Kapitel 10 Dan
Dan schob das letzte Stück Käsekuchen mit den Fingern in seinen Mund, genoss die cremige Köstlichkeit und spülte mit dem dritten Kaffee nach. Oder war es der vierte? Er sank tief in die weichen Polster des Sofas. Wirklich gemütlich war der Aufenthaltsraum der Angestellten. Auch hier gab es Spielekonsolen, Bücher und Zeitschriften.
„Bist du gut im Kartenzählen? Sonst brauchst du dich gar nicht erst an den Blackjack Tisch zu setzen. Außer du hast Geld zu verschenken“, fragte er Tony, einen der jungen Gärtner, der ihm gegenüber in einem der Sessel saß und ebenfalls ein Stück Käsekuchen aß. Immer noch in seinen grünen Overall gekleidet, war dessen braunes Haar verwuschelt und er zeigte ein schiefes Grinsen. Sie mussten im gleichen Alter sein, aber Tonys Weg hatte ihn aus anderen Gründen in diese Villa geführt.
„Denke schon“, sagte er kauend
Dan nickte und sah an Tony vorbei auf die Wanduhr. Gleich acht Uhr am Abend. Er trieb sich schon seit Stunden hier herum. Zuerst hatte ihm Samy Gesellschaft geleistet. Eine Weile hatte er mit einem der Kellner gezockt, und jetzt erklärte er seinem Gegenüber die besten Kasinotricks. Hauptsache er musste keine Zeit allein mit sich und seinen Gedanken verbringen.
„Gut“, lobte er. „Dann achte immer darauf, dass höchstens zwei Kartensets im Schlitten liegen. So behältst du besser den Überblick. Ab vier Sets wird es schwieriger.“ Eifrig notierte Tony sich die Tipps in seinem Smartphone. „Und spiel besser nicht bei deinen Bossen im Laden“, fügte Dan an.
„Das ist der beste Job, den ich je hatte“, sagte Tony und lachte. „Den setze ich sicher nicht aufs Spiel, weil ich in den Kasinos meiner Chefs mit Tricks erwischt werde.“
„Lass es beim Zählen und alles ist gut. Schnell denken zu können, ist nicht verboten.“
„Daniel?“ Eine der Köchinnen stand in der Tür und rief nach ihm. Dan sah auf. „Du sollst nach oben kommen. In den dritten Stock und dich bei den Bossen melden.“
Tony grinste breit. „Viel Spaß“, sagte er freundlich, ohne anzüglich zu wirken. „Ich arbeite erst nächste Woche wieder. Kommst du dann auf eine Partie Poker runter?“
Zögerlich stand Dan auf. Ein ungewohntes Schamgefühl gärte in seinem Magen. Jeder im Aufenthaltsraum hatte die Anweisung gehört und er folgte ihr wie ein Hündchen. Und für genau das hielten sie ihn sicher. Für den Schoßhund der Bosse. Mit betonter Langsamkeit zog er sein Handy aus der Hosentasche, gab Tony seine Nummer.
„Texte einfach, wenn du spielen willst“, sagte er und sah sich um. Aber die übrigen Anwesenden waren in ihre Telefone vertieft, lasen oder dösten. Niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit. „Wie lange geht deine Schicht heute noch? Vielleicht habe ich gleich Zeit?“
Jetzt lächelte Tony. „Mein Feierabend hat vor zwei Stunden begonnen“, sagte er und Dan schluckte. Wieso wollten hier so viele Menschen Zeit mit ihm verbringen. Samy hatte eine Stunde Pause und die hatte sie mit ihm durchgeplaudert. Tony hatte doch eine Freundin und lebte noch bei seiner Familie. Dann hatte er wirklich mit Dan reden wollen und sich nicht einfach vor der Arbeit gedrückt? Fassungslos schüttelte Dan den Kopf. In dem Leben, das da draußen noch irgendwo auf ihn wartete, war ihm das kaum passiert. Selten hatte er lange genug an einem Ort verbracht, um Freunde oder gute Bekannte zu finden. Und sein Misstrauensmonster erlaubte ihm keine Freundschaften. Am Ende nutzte dich jeder aus, wollte etwas von dir. Nichts im Leben gab es umsonst.
