Kapitel 11

Während Otis auf dem Sofa schlief, tranken wir den Prosecco und aßen übrig gebliebene, in der Mikrowelle aufgewärmte Makkaroni mit Käse. Angelas Wohnung war winzig – ein Wohnzimmer mit einer Küchennische an einem Ende, ein klitzekleines Badezimmer, zu dem ein Flur klein wie ein Hasenstall führte, und ein Schlafzimmer mit zwei zusammengeschobenen Einzelbetten – eins für sie, eins für Otis. Ich war ein bisschen schockiert, aber sie versicherte mir, das sei für Londoner Verhältnisse ziemlich gut. Dann erzählte sie mir von ihrer Freundin Felicity und ihrem schrecklichen Mann.

»Sie hat ihn bei der Arbeit kennengelernt – sie ist Journalistin wie ich, aber wesentlich kritischer. Hat über den Klimawandel geschrieben, über die Rettung der Wale und so. Irgendwann hat sie einen Geschäftsmann zu irgendeiner Kampagne interviewt, es ging wohl um Bäume, die gefällt werden sollten. Er hat sie gefragt, ob sie mit ihm ausgehen will, und den Rest können Sie sich denken. Sechs Monate später sind sie verheiratet, und sie hat einen Braten in der Röhre.«

Angela kratzte einen Löffel Käsesauce aus der Schüssel und fuhr fort: »Nach der Hochzeit hat er sich verändert. Es fing schleichend an, mit Bemerkungen über ihr Aussehen und so. Sie war nur noch Haut und Knochen, als er begann, sie zu schlagen. Er ist sehr vorsichtig, und wenn man mit ihm spricht, würde man nie Verdacht schöpfen. Aber ich hab die blauen Flecken gesehen.«

»Warum hat sie ihn nicht früher verlassen?«

»Wegen der Kinder, schätze ich. Obwohl man meinen sollte, dass sie eher ein Grund mehr wären, zu gehen. Aber sie wusste auch nicht, wohin. Er droht ihr, sagt, dass sie die Kinder verliert – und sie glaubt ihm, weil er sie jahrelang fertiggemacht hat. Sie hat seit Ewigkeiten nicht gearbeitet und kein eigenes Geld. Aber ich versuche schon seit Monaten, sie zu überzeugen, und letzte Woche hat sie endlich zugestimmt, aber erst nachdem er sie fast krankenhausreif geschlagen hat, das Schwein.«

Ich trank einen Schluck Wein. »Wo sind sie jetzt?«, fragte ich, obwohl ich nicht ganz sicher war, ob ich es wissen wollte.

»In einem Frauenhaus. Wir versuchen sie dazu zu bringen, ihn anzuzeigen. Aber wenigstens ist sie schon mal da raus. Und dank Ihnen kann sie, wenn sie ihr Leben wieder einigermaßen auf die Reihe gekriegt hat, Bob zurückhaben. Sie liebt diesen Hund wirklich.« Angela beugte sich vor und kraulte Bob, die darauf wartete, dass etwas für sie abfiel. Angela erklärte mir, ich dürfe ihr auf keinen Fall etwas vom Tisch geben, das würde sie nur zum Betteln ermutigen. Man müsse sie zwei Mal täglich füttern, zwei Mal mit ihr Gassi gehen und sie regelmäßig bürsten, damit ihr Fell nicht verfilzte. Dann sei da die Entwurmung und die Antizeckenbehandlung, die Zahnpflege und Gott weiß was noch. Ich fing schon an, meine Entscheidung zu bereuen, aber im nächsten Moment dachte ich an Felicitys Blutergüsse und an meine Hintertür, und ich beschloss, das Beste daraus zu machen.

Als ich meine Tasche nahm und den Mantel anzog, spitzte Bob die Ohren und rannte aufgeregt herum. Ihre plötzliche Begeisterung war irritierend.

»Sehen Sie? Sie will mit«, bemerkte Angela, die jetzt auf dem Sofa saß, ihren Prosecco austrank und den schlafenden Otis streichelte.

»Tja, ich gehe aber nicht mehr mit ihr spazieren oder so, nur zurück nach Hause«, sagte ich und leinte sie an.

»Kann sein, dass sie auf dem Heimweg noch mal muss«, warnte mich Angela. »Oh, da fällt mir was ein.« Sie sprang auf, ging in ihre winzige Küchenzeile, wühlte in einer Schublade, und dann hielt sie triumphierend eine Verpackung hoch. »Hundehäufchenbeutel! Die werden Sie brauchen.«

Das war meiner Meinung nach der bisher abschreckendste Aspekt davon, einen Hund zu haben. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich damit zurechtkommen sollte, aber ich nahm die Beutel entgegen und steckte sie in die Manteltasche.

»Tja, dann gehe ich mal. Ähm, danke schön«, sagte ich ziemlich steif und machte mich auf den Weg zur Tür.

