»Und das Ende vom Lied ist, ich habe mir den Etat angesehen, und ich fürchte, es reicht einfach nicht. Dein Gehalt für diesen Monat erhältst du natürlich noch, und ich hoffe, du kommst bis zum letzten Tag, aber ich kann verstehen, wenn du das unter diesen Umständen nicht willst … Es tut mir wirklich leid.«
Anfangs hatte ich ihr gar nicht zugehört, so beschäftigt war ich damit, meine neue Frisur in der abgedunkelten Fensterscheibe neben dem Empfang zu bewundern. Aber nach und nach fiel mir Deirdres bekümmerter Gesichtsausdruck auf und die Art, wie sie die Hände im Schoß verschränkt hielt, so wie Jette damals im Keller. Lyō. Lösen, losbinden. Sie entbanden mich von meinen Pflichten. Ich merkte, wie unangenehm es Deirdre war, und versicherte ihr, ich würde es verstehen, es wäre absolut in Ordnung, und ich wüsste es durchaus zu schätzen, dass ich dann wieder etwas mehr Zeit für mich hatte. Anschließend nahm ich meine Tasche und ging, bevor sie mein langes Gesicht sehen konnte.
Als ich den ersten Schock überwunden hatte, versuchte ich, das Ganze positiv zu betrachten. Das zusätzliche Geld war mir zwar sehr willkommen gewesen, aber es war nicht so, als hätte ich sonst nichts zu tun gehabt – ich kümmerte mich weiterhin um Otis, um meine Freunde und natürlich um Bobby. Es gab so viel, wofür ich dankbar war. Ich traf mich mit Angela zum Mittagessen, sie reagierte erzürnt über meine Neuigkeit und setzte zu einer ihrer Lieblingstiraden über Etatkürzungen an, während ich in meinem Salat herumstocherte, optimistisch zu bleiben versuchte und mein Armband bewunderte. Es glänzte in den Strahlen der Frühlingssonne, die durch das Fenster unseres Cafés fielen.
»Wie auch immer, du könntest dir einen neuen Job besorgen«, schloss Angela, klappte ihr Sandwich auf und entfernte systematisch alle Gurkenstücke.
Mit der Gabel auf halbem Weg zum Mund hielt ich inne. »Doch nicht in meinem Alter! Du lieber Himmel, ich bin achtzig Jahre alt. Wer sucht sich mit achtzig noch einen Job?«
»Wer bekommt einen mit neunundsiebzig? Du hast es schon einmal geschafft, und jetzt kennst du dieses Dingsbums-Computerprogramm. Von wegen, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!«, verkündete Angela, den Mund voller Pommes.
Ich lachte. »Ich glaube, ich kümmere mich trotzdem nur noch um Bobby und Otis.«
»Tja, da gibt es auch eine Neuigkeit …« Eine Pommes fiel auf den Boden, und Angela bückte sich, um sie aufzuheben. Trotzdem sah ich den schuldbewussten Ausdruck, der über ihr Gesicht huschte. »Ich habe es geschafft, Otis nachmittags im Hort unterzubringen. Er hat ständig rumgejammert, weil alle seine Freunde auch da sind, und es wurde gerade ein Platz frei.« Sie setzte sich wieder aufrecht hin. »Dadurch gewinne ich mehr Zeit, ich hab ja jetzt mehr zu tun. Er geht nächste Woche zum ersten Mal hin. Dann muss ich dich auch nicht mehr so oft belästigen.« Angela plapperte immer weiter und wich meinem Blick aus, aber als sie endlich den Kopf hob, merkte ich, dass ich sie nicht ansehen konnte und stattdessen auf der Suche nach Oliven den Rucola auf meinem Teller herumschob.
»Oh, das ist schön. Macht ihm bestimmt Spaß, mit seinen Freunden zusammen zu sein.« Sie hatte recht, er würde garantiert nicht für ewig mit einer alten Schachtel wie mir aus Zweigen Häuser für Käfer bauen wollen. Ich hatte also an einem einzigen Vormittag die Bibliothek und Otis verloren. Mir blieb nur noch Bobby.
»Du kannst ihn weiterhin an den Wochenenden sehen«, bot Angela an. »Und in den Schulferien natürlich auch.«
Ach, ja. Die Ferien. Ich fand ein letztes, in Dressing getränktes Stück Hähnchenfleisch und spießte es mit der Gabel auf.
»Apropos«, fuhr sie fort, »hat Sylvie dir schon erzählt, dass sie den Sommer über nach Frankreich fährt?«
Sofort waren die Befürchtungen wieder da. »Den ganzen Sommer?«
»Ja, ihre Mutter muss operiert werden, und sie will sich danach um sie kümmern, ihr im Haushalt helfen.« Angela berührte über den Tisch hinweg meine Hand, aber es war einfach zu viel für mich, und ich zog sie weg und wischte mir den Mund mit der Serviette ab.
