Als ich am nächsten Morgen mit Bob im Park spazieren ging, fühlte ich mich unbehaglich und geradezu wie eine Hochstaplerin. Der Hund, der mir auf den Fersen folgte, schien nicht zu mir zu passen, und ich hatte Sorge, die Passanten, die uns begegneten, könnten denken, ich hätte ihn gestohlen oder dass wir lächerlich zusammen aussahen – wie ein ziegenbärtiger alter Mann und seine sexy junge Freundin.
Bob war so ein lebhaftes, natürliches Wesen, wie sie, scheinbar lächelnd, zu mir aufschaute, hierhin und dorthin rannte, um an Laternenpfählen zu schnüffeln, auf Pflanzen zu urinieren oder sich zu kratzen. Hundebesitzer sehen ihren Tieren ja angeblich ähnlich, und in meiner Vorstellung wäre mein Hund eine Art Wolfshund gewesen – groß, grau und misstrauisch. Kein so munter dahintänzelndes Tier mit herbstlicher Färbung und verschmitzten Seitenblicken. Sie war die Art von Hund, die Alicia Stewart besessen hätte. Alicia, Leos glamouröse erste Liebe, die ebenfalls durchs Leben tänzelte und erwartete, dass alle sich nach ihr richteten.
Nichtsdestotrotz erinnerte ich mich an Angelas Vorträge darüber, wie wichtig genügend Auslauf für einen Hund war, und so drehten wir im Park pflichtbewusst unsere Runde. Die Luft war jetzt wärmer, Narzissen schoben sich durch den mittlerweile getrockneten Frühjahrsmatsch. Als ich einmal den Kopf hob, entdeckte ich zierliche Blüten an den Bäumen – eine kurze, aber wunderschöne Phase in dieser Jahreszeit. In Japan repräsentiert die Sakura – die Zeit der Kirschblüte – die Vergänglichkeit des Lebens; dort werden ihr zu Ehren Festivals veranstaltet, die der Beobachtung des Aufblühens gewidmet sind. Die Blüten sind zart, zerbrechlich und kurzlebig, was einem die Unausweichlichkeit des eigenen Todes bewusst macht.
Meine Grübeleien wurden von Bob unterbrochen, die winselnd an der Leine zerrte und mich in immer neue Richtungen zog. Auf unserem Zickzackkurs durch den Park kam uns ein anderer Hundebesitzer entgegen. Mir waren weder er noch seine Hunde allzu sympathisch, und so machte ich diskret einen Riesenbogen um sie. Die Hunde waren Boxer, keine Rasse, die ich besonders gut fand (falls es überhaupt eine gab, die ich gut fand), und ihr Besitzer sah selbst ein bisschen aus wie ein Faustkämpfer – mit rasiertem Kopf, Knollennase, Armeejacke mit hochgeschlagenem Kragen und eingehüllt in eine Wolke von Zigarettenrauch. Aber natürlich entwickelte Bob mit ihrer eigenwilligen Art ein großes Interesse an seinen Hunden, zog mich zu ihnen hinüber, rannte um sie herum und warf sich schließlich auf den Rücken. Ich zog gereizt an der Leine. »Komm!«
»Sie will los.«
»Wie bitte?« Typisch, mein erster Spaziergang mit einem Hund, und ich musste einem wildfremden Schlägertypen begegnen und von ihm in ein Gespräch verwickelt werden.
»Sie will los. Von der Leine.« Er nahm die Zigarette mit seinen Wurstfingern, deren Nägel schwarz waren, aus dem Mund und deutete damit auf Bob. »Sie will spielen.« Er hatte einen ausgeprägten Akzent – Newcastle oder so ähnlich.
Ich sah Bob an, die jetzt wieder herumsprang und kläffte. »Aber was, wenn sie wegläuft?«
»Macht sie nicht.« Er steckte die Zigarette wieder in den Mund. »Und wenn doch, kommt sie garantiert zurück.«
Widerstrebend ließ ich Bob von der Leine, woraufhin sie sofort wie wild mit den Boxern herumzutoben begann. Sämtliche Zähne wurden gebleckt, aber alle schienen ihren Spaß zu haben, und wenigstens bekam Bob ein bisschen Bewegung.
Ich beobachtete das Spektakel, mein Gefährte zog weiter an seiner Zigarette. Dann sah er mich an.