Angela kam zu mir und legte mir die Hand auf die Schulter. »Nein. Ich danke Ihnen. Sie haben etwas Großartiges getan. Ich verspreche Ihnen, es wird Ihnen gefallen. Es gibt eine Menge Leute, die mit ihren Hunden im Park spazieren gehen, und sie sind echt nett. Ich stelle sie Ihnen gern vor.«

Vorsichtig hielt ich auf dem Nachhauseweg Bobs Leine und ging meine kleine Sorgenliste durch – was, wenn sie wegrannte? Würde sie mich umwerfen? Wie sollte ich sie zurückhalten? Und dann die verwirrende Anzahl von Nahrungsmitteln, die für Hunde giftig waren und die man unbedingt von ihnen fernhalten musste: Schokolade, Trauben, Zwiebeln – was sonst noch? Alles giftig, wie der See im Park. Bei dem Gedanken an Angelas Angebot war ich mir nicht sicher, ob ich mit den Gassigehern dort in Kontakt kommen wollte. Ich hatte sie gesehen, und sie kamen mir ein bisschen exzentrisch vor, gerieten ständig in Streit mit Fahrradfahrern, Eltern und so ziemlich jedem anderen, der ihr Haustier nicht so sehr zu schätzen wusste wie sie selbst. Aber jetzt hatte ich eine Entscheidung getroffen, also musste ich damit zurechtkommen. Zumindest war Bob preiswerter als eine Alarmanlage. Vielleicht sogar die bessere Gesellschaft.

Wir kamen zu Hause an, und ich schloss die Tür auf, lauschte nach Eindringlingen. Bob begann sofort, schwanzwedelnd im Haus herumzuschnüffeln, es auszukundschaften. Ich ging in die Küche, kochte mir Tee und nahm ihn mit ins Wohnzimmer, wo ich die Hündin eingerollt auf dem Sofa vorfand. Angela hatte aber gesagt, sie dürfe nicht auf die Möbel, und ich hatte nicht die Absicht, ihr solche schlechten Angewohnheiten durchgehen zu lassen.

»Runter!«, sagte ich streng, hielt einen Finger hoch und kam mir vor wie die Hundetrainerin Barbara Woodhouse. Bob starrte mich an und kratzte sich mit einem Hinterbein hinter dem Ohr.

Sie hatte wahrscheinlich Flöhe. Ich ging zum Sofa und gab ihr einen Stoß. Eine Sekunde lang wehrte sie sich, dann kippte sie in einem Gewirr aus Beinen vom Sofa. Schnell kam sie wieder hoch, gewann ihr Gleichgewicht und ihre Würde zurück, schlich zu Leos Sessel und beäugte mich vorsichtig. Sie brauchte natürlich einen Ort, wo sie sich hinlegen konnte. Ich sah mich im Zimmer um, aber es gab keine Teppiche, und so opferte ich meinen Sofaüberwurf und legte ihn vor dem Kamin auf den Boden. Sie stellte sich darauf, drehte sich im Kreis, bevor sie sich mit einem übertriebenen Seufzer niederließ. Schade, dass kein Feuer brannte.

Ich nahm Mels Buch in die Hand, las eine Weile und schaute nur gelegentlich nach Bob, die sich auf die Seite gelegt hatte und schnarchte; ihre Nase und ihre abgespreizten Beine zuckten heftig. Es war seltsam einschläfernd, und nach und nach sank das Buch in meinen Schoß, und ich döste ein.

Ich erwachte von einem lauten, ausgiebigen Gähnen vor dem Kamin und stellte fest, dass es schon nach Mitternacht war. Bob beobachtete mich mit schief gelegtem Kopf. Dann gähnte sie erneut.

Mit steifen Gelenken schlurfte ich zur Tür, drehte mich noch einmal um und betrachtete sie auf ihrem improvisierten Bett.

»Tja, dann gute Nacht. Bleib.« Bobs Schwanz klopfte auf den Boden.

Ich schleppte mich nach oben und machte mich bettfertig, aber gerade als ich das Licht ausmachen wollte, hörte ich das Klicken von Krallen, und eine Sekunde später tauchte ihr Kopf in der Tür auf.

So war das nicht geplant. Sie sollte unten bleiben und Eindringlinge abwehren, nicht in meinem Schlafzimmer herumlungern. »Nein!«, sagte ich bestimmt und führte sie wieder nach unten. Sie folgte mir schwanzwedelnd, dann setzte sie sich im Wohnzimmer erwartungsvoll hin, während ich überlegte, was ich tun sollte. Am Ende zog ich zwei Stühle aus dem Esszimmer zur Treppe und errichtete am unteren Absatz eine Art Barriere. Vielleicht sollte ich so ein Absperrgitter für Kleinkinder kaufen. Noch mehr Kosten.

Ich ging wieder ins Schlafzimmer, schloss die Tür und lauschte, ob Bob winselte oder kratzte, hörte aber nichts. Angela hatte gesagt, sie sei ein braver Hund. Man musste nur konsequent sein. Ich schlief ein, während ich darüber nachdachte, wo wir am nächsten Tag spazieren gehen sollten und ob wir vielleicht Otis begegneten. Er konnte ein Stöckchen für Bob werfen, und sie würde natürlich vor dem Spielplatz warten müssen, wenn er schaukeln wollte.

Ich schlief tief und fest, und als ich am nächsten Morgen erwachte, fielen mir zwei Dinge auf. Erstens: Bob lag laut schnarchend zusammengerollt am Fußende meines Bettes – die Decke mit Hundehaaren übersät, die Tür zu meinem Schlafzimmer geschlossen. Und zweitens: Zum ersten Mal in meinem Leben, seit Fa-Fa uns die Geschichte von dem Serienmörder erzählt hatte, der im Schrank versteckt Kinderlieder gesungen hatte, bevor er seine Opfer aufschlitzte, hatte ich nicht die Schränke kontrolliert, bevor ich ins Bett gegangen war.

Cave canem. Hüte dich vor dem Hund.