»Ich dachte, ihr Bruder lebt auch in Frankreich?«
»Schon, aber anscheinend hat er zu viel zu tun. Typisch.«
»Oje, ihre arme Mutter.« Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil meine erste Sorge meinem eigenen Verlust gegolten hatte, und weil ich neidisch war auf diese Unbekannte, die Sylvie einfach so zu sich zitieren und einen ganzen sonnigen Sommer lang bei sich behalten konnte. Wenn ich operiert werden müsste – würde Melanie kommen und mich pflegen? Natürlich, und Octavia vermutlich auch. Wir waren weit gekommen, seit meine Mutter für Frauenrechte marschiert war, aber wir übernahmen immer noch die gesamte Pflegearbeit.
Die Bibliothek, Otis und Sylvie. Ich spürte, wie mein Kartenhaus ins Wanken geriet, befingerte nervös das Perlenarmband und erinnerte mich an meine Neujahrsvorsätze. Angela rauchte immer noch nicht. Und es schien ihr viel besser zu gehen, worüber ich sehr froh war. Sie hatte ein glückliches Leben verdient, keins, das von Reue getrübt wurde.
Ich ging nach Hause, hauptsächlich, um Bobbys überschwängliche Begrüßung zu genießen – sie brauchte mich, und ich brauchte die Erinnerung daran, dass jemand mich brauchte. Aber statt grübelnd zu Hause herumzusitzen, beschloss ich, spazieren zu gehen, damit wir beide an die frische Luft kamen.
Wie ferngesteuert ging ich auf Sylvies Haus zu, wo sie gerade eifrig die Büsche in ihrem Vorgarten zurechtstutzte. Als sie uns sah, hielt sie inne und strahlte.
»Missy! Wie schön, komm doch auf einen Kaffee herein. Ich habe gerade trotz der Knappheit einen Zucchinikuchen gebacken.«
»Und was ist mit Aphra?« Ich umfasste Bobbys Leine fester.
»Keine Sorge, die ist irgendwo unterwegs und massakriert kleine Tiere.« Sylvie legte die Gartenschere auf die Eingangstreppe und führte mich ins Haus, wo wir von Decca und Nancy begrüßt wurden. Sie verschwanden mit Bobby, um irgendwelchen Blödsinn anzustellen, und ließen uns in der Küche allein, die wie üblich nach tausend Köstlichkeiten roch.
Ein riesiger, mit Zuckerguss überzogener und mit winzigen Zitronenschalenstückchen bestreuter Biskuitkuchen thronte auf der Kücheninsel. Sylvie nahm einen silbernen Tortenheber und schnitt ein großes Stück ab, das sie mir auf einem Teller und mit einem Löffel servierte. »Lass es dir schmecken.« Eine Weile lang saßen wir schweigend da und bestaunten ehrfürchtig den Kuchen. Jeder Bissen wanderte durch meinen Mund wie eine Spielautomatenkugel und wurde von jeder Geschmacksknospe ausgiebig genossen. Die Zitronenschalenstückchen verliehen dem süßen Zuckerguss einen Hauch von Säure und mehr Biss. Sylvie war wirklich ein Genie, sie verwandelte alles, was sie anfasste, in Ambrosia. Ich bemerkte, dass Bobby sich wieder zu uns gesellt hatte und sabbernd zu meinen Füßen saß. Normalerweise hätte ich ihr ein Stück abgegeben, aber der Kuchen war einfach zu köstlich.
»Lieber Himmel, bin ich gut«, sagte Sylvie, leckte den Löffel ab und lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzen zurück. Ich nickte, den Mund immer noch voller Kuchen. Bobby kratzte an meinem Bein, aber ich schüttelte den Kopf und kaute und genoss weiter, bis sie wieder zu Nancy zurücklief und mir dabei einen vernichtenden Blick zuwarf.
»Und, was gibt’s Neues?« Sylvie goss mir aus einer Stempelkanne eine Tasse Kaffee ein und schob sie mir hin.
»Ich habe die Stelle in der Bibliothek verloren«, murmelte ich und kratzte die letzten Kuchenreste vom Teller.
Überrascht riss sie den Mund auf. »Nein! Warum denn, um Himmels willen?«
»Etatkürzungen. Es tat Deirdre wirklich leid.«
»Merde. Armes Ding, bist du sehr traurig?«
»Ja, ein bisschen schon.« Ich schwieg kurz. »Es fehlt mir, gebraucht zu werden.«
Sylvie beäugte mich über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg. »Hm. Wo wir gerade dabei sind – es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen wollte. Letzte Woche habe ich Desiderata Haber getroffen …«
»Ach, die Habers sind so reizend miteinander. Ihr armer Sohn.«
»Ja, der arme Sam, wird hoffnungslos von seinen liebenden und immer noch ineinander verliebten Eltern verwöhnt«, scherzte Sylvie und brachte unsere Teller zum Geschirrspüler. Mit dem Rücken zu mir sagte sie: »Wie auch immer, wir sind ins Plaudern gekommen, und Desi hat gesagt … ich meine, sie hat erwähnt – ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich danach frage …«
»Was denn?« Ich erspähte noch einen Kuchenkrümel auf dem Tisch und pickte ihn mit dem Finger auf.
