Kapitel 15 Lance
Wie ein hübscher Junge vom Land, der gerade im Heu eingeschlafen ist.
Während er seinen Blick über Dans Gesicht gleiten ließ, musste Lance unwillkürlich lächeln. Frisch und unschuldig sah Dan in diesem Moment aus. Nicht wie der traumatisierte Junge, der sich so rücksichtslos in ein Sexabenteuer stürzte. Wieso hatte er zugestimmt, dass sie Poppers nutzten? Wahrscheinlich hatte er loslassen wollen und war dabei abgestürzt. Lance‘ Magen krampfte sich zusammen.
Aber jetzt lag Dan hier, sicher und beschützt. Gleichmäßig hob und senkte sich seine Brust im Rhythmus des Schlafes.
Gus räusperte sich leise, hob den Kopf an und sah über Dans Schulter. Dann deutete er mit dem Kinn in Richtung Kopfende und Lance verstand. So vorsichtig wie möglich schoben sie sich ein Stück weit nach oben. Doch die Bewegung des Bettes war offensichtlich zu heftig gewesen. Ruhelos zuckte Dan zwischen ihnen, um gleich darauf wieder regungslos dazuliegen. Lance seufzte und sah Gus eindringlich in die Augen.
Er blinzelte und zeigte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, bevor er sprach. "Ich weiß. Er soll bei uns bleiben."
Lance atmete tief ein und aus. Es war nicht zu verleugnen, niemand auf der Welt kannte ihn so gut wie Gus. Mutete er seinem Mann mit Daniel vielleicht zu viel zu? Zweifel krochen durch seinen Kopf. "Ja, wenn du es ebenfalls willst", gab er zu. „Da ist diese sonderbare Nähe zu ihm in mir und ich will ihn beschützen, am meisten vor sich selbst. Ihn gestern zitternd in dieser verdammten Sex-Schaukel zu sehen war ein Schock. Wir hätten die Kerle gleich rauswerfen sollen.“
"Jack hat mit ihnen geredet. Sie sind für die nächste Party gesperrt und haben Zeit nachzudenken. Sie kommen auf die Bewährungsliste. Larry ist schon lange dabei. Er müsste wissen, dass man niemals jemandem ins Gesicht schlägt und dass wir keine Drogen auf der Party dulden. Und er hätte aufmerksamer sein müssen. Dan wollte mit ihnen spielen, so viel ist klar. Und er hat dem Poppers zugestimmt. Aber irgendwann hat er seine Meinung geändert.“ Gus flüsterte, aber die Worte hallten in Lance' Kopf. „Und muss lernen, dass er in einer Aktion laut nein sagen darf. Er verliert sich zu schnell im Augenblick. Wie damals bei Richard. Dan kämpft gegen alle Windmühlen, aber wenn er wirklich Gegenwehr zeigen muss, zieht er sich in sich zurück.“
Lance nickte abwesend. Dan so hilflos zu sehen, war wirklich schrecklich gewesen. Nur mit Mühe hatte er seinen Schutzreflex unterdrücken können und war nicht auf die Männer losgegangen.
"Nun?" Lance wusste nicht, auf welche Antwort er hoffte.
Gus schien einen Moment zu überlegen. "Ist nicht längst klar, dass er hierbleiben kann, wenn er das möchte? Lance, ich mag den Jungen doch auch. Du weißt das. Aber Liebling, glaubst du, wir beide genügen, um Vertrauen und Ruhe in ihn hineinzulieben?"
Lance schluckte trocken. Bisher hatten sie es noch nie so deutlich ausgesprochen. Lieben? Das Wort wanderte durch seinen Kopf, drehte sich, löste sich auf und setzte sich wieder zusammen. Zurück blieb ein warmes Gefühl von Wahrheit. Dan hatte doch nur eine Lektion erhalten sollen und mit ihr ein paar Manieren, etwas Wissen. Aber jetzt?
Ja. Daniel gehört zu ihnen! Er musste nicht mehr in ihrem Leben einziehen. Er war längst angekommen. Er musste nur bleiben wollen.
"Es wird am Ende seine Entscheidung sein", flüsterte Lance in die morgendliche Stille des Schlafzimmers.
"Entscheiden? Mann, ich will nichts mehr entscheiden!" Verschlafen blinzelte Dan nach oben. Fragend wanderte sein Blick zwischen ihnen hin- und her. Noch einmal nickten sie sich zu. Ja, dachte Lance, dies war der Moment.
"Guten Morgen, Daniel. Wie fühlst du dich?", fragte er und beugte den Kopf etwas nach unten, in einen zärtlichen Kuss. Dan lächelte schief und küsste ihn mit weichen Lippen. Dann drehte er den Kopf mit einem erwartungsvollen Blick zu Gus. Der grinste und küsste ihn ebenfalls auf den Mund. „Wie geht es dir?“
Sie schoben sich beide wieder nach unten, um mit Dan auf Augenhöhe zu sein. Vertraut ließ Lance seine Hand über Dans Rücken bis zu seinem strammen Hintern gleiten und ließ sie dort ruhen. Warm und vertraut fühlte sich die Haut unter seinen Fingern an.