„Sie warten auf dich, oder?“, fragte Tony vorsichtig.
„Und? Sollen sie“, gab Dan genervt zurück. „Bin ich hier das Hündchen, oder was?“
Erschrocken nahm Tony den Kopf zurück. „Familie“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du gehörst zur Familie.“
„Hm?“ Dan verstand kein Wort.
„Bevor du eingezogen bist, haben sie ein Memo rundgeschickt. Wir sollen dich als Teil der Familie ansehen.“ Tonys dunkle Augen wanderten nervös hin und her. „Ich dachte, du bist ein Neffe oder Cousin, etwas in der Art.“
Familie? Wo sollte er die denn herzaubern? „Und sie lassen einen Cousin in ihrem Zimmer schlafen?“, fragte er verwirrt.
„Was weiß ich denn?“ Tony hob erneut eine Schulter. „Bei mir zuhause ist es immer voll. Geschwister, Neffen, Cousins und Cousinen. Jeder schläft da, wo er ein Bett findet.“
In einer riesigen Villa ist Platz nicht das Problem. Irritiert schüttelte Dan den Kopf. „Okay, bis nächste Woche dann. Ich hoffe, du findest an deinen freien Tagen immer ein Bett“, sagte er und lächelte Tony an.
„Ich penne bei meinem Mädchen. Da ist es ruhiger“, sagte der und zwinkerte ihm zu.
Mit langsamen Schritten verließ Dan den Angestelltentrakt, nahm den Aufzug nach oben. Familie? Sie hatten wohl nicht sagen wollen, dass sie gerne Daddys spielten. Er grinste. Etwas in der Art musste es sein.
Ohne anzuklopfen betrat Dan das Schlafzimmer, streifte seine Sneakers ab und stieg im Laufen aus seiner Jogginghose, das T-Shirt zog er über den Kopf und feuerte es in Richtung eines Stuhls, verfehlte ihn nur knapp. Schließlich ließ er sich vornüber auf das Bettende fallen.
„Ihre Gnaden haben geläutet?“, fragte er in die Matratze hinein. Gleich würde Gus ihn belehren und zwingen, seine Kleidung aufzuheben. Auch gut. Etwas in Dan entspannte sich, als würde eine Last von ihm abfallen. Er drehte den Kopf.
Gus saß auf dem Bett, sah ihn über sein Laptop hinweg an. Aber nichts in seinem Blick wirkte ungehalten. Eher besorgt. Lance saß in seiner Pyjamahose am Schreibtisch neben dem Bett und stand gerade auf. Wortlos hob er Dans Kleidung auf, legte sie auf den Stuhl und kam zu ihnen.
Er stieg auf das Bett und kniete sich so, dass Dan zwischen seinen Beinen lag. Schließlich legte er Dan eine Hand zwischen die Schulterblätter, strich sanft über sein Rückgrat.
„Ah, endlich“, brummte Dan erfreut. Sie hatten also doch noch Interesse an ihm. Da beugte Lance sich vor, küsste eine Spur über Dans Rücken und hakte die Finger in seine Unterhose. Willig hob Dan das Becken an. Schon streifte Lance seine Unterwäsche ab.
„Nicht so schlimm, wie wir dachten“, murmelte er. „Richard hat nicht gelogen. Die Spuren werden in zwei Tagen verschwunden sein.“
Dan stöhnte. „Hat der alte Sadist nichts Besseres zu tun, als gleich zu euch zu rennen und alles zu erzählen?“
Gus reichte Lance ein Döschen und mit einem Mal breitete sich angenehme Kühle über Dans Hinterbacken aus. Lance massierte ihn mit sanftem Druck.
„Richard berichtet uns jeden Tag in einer Videokonferenz über deine Fortschritte, erklärte Gus und klappte endgültig den Laptop zu. „Heute waren wir nicht erfreut“, sagte er betroffen. „Diese Art der Züchtigung ist nicht das, was wir uns unter Disziplin vorstellen.“ Er atmete tief ein und aus. „Niemand darf dir weh tun.“
„Niemand außer euch?“, fragte Dan und blinzelte Gus an.
