Kapitel 1 Dan
H auptgewinn! Dan schluckte trocken und ballte seine Hände zu Fäusten. In goldenen Buchstaben leuchtete die Schrift auf dem Poster über dem Schreibtisch.
White Moon Casino - dein Hauptgewinn wartet auf dich!
Sicher nicht! Auf ihn wartete hier gar nichts mehr! Er hatte jetzt ausgespielt! Mit jedem Schweißtropfen, der über das Gesicht rann, schien etwas mehr Hoffnung aus ihm herauszufließen.
„Fühlen Sie sich nicht wohl, Mister Williams? Ist es Ihnen etwa zu warm in meinem Büro? Möchten Sie einige Kleidungsstücke ausziehen?“ Die dunkle Stimme des Mannes klang sanft und besorgt. Doch der Spott darin war nicht zu überhören.
Fest bohrte Dan die Fingernägel in seine Handballen. „Wollt ihr Clowns mich verarschen? Ich bin am Eingang gefilzt worden und selbstverständlich bin ich unbewaffnet!“ Die Klimaanlage brummte hörbar, und doch war es, als würden sich eisige Finger um seinen Hals schließen. Er bekam kaum noch Luft.
„Mister Williams, nennen Sie mir einen Grund, warum ich Ihnen vertrauen soll?“ Das überlegene Grinsen des Kerls schlug Dan hart in den Magen.
Er atmete tief ein und aus. Dieses Spiel war verloren! Mit klammen Fingern knöpfte er seine Hose auf. Für einen Augenblick hielt er inne und seine Hand krampfte sich um den Bund.
„Soll ich Ihnen helfen?“ Dieses Mal klang der Kerl hinter dem Schreibtisch bedrohlich. Schnell schüttelte Dan den Kopf und beeilte sich, die Anzughose über seinen Hintern gleiten zu lassen. Er ließ sie auf den Boden fallen und machte einen Schritt nach vorne.
„Zu langsam!“
Dan schluckte und fühlte die Wut, die aus einem dunkeln Ort in ihm aufstieg und sich über die Angst schob. Gleich zeige ich dir: zu langsam! Der Zorn ließ seine Arme unruhig zucken. Zu gerne wäre er diesem Kerl ins Gesicht gesprungen.
Aber der Mann war nicht eines seiner üblichen Betrugsopfer. Dieses Mal konnte er sich nicht mehr mit Charme und einem Blowjob aus der Sache winden und so blieb er wie festgefroren stehen. Zusammen mit dem Kloß im Hals schluckte er seine Wut hinunter und streifte schließlich auch seine engen Briefs ab.
Ängstlich glitt sein Blick von dem großen Mann hinter dem Schreibtisch zu dem fast noch beeindruckenderen Kerl, der davor an der Tischplatte lehnte. Die Gewissheit sank tiefer – sie hatten ihn erwischt und würden ihn so schnell nicht mehr aus den Fingern lassen.
Lance Michell und seinem Geschäftspartner Gus Benson gehörten zwei der größten Kasinos in Nevada. Jeder in der Stadt kannte ihre Story. Sie waren aus dem Nichts aufgestiegen und hatten zwei heruntergewirtschafteten Unternehmen zu neuem Glanz verholfen. Zögerlich knöpfte Dan sein Hemd auf und ließ es schließlich über die Schultern gleiten. Nackt starrte er von einem Mann zum anderen. Wo zur Hölle sollte er Waffen verstecken?
„Siebenhunderttausend Dollar! Um diese beachtliche Summe haben Sie uns in den letzten Wochen mit ihrem kleinen Kartentrick gebracht, Mister Williams. Sie verstehen sicher, dass ich darüber nicht erfreut bin?“ Die Worte rollten Lance Michell von der Zunge.
Dan atmete tief ein, langsam aus und schwieg. Schweiß trat ihm aus allen Poren. Fuck! Dieser verdammte Kartentrick schien so perfekt zu sein. Nur noch ein, höchstens zwei Mal hatte er ihn anwenden wollen. Und dann: Hello Karibik!
Nur dieser eine große Wurf noch. Dann hätte er sich aus dem armseligen Leben eines Betrügers und Gelegenheits-Callboys verabschieden können. Eine kleine Hütte am Strand, essen, trinken, schlafen, vögeln und das Ganze am nächsten Tag von vorne. Ja, so hatte er sich das gedacht. Falsch gedacht! Ausgespielt .
Lance stand auf und umrundete den Schreibtisch mit langsamen Schritten. Sein Hemd spannte über seine breiten Oberarme. Lässig lehnte er sich neben seinen Geschäftspartner an die Tischplatte und neigte den Kopf zur Seite. Dan schauderte. Er wollte sich nicht einmal ausmalen, wie viel Kraft in diesen Männern steckte. Nackt und beschämt sah er aus den Augenwinkeln zu den beiden hinüber. Doch etwas an ihnen zog seinen Blick magisch an. Angespannt beobachtete er seine Gastgeber, auf der Suche nach einem Ausweg.