»Warum hast du mir das mit Leo nie erzählt? Ich hatte ja keine Ahnung!«
Ich hörte die Hunde im Wohnzimmer herumrennen, man vernahm leises Knurren und Jaulen, vermutlich waren sie bei einer ihrer kleinen Raufereien. Der Kuchenkrümel fiel mir vom Finger, und ich starrte ihn an, während ich gegen eine wachsende Übelkeit ankämpfte und der Geruch des Zuckergusses mir jetzt unangenehm süß in die Nase stieg. Ich hatte zu viel gegessen. Ich spürte, dass Sylvie mich beobachtete, und riskierte einen Seitenblick. Sie sah besorgt aus, den Tortenheber in der einen, ein Geschirrtuch in der anderen Hand. Ich schwieg immer noch.
»Missy, ich wollte nicht zu neugierig sein. Es tut mir nur … so leid.«
»Das braucht es nicht. Ist schon gut. Ich … ich muss jetzt los. Ich habe versprochen, heute Nachmittag mit Otis auf den Spielplatz zu gehen.« Ich stieg mühsam von dem Barhocker, stolperte und suchte kopflos nach meiner Tasche und Bobbys Leine. »Danke für den Kuchen, er war köstlich. Du musst mir bei Gelegenheit mal das Rezept geben.« Ich plapperte immer weiter, musste da raus, bevor ich mich noch mehr blamierte. Als Bobby das Klimpern ihrer Leine hörte, kam sie in die Küche gelaufen und schnüffelte. Mit zitternden Händen leinte ich sie an.
»Oje, tut mir so leid, ich wollte doch nur … Bitte, geh nicht.«
»Ich muss.« Eine Träne fiel und verschwand in Bobbys dichtem Fell. Mit gesenktem Kopf ging ich durch den Flur zur Tür, ließ Sylvie und ihr Mitleid hinter mir.
»Ich hätte nicht danach fragen sollen«, hörte ich sie sagen. »Aber ich wollte einfach wissen … wenn du je darüber sprechen willst …«
»Ja, natürlich«, sagte ich. »Jetzt muss ich aber wirklich gehen.« Ich riss die Tür auf und spürte, wie mir die Galle hochkam. Ich zog Bobby hinter mir her, und wir stolperten die Treppe hinunter und zwischen den sorgfältig gestutzten Büschen hindurch. Als ich hörte, wie die Tür hinter mir zufiel, würgte ich und zerrte erneut an Bobbys Leine. Wir schafften es um die Ecke, bevor ich in hohem Bogen die gelbe Kuchencreme auf den Gehweg erbrach. Bobby schnüffelte vorsichtig daran und sah wachsam und neugierig zu mir auf.
»Keine Sorge«, keuchte ich und hielt mich an einem Gartenzaun fest. »In ein paar Minuten geht’s mir wieder gut.«
Ich würgte noch ein paarmal. Dann, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand die entwürdigende Szene mitbekommen hatte, bedeckte ich das Erbrochene mit ein paar Blättern. Gleich darauf entdeckte Bobby ihren Lieblingsplatz und hockte sich prompt hin, um ihr Geschäft zu verrichten, und ich musste erneut würgen. Ich spürte Schweißperlen auf meiner Stirn, und meine Beine zitterten. Als ich langsam nach Hause taumelte, klingelte mein Handy.
»Hör zu, das mit deinem Job und dem Hort tut mir echt leid«, sagte Angela, als ich ranging. »Ich wollte dich eigentlich nicht fragen, weil Kindergeburtstage so verdammt schrecklich sind, aber würdest du am Sonntag zu Otis’ Geburtstag kommen? Du musst nichts tun, nur mit mir rumhängen, Prosecco trinken und dir anhören, wie die Kinder die Ballons platzen lassen. Und vielleicht möchtest du ja gern zuschauen, wie er seine Torte bekommt.«
Ich dachte an Sylvies Kuchen, der so makellos auf der Kücheninsel gestanden hatte, dann an den widerlichen gelben Brei auf dem Gehsteig.
»Liebend gern«, krächzte ich. »Danke für die Einladung.«
»Kein Problem. Auch wenn du mir am Sonntag bestimmt nicht mehr danken wirst, weil du die kleinen Scheißer am Hals hast. Ich schreibe dir noch die Details.« Sie legte auf, ich steckte mein Handy wieder in die Tasche und versuchte mich auf die einzige Sache zu konzentrieren, auf die ich mich freuen konnte – und den Geist auszutreiben, den Sylvie geweckt hatte. Wenn ich das schaffte, würden die bösen Vorahnungen, die mich in letzter Zeit quälten, vielleicht endlich verschwinden. Ich war sicher, Sylvie würde Leo nicht noch mal erwähnen, und wir konnten einfach vergessen, dass es passiert war. Manchmal war es einfach besser, nicht an etwas zu denken – wie Rechnungen, Anrufe oder Streit –, weil man sich dadurch alles vom Leib halten konnte, vielleicht sogar auf unbestimmte Zeit. Wenn ich noch eine Weile durchhalten konnte, würde sicher alles besser werden, und ich konnte wieder vergessen.