Der hielt seinem Blick stand. „Hat einer von uns dir jemals tatsächlich Schmerzen zugefügt? Gegen deinen ausdrücklichen Willen?“
Dan überlegte. Das Spanking im Gästehaus hatte sich schnell in eine der heißesten Aktionen seines Lebens entwickelt. Das Gefühl ausgeliefert zu sein und doch zu wissen, dass man sicher war. Er genoss es fast jede Nacht. Nie war es, als wollten sie ihm wirklich weh tun. Vielmehr brachten sie ihn für diese wenigen Momente dazu, seine Abwehr herunterzufahren. Wenn er sich einfach treiben ließ und Gus und Lance das Ruder übergab, dann fühlte er sich für einen Wimpernschlag wirklich frei.
„Nein“, sagte er langsam und schloss die Augen. Lance‘ Lippen, seine rauen Stoppeln und sein unwiderstehlicher Geruch, all das war plötzlich ganz nah. Lance küsste ihn auf die Stirn, die Wange, die geschlossenen Lippen und strich ihm durchs Haar.
„Heute ist dein Filmtag. Such dir etwas aus“, raunte er ihm ins Ohr.
Film? Sie wollten keinen Sex? Schon wieder nicht? Dan knurrte leise. Aber Lance strich ihm schon wieder über den Rücken, so sanft, dass es kaum aushaltbar war. Er schmiegte seine Lippen in Dans Nacken, küsste ihn wieder und wieder.
„Er wird dir nicht mehr weh tun“, versicherte er unter dem nächsten Kuss.
Dan bewegte die Schultern, seine Rückenmuskeln zuckten. So dominant sie auftraten, so zärtlich konnten diese beiden sein. Aber heute bestanden sie quasi aus Zucker. Wenn sie ihn beim Sex küssten, sanft berührten, kein Problem. Oder im Halbschlaf, wenn er es kaum bemerkte. Aber jetzt? Wie einen kranken Kater versorgten sie ihn, bis sie ihn ins Tierheim brachten. Bilder stiegen in seinem Kopf auf.
Plötzlich war er wieder in dieser verdammten Garage, alberte mit dem Nachbarsjungen herum. Dreizehn war er gewesen und seit über einem Jahr auf einer neuen Pflegestelle. Die Leute waren ultrareligiös gewesen, rannten ständig in ihre Kirche und Versammlungen. Sie gehörten einer dieser Gemeinschaften an, die die Bibel wörtlich nahm. Ansonsten war es eine nette Familie. Niemand trank, nahm Drogen und sie nahmen Pflegekinder nicht auf, um Geld vom Staat zu kassieren. Es gab vier leibliche Kinder, alle älter als Dan. Er war so etwas wie der kleine Prinz gewesen und für so viel Freundlichkeit hatte er sogar Bibelstudien betrieben. Seine Noten in der Schule hatten sich zusehends verbessert. Der Pflegevater sprach davon, dass Dan einen Abschluss bekommen könnte, vielleicht aufs College gehen würde. Bis zu diesem Tag, den Dan jetzt wie ein Film vor seinen Augen sah.
***
„Hey, lass das. Das Zeug gehört Martin“, rief Dan, während Fischer, der hübsche Nachbarsjunge mit den schwarzen Haaren und den schönen grünen Augen, nach alten Zeitschriften in einer Kiste fischte.
Aber da hatte Fischer schon eine herausgezogen, öffnete sie. Homosexualität ist eine Schande vor dem Herrn , las er vor, als würde er auf einer Kanzel stehen.
„Komm lass. Leg sie zurück“, bat Dan und sein Herz klopfte laut. Martin, sein Pflegevater, glaubte so etwas fest. Dan hatte im Heim schon Erfahrungen mit Jungs und Mädchen gemacht. Aber das musste Martin nicht wissen.
„Ich glaube das nicht“, sagte Fischer überzeugt und sah ihn an. „Meine Mutter hat eine Freundin, die ist mit einer Frau verheiratet. Sie sagt, Martin spinnt.“
„Von mir aus“, brummte Dan und sah schon den reich gedeckten Abendbrottisch vor seinem inneren Auge. Wie viel man für regelmäßiges Essen und ein bisschen Aufmerksamkeit aushalten konnte, würde Fischer nicht verstehen. Seine alleinerziehende Mutter war Zahnärztin und sie wohnten im größten Haus in der Straße.