Mit seinem schönen männlichen Gesicht, dem gepflegten Dreitagebart, dem braunen Haar und dem muskulösen Körper wirkte Lance Michell wie die gereifte Variante eines Profi-Bodybuilders. Beide Männer waren wohl Ende dreißig, vielleicht auch jung gebliebene Anfang vierzig. Sie strahlten Kraft und Entschlossenheit aus. Ängstlich und zugleich fasziniert betrachtete Dan den dunkelhäutigen Gus.
Er überragte seinen Geschäftspartner um einige Zentimeter, besaß ein markantes und doch attraktives Gesicht. Wie aus einem Modemagazin entstiegen, so lehnten die beiden lässig an der Tischplatte. Aber hier ging es um sehr viel mehr, hier ging es um sein Leben.
Lance würden niemals zulassen, dass durchsickerte, wie er von einem Trickbetrüger ausgenommen worden war. Die Spieler und die Touristen würden ausbleiben, wenn sie wüssten, dass die Betreiber ihren Laden nicht im Griff hatten. War Gus Benson deshalb ebenfalls anwesend? Wollten sie ihn wirklich auf Waffen untersuchen, oder die Gelegenheit nutzen und ihn aus dem Weg schaffen? Der Gedanke ließ seinen Magen zusammenkrampfen.
"Ich schlage vor, wir lassen die Förmlichkeiten. Also, Daniel. Dein kleiner Kartentrick ist uns natürlich schon vor Wochen aufgefallen. Daher haben wir ein paar Informationen über dich einholen lassen." Dan zuckte zusammen. Warum stellten sie ihn erst heute, wenn sie seinen Trick schon vor Wochen entdeckt hatten?
"Wie wir inzwischen wissen, vermisst dich niemand." Gus Stimme klang noch dunkler als die seines Geschäftspartners. Dan fühlte einen eigenartigen Schauer, der ihm über den Rücken lief. Dann nickte er schwach. "Deine Mutter ist tot, dein Vater unbekannt. Untergebracht warst du in diversen Pflegefamilien und Heimen. Schulabbruch mit sechszehn, ab dann hast du dich als Callboy und Dealer durchgeschlagen, später kam Trickbetrug dazu. Heiratsschwindel, Kreditkartendiebstahl und einiges mehr. Verhaftet haben sie dich ab und zu für kleinere Delikte. Aber du und wir wissen, wenn sie dich wirklich drankriegen, ist es für lange Zeit vorbei mit deiner Freiheit! Du wirst wegen weitaus mehr als Betrug beim Kartenspiel gesucht."
Obwohl er nackt im Zug der Klimaanlage stand, begann Dan noch mehr zu schwitzen. Die Wände des Büros schienen plötzlich auf ihn zu zukommen und die Enge in seiner Brust wurde unerträglich. „Seid ihr Clowns Journalisten und wollt über Menschen aus der Gosse schreiben? Wenn nicht, dann ruft schon die verdammten Cops!“, brachte er mit gebrochener Stimme hervor. Flucht! Sofort hier raus. Entmutigt erinnerte er sich an die Armee von Security-Jungs, die er in der Halle gesehen hatte.
"Nicht doch, Daniel. Wenn die Aufsicht einen Betrug bemerkt, wird die Polizei automatisch alarmiert. Aber wir haben nicht vor, dich auszuliefern. Vielmehr bieten wir dir eine Wahl." Mit einem Lächeln straffte Lance den Oberkörper und kam einen Schritt auf ihn zu.
„Scheiße, Mann. Ich will keine Wahl, sondern einen Deal.“ Ja, was hatte er eigentlich zu bieten? Nichts, außer sich und diese Jungs würden ihn keine Überwindung kosten. Ohne nachzudenken, stieß Dan abwehrend mit der Hand vor Lance‘ Brust und trat einen Schritt zurück. Unvermittelt prallte er gegen Gus. „Eine letzte Runde Black Jack. Wenn ich verliere, gewinnt ihr eine Nacht mit mir. Gewinne ich, lasst ihr mich laufen.“ Ein verzweifelter Versuch und wahrscheinlich bevorzugten die beiden Frauen. Aber ihre Blicke ließen zumindest Hoffnung zu.
Ein Muskel um Gus‘ Mundwinkel zuckte für einen Augenblick. Dann sah er Dan streng an. „Als würden wir je auf so einen Handel eingehen. Und du hast doch schon längst verloren. Hier geht es um so viel mehr als eine Nacht. Du kommst mit uns, erhältst ein Zuhause und einen Job. Dafür wirst du dich an unsere Regeln halten. Oder du kannst auf Staatskosten im Knast leben. Das ist der Deal.
