Kapitel 9
Will
Leah war am nächsten Morgen immer noch beleidigt und rümpfte die Nase, als ich ihr den Kaffeebecher hinhielt. Ich hatte ihr eines meiner Shirts gegeben und konnte nicht leugnen, dass sie zum Anbeißen aussah.
Allerdings musste ich mich zusammenreißen, denn zum einen war ein klärendes Gespräch überfällig, und zum anderen würde Chuck hier ziemlich bald auftauchen, um das morgendliche Briefing zu halten. Jane, vom PR-Team, würde ihn begleiten und mir Bericht darüber erstatten, wie die Öffentlichkeit die Bekanntgabe meiner Beziehung zu Leah Newman aufgefasst hatte.
»Du kannst mich nicht hier gefangen halten.« Leah schob die Brille hoch und reckte das Kinn.
»Du bist keine Gefangene. Etwa zweihundert Meter in diese Richtung ist das Tor. Du kannst es gar nicht verfehlen. Es ist da, wo die ganzen Journalisten auf dich warten.«
Ihre Augen wurden schmal. »Du bist abscheulich.«
»Du wirst dich daran gewöhnen.« Ich zwinkerte ihr zu und trank einen Schluck von meinem eigenen Kaffee, als mein Handy klingelte. Davens Name stand im Display, und da ich wusste, wie ungern mein älterer Bruder telefonierte, nahm ich an, dass es etwas Wichtiges war. Vielleicht wollte er aber auch nur wissen, ob ich ein Fass für Leahs Leiche brauchte.
»Daven, was gibt’s?« Im ersten Moment verstand ich ihn aufgrund des Lärms nicht. »Bist du in einem verdammten Hubschrauber?«
»Ja. Ich habe Aaron verhört und ihn dazu gebracht, mir zu zeigen, was er kann. Er ist einfach nur unfassbar geschickt, wenn es um Computer, Firewalls, Systeminfiltrierung geht – er hat es mir anhand eines obskuren Forums für Radikale gezeigt. Die Typen planen einen Anschlag auf Camp David. Die haben alles – Grundrisse, Zugangscodes, Schaltkreise der Überwachungskamera, Namen der Secret Service Agents. Du musst in den Panikraum. Jetzt sofort. Ich bin noch knapp neun Minuten unterwegs, bevor ich da bin.«
»Was?« Mir wurde flau in der Magengegend.
»Jetzt, Will. Sie greifen jetzt an. Leg auf und versteck dich.«
»Okay.«
Obwohl mir eine Million Dinge durch den Kopf gingen, blieb ich erstaunlich ruhig. Ich drehte mich zu Leah. »Das war Daven. Wir werden angegriffen. Terroristen sind auf dem Weg hierher.«
Die Tasse rutschte aus ihren Fingern und zersprang beim Aufprall in unzählige Teile. »Wirklich?«
»Ja, komm mit. Es gibt einen Panikraum unter dem Gästeschlafzimmer.« Ich legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie vorwärts.
Im ersten Moment stolperte Leah, doch sie fing sich schnell und beschleunigte ihre Schritte. »Was ist mit den Secret Service Agents? Sollen sie dich nicht beschützen?«
Ich wollte ihr gerade sagen, dass das in der Tat eine sehr gute Frage war, als die Explosion mir die Luft aus den Lungen trieb. Meine Ohren begannen zu pfeifen, ich spürte die Hitze, dann riss die Druckwelle mich von den Füßen. Glas splitterte, Flammen loderten auf und ich landete auf dem Rücken, mein Hinterkopf schlug schmerzhaft auf. Als ich danach tastete, hatte ich Blut an den Fingern.
»Leah?« Meine Stimme krächzte und der Rauch ließ meine Augen tränen. Ich sah nichts, nur die Flammen. Über mir knirschte das Gebälk. »Leah!«
Dann hörte ich Schritte, viele Schritte. Ich rappelte mich hoch und sah ein gutes Dutzend Männer in voller Kampfmontur. Dass sie Masken trugen, die wie Totenschädel aussahen, begrub jegliche Hoffnung, sie könnten zum Secret Service gehören.
»Mr. President«, sagte einer von ihnen.
Ich war nicht gläubig, aber ich betete, dass Leah am Leben und smart genug war, nicht auf sich aufmerksam zu machen.