„Glaubst du etwa so einen Scheiß?“, fragte Fischer skeptisch.
Dan hob die Hände, wollte erzählen, was er wirklich dachte und was er alles schon erlebt hatte. Aber Fischer hielt sich für so erwachsen, warum ihn aus seinen Träumen reißen. „Leg sie einfach weg und lass uns ein paar Körbe werfen.“
Aber Fischer lehnte sich gegen den Wagen, las weiter und lachte ab und zu. Endlich warf er das Magazin achtlos zurück in die Kiste, schlenderte zu Dan und blieb vor ihm stehen.
„Wetten, dass ich dich küssen kann, ohne dass Gott mich mit einem Blitz erschlägt?“, fragte er und zeigte ein hinreißendes Lachen.
Dan drehte sich weg, schüttelte den Kopf. Da griff Fischer ihn am Arm und Dan erwachte aus diesem vernebelten Traum, als eine größere und stärkere Hand seinen Oberarm umfasste. Woher war Martin nur gekommen? Wieso musste er sie genau in diesem Moment beobachten? Er riss Dan fort, schleppte ihn ins Wohnzimmer und begann zu brüllen.
„Einen schmutzigen Gottlosen dulde ich nicht im Haus! Du wirst in der Hölle braten!“
***
Die Bilder verblassten unter Lance‘ liebevollen Berührungen. Aber Martins Gebrüll klang noch in Dans Ohr. Die Tracht Prügel hatte er kommen sehen, noch bevor Martin seinen Gürtel ausgezogen hatte. Und sie war ihm egal. Einer mehr, der ihn schlug. Aber der Verlust eines Zuhauses, der hatte so tief in ihm weh getan, dass er die Erinnerung bis heute nicht aushielt. Martin hatte ihn an einem Heim abgesetzt, sich bei der Leitung beschwert und war weggefahren. Wie ein Möbelstück hatte er Dan entsorgt.
Dan war nicht in dieses Heim gezogen. Er war einfach daran vorbeigelaufen, hatte nicht angehalten. Und dann hatte er zum ersten Mal geklaut. Den Geldbeutel eines Mannes in einem Supermarkt. Der hatte einfach in der Hosentasche gesteckt. Von dem Geld hatte er sich ein Busticket gekauft und im Bus erneut gestohlen. Nie mehr würde er sich auf Freundlichkeit verlassen. Martin und seine Familie hatten ihn freundlich aufgenommen, so getan, als würden sie ihn akzeptieren und als gehöre er dazu. Aber man kannte nur sich selbst gut. Andere lebten nach ihren eigenen Regeln und wenn man die verletzte, wurde man verletzt.
„Nicht“, hörte Dan sich sagen und bewegte sich von Lance‘ Händen fort. Er wollte aufstehen, in sein eigenes Zimmer gehen. Stattdessen schob er sich über die Matratze bis zum Bettende, lehnte sich dagegen und zog die Beine an. Es waren nicht Richards Schläge, vor denen er sich fürchtete. Es waren die liebevollen Hände und Lippen von Gus und Lance, die ihm Angst machten.
Plötzlich fühlten sich seine Wangen feucht an. Dan fasste in sein Gesicht. Er heulte! Stumm und unbemerkt. So eine Scheiße. Neun Jahre lang hatte er nicht geflennt. Aber hier brach er bei jedem idiotischen Gedanken zusammen.
Gus strich ihm mit der Rückseite seiner Hand die Tränen fort, aber sie liefen einfach weiter. Er schob Dan nach unten, bis er mit dem Kopf in Gus‘ Schoß lag, strich ihm übers Haar.
„Im College habe ich mal vor der ganzen Mannschaft geheult“, sagte Gus leise. „Ich war verdammt gut und wollte gewinnen. Aber je besser wir spielten, desto seltener wollte der Coach mich einsetzen. Ständig saß ich auf der Bank.“ Dan lauschte und langsam versiegte der verdammte Tränenstrom. „Ich war so wütend. Wenn ich nicht bald spielen würde, könnten sie mir das Stipendium abnehmen, dachte ich. Meine Mutter hat sieben Kinder alleine aufgezogen. Mit dem Gehalt einer Kassiererin und Putzfrau.“ Im ruhigen Rhythmus strich er über Dans Kopf, ließ ab und zu eine Strähne durch seine Finger wandern.