»Wie heißt sie?«
»Äh, Bob«, erwiderte ich. Anscheinend war es üblich, dass Hundebesitzer höflich Small Talk machten, eine zahmere Imitation der Interaktion ihrer Hunde. »Und Ihre?«
»Das da ist Badger, das da Barker«, sagte er und deutete nacheinander auf die Hunde, die ich, ähnlich wie Sylvies, nicht auseinanderhalten konnte. »Bob ist doch ein Jungenname«, bemerkte er dann und streifte auf dem Deckel eines Abfalleimers die Asche ab.
»Er kommt aus Blackadder«, bemerkte ich, in der Hoffnung, es nicht näher erläutern zu müssen.
Der Mann runzelte kurz die Stirn, dann schmunzelte er. »Japp. Guter Name für ’nen Hund.« Ich war kurz geschmeichelt, als wäre es mein Einfall gewesen.
Die Hunde legten eine Verschnaufpause ein, und ich nahm das als Stichwort, leinte Bob wieder an und wollte gerade sagen: »War schön, Sie kennenzulernen …« Aber die Worte erstarben mir auf den Lippen, denn Bob suchte sich genau diesen Moment aus, um sich ungraziös hinzuhocken und dem Ruf der Natur zu folgen. Das war der Moment, den ich gefürchtet hatte. Ich würde tätig werden müssen – und das auch noch unter Beobachtung eines wildfremden Mannes.
Ich wühlte in meinen Taschen auf der Suche nach den Beuteln, fischte einen heraus, holte tief Luft und bückte mich, um zur Tat zu schreiten. Der Geruch war widerlich, das Häufchen dampfte leicht in der Frühlingsluft. Wie benutzte man so etwas? Sollte ich es über den Boden ziehen oder das Häufchen mit einem Stock hineinbugsieren? Hin und her überlegend, atmete ich aus Versehen ein und musste sofort würgen. Es war schrecklich. Ich würde Bob zu Angela zurückbringen, dann kam sie eben in ein Tierheim. Ich würde wieder meine Schränke kontrollieren, und vielleicht konnte ich das Geld für die Alarmanlage irgendwie zusammensparen. Der Beutel fiel mir aus der zitternden Hand.
»Kann man helfen?« Der Fremde hockte sich neben mich, nahm die Tüte, zog sie über die Finger wie eine Handpuppe, beugte sich vor und hob die Extremente mit einer geschickten Bewegung auf. Erneut musste ich würgen. Er verknotete den Beutel und überreichte ihn mir mit einer galanten Verbeugung wie ein Geschenk. Angewidert und verlegen nahm ich ihn mit spitzen Fingern an.
»Ihr erstes Mal, nehm ich an?«
»Ja«, antwortete ich und warf das grässliche Ding in eine in der Nähe stehende Mülltonne. »Sie ist … nicht mein Hund. Ich passe nur auf sie auf. Danke für … für …«
»Schon gut«, sagte er, schnippte mit den Fingern, und seine Hunde waren sofort an seiner Seite. Ziemlich beeindruckend. »Ich heiß übrigens Denzil. Vielleicht treffen wir uns mal wieder, falls Sie noch mal Hilfe brauchen. Aber mit der Zeit fällt es einem leichter.« Er winkte mit der Zigarette in der Hand und schlenderte davon. Seine Hunde sprangen um ihn herum. Ich sah ihm einen Moment lang nach und kämpfte gegen den Drang an, ihn zurückzurufen, für den Fall, dass Bob beschloss, sich noch einmal zu entleeren.
Dann drehte ich mich um, und sie stand eifrig schwanzwedelnd vor mir, als wollte sie sagen: »Und was machen wir jetzt?«
Aber ich hatte fürs Erste genug. Sie hatte ihren Spaziergang gehabt, ihr ekliges Geschäft verrichtet und mich blamiert. Wir konnten guten Gewissens nach Hause gehen und uns ein bisschen ausruhen, bis ich es später am Tag noch einmal tun musste. Und wieder und wieder und wieder, bis Fix sie zurücknahm oder ich das Zeitliche segnete.
Mit der Zeit wird es leichter, hatte der Mann gesagt. So war es doch bei allen Dingen, oder? Zumindest meistens.