„Wie kann ich frei sein, wenn ich mich an eure Regeln halte?“ Dan sah ihn verwundert an. Wieso sagten die Clowns nicht einfach, was sie wirklich von ihm wollten?
Plötzlich begannen die Männer, ihn wie gierige Raubkatzen auf der Jagd zu umrunden. Dans Knie wurden weich und in seine Fluchtpläne schob sich jetzt noch ein anderes Gefühl. Ein Gefühl, das hungrig in seiner Mitte zuckte. Verdammt, noch nie hatte es sich so heiß angefühlt, ein Spiel zu verlieren. Anstatt diese beiden auszunehmen, hätte er sie lieber zu seinen Kunden zählen sollen. Lance trat näher zu ihm. Diese Nähe erzeugte Wärme zwischen ihren Körpern. Dan atmete unruhig. Groß und breitschultrig stand Lance da und lehnte sich zu ihm. „Welche Entscheidung triffst du?“
Unsicher presste Dan die Lippen fest zusammen. Als sie ihn vor einer Stunde in der Halle festgenommen hatten, hatte er alles erwartet: Seinen schnellen Tod, gebrochene Gliedmaßen oder schlimmere Qualen. Aber sicher nicht, eine Wahl zu erhalten.
Der Geruch von Schweiß und Mann, den die beiden verströmten, raubte ihm zusätzlich die Sinne. Und das, wo er gerade jetzt einen klaren Kopf brauchte. Am Ende ging die Sache glimpflicher aus als gedacht. Sicher wollten sie einfach ein bisschen Spaß mit ihm haben. Spaß gegen Freiheit, dieser Deal war der beste seines Lebens. Irgendwie würde er ihnen das Geld schon zurückzahlen können. Es würde ihm etwas einfallen, da war er sich ganz sicher.
Der große Mann hatte den Kopf zur Seite geneigt. "Nun Gus, bleiben wir bei unserem Plan?", fragte er über Dans Schulter hinweg. Dans Glieder zuckten unwillkürlich. Was spielten die Jungs eigentlich für ein Spiel? Irritiert ließ er seinen Blick durch das Büro wandern. Hinter dem Schreibtisch befand sich eine Tür. Lag dort seine Freiheit? Entschlossen trat er einen Schritt vor.
„Wo willst du hin?“ Gus hielt ihn sanft am Arm fest, sah ihm in die Augen.
„Nicht in den Knast“, erwiderte Dan und schluckte.
„Du hältst uns wohl für Idioten? Du hast uns bestohlen und dabei um sehr viel Geld gebracht. Wir machen dir ein echtes Angebot und du willst uns schon wieder reinlegen?“ Gus lachte nicht. Die Ironie war längst aus seiner Stimme verschwunden. „Junge, du sitzt richtig tief im Dreck. Wir bieten dir ein Versteck und einen Anwalt, der deine Angelegenheiten regelt. Im Gegenzug wirst du für uns arbeiten. Entscheide dich!“
„Im Kasino?“ Dan verstand kein Wort. Sie wollten, dass er richtig arbeitete?
„In unserem Zuhause. Wir gehören zu einem kleinen Kreis Menschen, die in ihren Häusern gewisse Partys veranstalten.“
„Nein“ Dan musste nicht einmal nachdenken. Wenn er anschaffen wollte, brauchte er keinen Vermittler.
Die beiden sahen sich an, nickten sich zu. „Wir benötigen verschwiegene Kellner für diese Partys. Was auch immer dort geschieht, niemand wird für Leistungen bezahlt, die über die Versorgung der Gäste mit Getränken hinausgeht. Allerdings ist es notwendig, absolutes Stillschweigen über die Partys zu bewahren.“
„Das ist der Deal? Ich werde zu einem Kellner für euch, plaudere nicht und dafür versteckt ihr mich vor den Cops?“
„Richtig. Du wirst dich natürlich einem Training unterziehen. Immerhin erwarten unsere Gäste den bestmöglichen Service. Die übrigen Angestellten erhalten einen fürstlichen Lohn für ihre Dienste und ihr Stillschweigen. Du wirst deine Schulden bei uns abarbeiten.“
Dan lauschte. Sirenengeheul drang an sein Ohr. Die Cops mussten sich ganz in der Nähe befinden. In wenigen Minuten erreichten sie das Kasino und dann war es vorbei mit ihm. Er würde für viele Jahre hinter Gittern verschwinden, vielleicht nie mehr frei sein. Aber was erwartete ihn bei diesen Jungs? Ein Job und eine Art Ausbildung? Das Angebot klang verlockend. Nur wie konnte er sicher sein, dass sie es ernst meinten? Er kannte diese Männer doch nicht. Immerhin hatte er sie um eine Menge Geld erleichtert und sie würden es nicht darauf anlegen, dass das herauskam.