„Warum durftest du nicht spielen, wenn du gut warst?“, fragte Dan verwundert und blinzelte zu Gus. „War der Coach so ein blöder White Power Typ?“
Gus schüttelte den Kopf. „Vielleicht. Aber im Basketball braucht er damit nicht zu kommen“, sagte er mit einem Grinsen. „Ich hatte mich kurz davor geoutet und versteckte meine Beziehung nicht. Ein schwuler Sportler, das war vor zwanzig Jahren noch nicht erwünscht.“
Dan nickte, was wohl aus Fischer geworden war? Der hatte europäischen Fußball gespielt und war auch ziemlich gut gewesen. „Gott bestraft dich nicht. Die Menschen tun es“, brummte er seine Erkenntnis gegen Gus‘ trainierten Bauch. Der seufzte nur. „Was hast du getan? Gegen den Coach?“, fragte Dan stattdessen.
„Für den Rest des Semesters saß ich auf der Bank. So konnte ich besser lernen. Mit dem nächsten Stipendium bin ich nach Berkley gewechselt, eine sehr liberale Uni. Dort habe ich so gelebt, wie ich es für richtig hielt.“ Gus lachte leise, strich Dan eine Strähne aus der Stirn. „Es klingt so, als hätte ich alles allein geschafft, ja?“ Dan nickte nur. „Falsch“, sagte Gus. „Ich hatte einen tollen Coach in der Highschool, der mir zu dem ersten Stipendium verholfen hat. Eine Mutter, die uns alle dazu anhielt durchzuhalten, die mir zugehört hat und für mich da war. Geschwister, Freunde. Niemand ist eine Insel.“
Dan schloss die Augen erneut. Gus und Lance waren vielleicht keine Inseln, aber er blieb ein einsamer Schwimmer im Meer. Er schmiegte seine Wange näher an Gus‘ Oberschenkel. „Seid ihr etwa wegen mir früher nach Hause gekommen?“
„Deinetwegen, ja“, sagte Lance und legte ihm eine Hand auf den Rücken.
Dan sank tiefer in das Gefühl von Sicherheit. Nicht allzu weit, denn sie konnten jederzeit ihre Meinung ändern. Aber solange er nur ruhig zwischen den beiden Männern lag, war er doch sicher?
Die beiden flüsterten schon wieder miteinander. Die feinen Härchen in Dans Nacken stellten sich auf. Hatten sie doch einen Fehler an ihm entdeckt? Oder änderten sie gerade ihre Regeln?
„Richard hat uns heute die Zusage für die Party gegeben“, erklärte Lance etwas, das Dan schon wusste.
„Hm“, brummte er nur.
„Wir haben noch nicht bestätigt“, sagte Gus.
Erstaunt öffnete Dan die Lider, sah nach oben. „Fuck. Ihr hechelt seit Wochen hinter dieser Gelegenheit her und jetzt zögert ihr?“ Er schnaufte. „Wie seid ihr beiden eigentlich reich geworden?“
„Jedenfalls nicht mit unbedachten Handlungen“, erklärte Lance.
„Wir wollten zuerst mit dir darüber sprechen“, fügte Gus an.
„Mit mir?“ Dan riss die Augen auf. „Was hat die Party mit mir zu tun?“
„Viel“, sagte Gus ernst. „Die Location hat die Zustimmung des Komitees erhalten. Eine Voraussetzung war, dass wir einen Ronin einladen, der schweigen kann.“
„Schon klar, dass ihr drei duzend Bottoms an jeder Ecke findet. Ihr wollt mich, weil ich euch Stillschweigen schulde. Aber ihr habt mich doch.“
„Deine Vorbereitung war Teil des Deals. Deine Teilnahme bestimmst du selbst“, erwiderte Gus ruhig.
