin wieder auf dich reingefallen, und als ich
mich zu souverän verhielt, hast du dich verpisst.« Ohne Luft zu holen, schmetterte ich ihm meine neu gewonnene schmerzhafte Erkenntnis an den Kopf. »Ein Alphatier wie du erträgt es nicht, nicht uneingeschränkt im Mittelpunkt zu stehen.« Meine Unterlippe zitterte und ich ballte die Hände zu Fäusten. »Es hat dich schlichtweg genervt, dass ich mehr Aufmerksamkeit bekam.« Mit dem sandigen Handrücken wischte ich mir über das Gesicht. »Ich hasse dich dafür, dass du erneut in mein Leben getreten bist, es ging dir doch sowieso nur darum, herauszufinden, ob ich weiterhin das folgsame Mäuschen von damals bin. Wieso nur hab ich mich auf diese bescheuerte Abschiedstour eingelassen, einfach lächerlich!«
»Wenn du das so siehst, war das eben geführte Gespräch völlig sinnlos.« Von der einen zu anderen Sekunde strahlte er eine Kälte aus, die mich trotz der warmen Abendluft zum Frösteln brachte.
»Blöd nur, dass ich nicht tränenüberströmt und voller Dankbarkeit angekrochen komme.« Am liebsten hätte ich auf ihn eingeschlagen – so wie damals, da ich nicht wusste, wohin mit meinem Schmerz.
Seine Gesichtszüge verhärteten sich und er packte mich am Handgelenk. »Spiel hier nicht das Unschuldslamm, du hast auch deinen Teil zum gesamten Verlauf beigetragen.«
»Ich?« Beleidigt versuchte ich, mich loszureißen.
»Erinnerst du dich an meine Worte an unserem ersten Abend in New York?« Wütend lag mir eine schnippische Bemerkung auf der Zunge, die ich unterdrückte. »Hoffentlich hört Summer besser zu als Sunny.« Was meinte er damit? »Dem ist nicht so, und deshalb spare ich mir jede weitere Erklärung.«
Ohne die Chance, überhaupt zu reagieren, ließ er mich stehen und ging zurück zum Hotel. Durcheinander sank ich zu Boden.
Endlich hatte ich Antworten erhalten, meine Eigenständigkeit mit Rückgabe der Tasche demonstriert und es geschafft, dass Blake Carter niemals mehr in meinem Leben aufkreuzte.
Wieso freute ich mich nicht darüber?