Dan legte seinen Kopf gegen Gus breite Brust. „Besser. War wirklich nett von euch, mir zu helfen!“, flüsterte er mit brüchiger Stimme.
„Jederzeit, Baby.“ Gus‘ Lippen berührten Dans Haar in einem weiteren zärtlichen Kuss. Dans Gesichtszüge verhärteten sich.
„Schwer auszuhalten?“, äußerte Lance seine Vermutung. Dan schloss die Augen und nickte zögerlich. Mit den Fingern einer Hand strich Lance ihm sanft über die Wange. „Ich weiß. Lass es einfach zu, okay? Wir haben dich beide sehr gerne und wir lassen dich nicht fallen.“ Dan atmete schwer und schwieg. Lance räusperte sich. Ja, dieser Zeitpunkt war so gut wie jeder andere. „Liebling, hör mal. Jake ist kurz davor, den Handel mit dem Polizeispitzel klarzumachen. Dann solltest du wieder halbwegs sicher sein. Er hat sich auch gleich um weitere Delikte von dir gekümmert.“
„Danke“, war alles, was Dan dazu sagte. Seine Augen waren immer noch geschlossen. Im Schlafzimmer roch es nach drei Männern, Schweiß und nach Hoffnung.
„Schon gut.“ Lance blinzelte liebevoll zu Dan. „Wenn diese Sache endlich aus der Welt geschafft ist, nun, wenn du möchtest, dann kannst du hierbleiben. Du kannst eines der Gästezimmer haben, oder du wohnst bei uns im Schlafzimmer. Es liegt an dir.“
"Hierbleiben? Als euer Boytoy, oder was? Jungs, was soll das schon wieder? Ehrlich, ich habe das Ganze noch nie verstanden. Ihr seid doch zwei ansehnliche Kerle und schwimmt im Geld. Na ja, und ihr seid schon ziemlich coole Männer, das muss ich euch lassen. Warum besorgt ihr euch keinen erstklassigen Callboy, wenn ihr Spaß haben wollt? Die schönsten Jungs aus den Tanztrupps der Hotels würden euch Gesellschaft leisten, da bin ich mir sicher. Warum ich?"
Lance seufzte enttäuscht und legte den Kopf zurück auf sein Kissen. Eine Frage brannte schmerzhaft in seinem Kopf. "Sind wir für dich nur Kunden?"
Dan riss die Augen auf. Fast schon vorwurfsvoll sah er Lance an. Endlich schüttelte er stumm den Kopf. Erleichtert beugte Lance den Kopf nach vorne und küsste ihn auf die Wange. "Und du bist für uns kein Boytoy.“, flüsterte er in Dans Ohr. „Bleib hier, Baby! Als unser Dauergast oder unser Partner. Wie du möchtest."
Oh nein. War das Entsetzen auf Dans Gesicht? Die Aussicht, ein Zuhause zu haben, gleich zu zwei Menschen zu gehören, erschreckte ihn so sehr?
Dan schnaufte leise. "Ihr zwei Spinner könntet wirklich mal anfangen, mit mir zu reden, anstatt immer anzunehmen, dass ich eure Spielchen durchschaue."
"Und unser Angebot?"
"Diese Partnersache." Er verzog den Mund, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen. Dann zuckte er mit den Schultern. "Ich
denke darüber nach." Die Worte kamen lässig und beiläufig aus seinem Mund, aber Dan schmiegte sich noch enger mit dem Rücken gegen Gus und wie zufällig glitt seine Hand über Lance‘ nackten Bauch. Er atmete ruhig und wirkte entspannter als in all den Wochen zuvor.
Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. Lance fühlte Hoffnung in sich aufsteigen. Verdammt, er konnte diesen Jungen einfach nicht mehr gehen lassen. Nicht zurückgehen lassen in ein Leben voller Gefahren und Kriminalität, das unweigerlich im Knast enden würde. Nicht in ein brutales Leben, das weit weg von ihnen stattfand.
Sanft strich Gus durch Dans Haar. "Baby, du warst bisher wirklich ein hartes Stück Arbeit, aber jetzt schauen wir erst mal, dass wir dich am Knast vorbei und nicht hinein bekommen. Der Rest klärt sich schon." Lance lächelte als er sah, wie Gus sich zu Dan beugte und seine Lippen über Dans Rücken gleiten ließ. "Aber ich schätze, du denkst jede Hand, die man dir reicht, ist die, die dich im nächsten Moment einsperrt, hm?", murmelte er gegen Dans nackte Haut.
Dan schien weit weg zu sein. Unter einem leisen Seufzen schloss er die Augen, genoss sichtlich Gus‘ Lippen, die ihn jetzt zärtlich im Nacken küssten und schwieg.