D
as Ziel erreicht, blieb ich einen Augenblick im Wagen sitzen. Bei meiner damaligen Ankunft hatte es ebenfalls wie aus Eimern geschüttet. Mit der Gewissheit, mit dem Betreten des Hauses eine neue Ära einzuläuten, stieg ich entschlossen aus.
»Sechs Jahre sind vergangen, Summer 2.0«, murmelte ich, um mir Zuversicht zuzusprechen. Tief durchatmend bezahlte ich die Taxifahrt, um den Weg ein zweites Mal zu gehen.
»Soll ich warten?« Der Fahrer hoffte auf ein weiteres Geschäft.
Ich verneinte und der Wagen fuhr davon. Da stand ich nun vor dem mit Video- und Sicherheitstechnik ausgestatteten Tor, die einzige Option, auf das gut bewachte und eingezäunte Grundstück zu gelangen. In einigen der Fenster des im mediterranen Stil gebauten Hauses schien aufgrund des dunkelverhangenen Himmels Licht. Das verriet jedoch nicht, ob Blake sich dort aufhielt.
Der Regen prasselte auf mich herab, und dennoch harrte ich unschlüssig aus, durchnässt bis auf die Knochen, und focht einen inneren Kampf aus, welcher Weg für mich der beste wäre.
Urplötzlich traute ich mich nicht mehr. Was, sofern er nicht einlenkte? Diese Sorge vergrößerte meine Unsicherheit. Das Taxi hätte ich nicht wegschicken dürfen.
Unabhängig davon, wie ich mich in ein paar Minuten entschied und ob ich vielleicht kniff, eines wollte ich zumindest laut aussprechen. Mit zitternden Fingern betätigte ich die Klingeltaste. Eine bekloppte Idee, über eine Sprechanlage meine ehrlichen Gefühle loszuwerden, ohne genau zu wissen, ob Blake zuhörte.
»Die Zeit mit dir hat mich geprägt, und es gab nie wieder einen Mann, den ich so verehrt, bewundert und geliebt habe wie dich.« So, nun ist es raus.
Unvermittelt fiel mir auf, dass ich den vorbereiteten Satz in der Vergangenheit formuliert hatte. Oh Gott, nein!
»Ich wollte sagen, natürlich empfinde ich heute, jetzt und hier …«, stotterte ich.
»Möchtest du hineinkommen oder den ganzen restlichen Tag auf der Straße verbringen?« Mir fuhr der Schreck durch alle Glieder, da ich nun sicher sein konnte, dass mein Gestotter zu ihm durchgedrungen war. Zumindest schickt er mich nicht weg.
»Ja, bitte lass mich rein.« Ich huschte voller Anspannung durch den Spalt des sich behäbig öffnenden Tores, das sich augenblicklich genauso gemächlich wieder schloss.
Mit zig Erinnerungen im Kopf schleppte ich mich über die beleuchtete Auffahrt zum feudalen Eingang. Blake erwartete mich auf der Türschwelle.
»Hallo.« Betreten trat ich von einem Fuß auf den anderen. Ich stand vor ihm. »Das war nicht nett«, fügte ich ungelenk hinzu. Langsam fröstelte es mich, und ich wollte mir gar nicht ausmalen, welch armseliges Bild ich abgab.
»Ich bin selten bis nie nett.« In kurzen Hosen und einem Tanktop, das den muskulösen Oberkörper bestens zur Geltung brachte, stand er mit verschränkten Armen vor mir. Es passte zu seinem bekannten Verhalten, mich vor der Tür stehen zu lassen. Ein Königreich für seine Gedanken.
»Du wusstest, dass ich komme, stimmt’s?« Vor Unterkühlung zitterte meine Unterlippe.
»Wie ich damals bereits sagte, es besteht eine besondere Verbindung.«
»Bin ich tatsächlich so berechnend?«, platzte ich heraus. Der Vorwurf nagte an mir.
»Manchmal.« Nach wie vor hinterließ er nicht den Eindruck, dass er mich hereinlassen wollte. »Ein Beispiel: Du gingst mir auf die Nerven, ich machte eine Ansage, und die kleine Sunny begann wie auf Knopfdruck, mit ihren sexuellen Reizen zu spielen, denen ich selten bis nie widerstand.«
»So was Ähnliches hörte ich bereits heute Vormittag. Aber bitte …« Schlotternd trat ich von einem Fuß auf den anderen. »Kannst du mich reinlassen?«
»Ich dachte, du fragst nie.« Mit einem diebischen Grinsen ging er zur Seite.
»Du Mistkerl!« Spielerisch knuffte ich ihm gegen den Arm und war heilfroh, als er mir ein Handtuch gab.
»Um mir das zu sagen, bist du extra hergekommen?« Um seine Mundwinkel zuckte es.
Durch meine durchnässte Kleidung tropfte das Wasser auf den Steinboden. »Gibst du uns eine Chance, sachlich miteinander zu reden?« Betreten senkte ich den Kopf und verschränkte die Arme frierend vor der Brust.
»Unter einer Voraussetzung.« Ich nickte. »Keine haltlosen Schuldzuweisungen.«
»Versprochen.«
»Okay, dann geh duschen, und im Anschluss treffen wir uns im Wohnzimmer. Du kennst dich vermutlich noch aus.« Mit einem dezenten Schmunzeln zwinkerte er mir zu.
»Ja.«
»Du bist übrigens die Einzige, die das von sich behaupten kann.«
»Oh.« Verlegen biss ich mir auf die Lippe.
»Ja, oh.«
Aufgewühlt huschte ich die breite Treppe ins Obergeschoss hinauf. In den letzten Jahren hatte sich nicht viel verändert. Ein paar Minuten später stand ich unter der Dusche und genoss das heiße Wasser. Tausend Erinnerungen stürmten auf mich ein. Besonders die Erinnerungen daran, wie wir hier unsere Lust auslebten. Ein lauter Seufzer entfuhr mir. Ein klitzekleines bisschen hoffte ich, dass Blake zu mir kam. Vernünftigerweise passierte es nicht.
Ich drehte den Wasserhahn zu und stieg aus der Dusche. Ich habe gar nichts zum Anziehen.
Sollte ich nur mit dem großen Badelaken bekleidet eines der elementarsten Gespräche der letzten Jahre führen?
Auf dem Rand der riesigen Badewanne lag ein Shirt. Egal, ich ziehe es an.
Ich zog es an und empfand es wie eine Umarmung von Blake. So fühlte ich mich bestens gewappnet.