Die Gedanken in Dans Kopf tanzten eine wilde Polka. „Oh nein“, sagte er mit gespielter Entrüstung. „Werden mir Männer an den Arsch fassen?“ Er lachte, ohne sich aufzurichten. „Wo muss ich unterschreiben?“
„Dan, uns sind Zweifel gekommen, nachdem Richard sagte, dass du dich nicht gewehrt hast. Er sieht es als Zeichen deiner Anpassung. Uns hat es Angst gemacht“, sagte Gus.
Unter einem Stöhnen rollte Dan mit den Augen. Dann wurde er ganz still und schließlich überkam ihm Erleichterung darüber, dass er in Gus‘ Schoß und mit dem Rücken an Lance‘ Brust lag. Sie hatten recht! Verfluchte Scheiße, was war das gewesen? Als Richard den Stock ausgepackt hatte, war er einfach versteinert. Dabei hätte er nur gehen müssen. Er hatte Gus und Lance‘ Handynummern gespeichert, hätte sie nur anrufen müssen. Stattdessen hatte ihn das Monster gezwungen, sich züchtigen zu lassen. So lange wartete er schon auf eine richtige Bestrafung, nicht die Art von Erlösung durch Aufgabe, welche die beiden ihm verschafften.
„Und was hat das mit der Party zu tun“, sagte er leise und mit trockener Stimme.
„Das House of Paradise bietet Vergnügungsevents an – für alle Teilnehmer“, erzählte Lance, der inzwischen neben seinem Mann am Bettende lehnte, die Beine ausgestreckt, sodass Dan immer noch sicher eingerahmt lag. „Bottoms zu finden ist einfach. Subs, die auf sich achten können, nicht. Du hast uns unter anderem angezogen, weil du so ein Freigeist bist.“
„Ihr wollt mich doch verarschen“, murmelte Dan verstört. Aber so waren die Menschen eben. Einmal beugte er sich den Regeln und dann war auch das falsch. Erneut wollte er aufstehen, einfach weggehen. Er blieb liegen. Nicht aus Trotz, nicht aus Angst. Auf der Welt gab es in diesem Augenblick keinen anderen Ort, an dem er hätte sein wollen, außer in diesem Bett, mit diesen Männern. Den Jungs, denen er es auch nicht hatte recht machen können. Sollten sie ihn doch rauswerfen.
„Du willst frei sein, das respektieren wir. Wenn wir diese Party veranstalten, wirst du ein Ronin-Armband bekommen und jeder sieht, dass du zu niemandem gehörst. Du wirst auf dich selbst aufpassen müssen“, sagte Lance eindringlich.
„Kannst du das?“, fragte Gus.
„Lebe ich noch?“, fragte Dan unter einem Lachen. „Natürlich kann ich auf mich aufpassen.“ Er atmete durch. „Seit Wochen trainiere ich, langweile mich durch die Stunden mit Richard, übe wie man korrekt spricht - und ihr wollt die verdammte Party absagen, weil ich ein paar Schläge eingesteckt habe?“ Dan gab ein abschätziges Geräusch von sich. „Leute, macht mich gefälligst nicht heiß und lasst mich dann am langen Arm verhungern. Ich will diese Party erleben!“. Er griff nach Gus Hand, die auf seiner Wange lag, küsste sie ohne nachzudenken. Wie lächerlich. Aber heute war ein alberner Tag. „Vertraut mir endlich.“
„Vertrau du uns endlich“, sagte Gus und strich mit einem Finger über Dans Lippen. „Gut“, sagte er schließlich. „Die House of Paradise Party wird stattfinden, mit dir als neuem Ronin“, verkündete er und Dan atmete erleichtert aus. Die Neugier hüpfte fröhlich in seiner Brust. „Denk immer daran, wir sind für dich da, wenn du es willst.“
Bis ihr entscheidet, dass es besser ist, wenn ihr nicht mehr für mich da seid, schon klar. Dan nickte, ließ Gus‘ Hand nicht los. Lance rutschte auf die Matratze, schob seinen Arm um Dans Mitte, ließ die Hand auf seinem Bauch ruhen.
Gus schaltete einen von Dans Liebingsanimes ein. Dan drehte sich erst nach zehn Minuten um, um den Fernseher zu sehen, schlief bald darauf.