„Von mir aus“, hörte er sich sagen. „Ich komme mit.“
"Wie besprochen?", fragte Lance und klang für einen Moment unsicher. Dan konnte Gus Reaktion nicht sehen, aber er schien zuzustimmen, denn Lance nickte. Im nächsten Moment beugte Lance sich über seine Schulter zu seinem Partner. Dan drehte den Kopf und wurde Zeuge eines innigen und leidenschaftlichen Kusses. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Okay, sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Die beiden waren offensichtlich viel mehr als nur Geschäftspartner.
"Ja, wir machen es, wie besprochen, Liebling", war Gus‘ knappe Antwort.
Lance trat einen Schritt zurück. "Daniel, lass uns aufbrechen. Deine Kleidung bleibt hier, wir entsorgen sie. Darin solltest du dich nicht mehr sehen lassen. Du wirst polizeilich gesucht. In der nächsten Zeit wirst du die Öffentlichkeit meiden müssen. Wir kaufen dir neue Sachen. Auf unserem Anwesen ist Nacktheit kein Problem, alle Angestellten sind daran gewöhnt. Und dieser Anzug, was ist das eigentlich für ein Material? Ich habe Angst, dass er gleich Feuer fängt, so billig fühlt er sich an." Er drehte sich ab und schritt auf die Tür hinter dem Schreibtisch zu. Dort angekommen wandte er sich noch einmal um. "Zweifel? „Du hast deine Wahl getroffen - du kannst jetzt deine Schuld bei uns abarbeiten und musst dich nicht mit deinen Zellengenossen im Staatsgefängnis vergnügen. Keine Angst. Wir sind mit Richtern und Staatsanwälten befreundet. Und wir können dich beschützen." Mit einer lässigen Handbewegung zog Lance sein Hosenbein ein Stück nach oben. Eine Waffe wurde sichtbar. Sie steckte in einem Halfter, das um sein Bein befestigt war. Dan schnaufte. Natürlich waren diese Typen bewaffnet. Was hatte er denn erwartet?
Dan fühlte den großen Mann immer noch hinter sich. Dann würde er eben einen Teil seiner Schulden abarbeiten. Der Deal würde auch den beiden nutzen. Ansonsten würden sie wahrscheinlich nicht einen Cent von ihm sehen. Nun, arbeiten war allemal besser, als sich im Knast zur Freundin eines Brutalos machen zu lassen. Okay! Dann würde er ebenso lange das Beste aus dieser beschissenen Situation machen, bis sich eine Fluchtmöglichkeit für ihn ergab. Und am Ende könnte er doch noch unter falschem Namen in der Karibik untertauchen! Er würde schon durchkommen, das tat er immer! Entschlossen, sich auch dieses Mal nicht unterkriegen zu lassen, straffte Dan seinen Oberkörper und trottete in Richtung Tür.
"Keine Sorge, mein Büro ist direkt mit der Tiefgarage verbunden. Niemand wird uns sehen."
Außer sämtliche Jungs von der Security vor ihren Monitoren. Dan rollte mit den Augen und schritt langsam zwischen Lance und Gus durch die Tür.
Der dunkle Gang endete vor einem Aufzug. Wenig später befanden sie sich im privaten Teil der Tiefgarage des Kasinos, direkt vor einem großen schwarzen SUV. Lance öffnete die Tür und Dan kletterte auf den Rücksitz. Zum Glück waren die Scheiben des Wagens verdunkelt. So würde ihn wenigstens niemand nackt im Auto sehen können.
Die rasante Fahrt ging über den Las Vegas Strip mit seinen grellen Lichtern und der allgegenwärtigen Musik, immer weiter in den ruhigen Bereich des Stadtteils Paradise und dann hinaus aus der Stadt. Bald änderte sich die Landschaft, wurde karg, steinig und weitläufig.
Sie fuhren also in die Wüste. Dan starrte aus dem Fenster und fragte sich, was ihn wohl erwartete. Unter einem leisen Seufzen drehte er sich noch einmal um und sog den Anblick der gleißenden Lichter tief in sein Gedächtnis ein. Langsam verblassten sie am Horizont, räumten ihren Platz für die ewige Sonne über der Stadt. Über seiner größten Dummheit war längst der neue Tag angebrochen.
Plötzlich wurde der Wagen langsamer und bog in eine schier endlos lange Auffahrt ein. Dan beugte sich vor, blickte mit großen Augen aus der Fortscheibe hinaus. Je näher sie kamen, desto größer erschien die Villa, die vor ihnen lag.