Eine Woche nachdem man uns Leos Diagnose mitgeteilt hatte, beschlossen wir, uns ein Feuerwerk anzusehen.
Wir hatten die Tage im Haus verbracht, Leo in seinem Arbeitszimmer, ich im Wohnzimmer; manchmal lungerte ich auch im Flur herum, wo meine Hand über dem Türknauf zu seinem Zimmer verharrte, weil ich hineingehen wollte, aber nicht genau wusste, was ich sagen sollte. Ich hörte, dass er hin und her ging, Papiere und Bücher umräumte, etwas von Bach auflegte und manchmal auch – schrecklicherweise – weinte. Da hätte ich ins Zimmer treten sollen, aber mir fehlten die Worte, um ihn zu trösten, denn das Gefühl der Leere überwältigte auch mich. Was sollte man zu einem Mann sagen, mit dem man seit über fünfzig Jahren verheiratet war und der von dieser schrecklichen Krankheit unbarmherzig zerfressen wurde? Und so putzte ich die Küche, kochte herzhafte Eintöpfe, deren Duft sich im ganzen Haus ausbreitete, die ihn jedoch nicht aus seinem Zimmer locken konnten.
So vieles zwischen uns blieb ungesagt. Während ich wie besessen sauber machte und kochte, hallten die Worte in meinem Kopf wider, kämpften darum, ausgesprochen zu werden. Aber ich wusste, es würde nicht gehen, und ich schluckte sie hinunter, so wie ich es immer getan hatte. Als ich den Briefkasten quietschen hörte, ging ich, um die Post zu holen, sie irgendwohin zu stopfen, sie loszuwerden. Der Lokalanzeiger lag auf dem Fußabtreter, und ich hob ihn auf, um ihn sofort zum Altpapier zu bringen. Doch dann setzte ich mich auf einen Stuhl am Küchentisch und blätterte darin. Das emsige, banale Treiben im Stadtteil beruhigte mich vorübergehend – irgendwo ereiferte sich jemand über Schulkinder, die vor einem Schwimmbad herumlungerten; jemand anders plädierte für zusätzliche Straßenlaternen in einem Wohngebiet; ein weiterer Artikel beklagte den Mangel an Mülltonnen für Hundekotbeutel. Das Leben ging weiter, auch wenn in unserer Welt alles stillstand.
Eine Anwohnervereinigung veranstaltete auf einem nahe gelegenen Platz ein Feuerwerk. Als wir noch in Cambridge gewohnt hatten, waren wir zu dem Feuerwerk auf dem Midsummer Common gegangen, und ich erinnerte mich, wie ich mich an Leos beruhigend massigen Körper gelehnt hatte, als wir in der schneidend kalten Luft nach oben blickten und unser Atem sich mischte. Es war ein ermutigendes Bild, an dem man sich festhalten und dem man vielleicht neues Leben einhauchen konnte. Also brachte ich die Zeitung in sein Arbeitszimmer und fand ihn am Schreibtisch sitzend, das Gesicht in die Hände gelegt. Als er aufschaute, sah er hoffnungsloser aus denn je. Ich hätte ihn am liebsten in die Arme genommen, die Falten der Verzweiflung geglättet und sein zerfallendes Ich mit Muttern und Bolzen gesichert. Stattdessen hielt ich ihm die Zeitung vor die Nase und sagte: »Da sollten wir hingehen.«
»Immer vorwärts, vorwärts«, antwortete er, wie so oft. Nur dass die Reihenfolge diesmal nicht stimmte. Ich verkniff mir eine Grimasse.
Am Abend, an dem das Feuerwerk stattfinden sollte, gingen wir zu dem Platz, mit langsamen Schritten, um nicht auf dem Laubteppich auf dem Gehsteig auszurutschen. Schließlich nahm Leo meinen Arm; ich weiß nicht, ob er es tat, damit ich nicht stürzte oder damit er nicht stürzte. »Ein schöner Abend«, sagte er. Ich sah zu dem schmalen Sichelmond auf, der am schwarzen Himmel leuchtete und der, wie Leo, immer mehr schwand, bis er nur noch ein schmaler Lichtstreifen sein würde. Bald war es zu spät. All die ungesagten Dinge zwischen uns.
Als wir ankamen, stellten wir fest, dass sich fast die gesamte Nachbarschaft eingefunden hatte und jetzt mit Plastikbechern voll Punsch auf dem Platz herumschwirrte. Einige hatten Wunderkerzen dabei, andere Leuchtstäbe, die in der Dunkelheit tanzten. Ich konnte Hotdogs, Rauch und Karamell riechen und war dankbar für diesen Angriff auf meine Sinne. Dieselben Gerüche, dieselben Traditionen, dieselben Erwartungen, Jahr für Jahr. Etwas, an dem man sich festhalten konnte, wenn einem alles andere entglitt.
So wie wir es viele Jahre lang getan hatten – als frisch verheiratetes Liebespaar, als gestresste junge Eltern umgeben von schreienden Kindern und jetzt, als älteres Ehepaar, das Ruhe vor dem Sturm der Diagnose suchte –, lehnten wir uns aneinander und schauten zum Himmel auf, als das Knallen und Krachen begann. Und wie so oft gab ich mich mit offenem Mund dem kindlichen Vergnügen hin, diese ganz speziellen strahlenden Sterne zu bestaunen, die aufleuchteten, als Funken niederregneten und wieder verblassten. Das Zischen, das sie begleitete, hallte auf dem gesamten Platz wider.
Und als mein Herz im Gleichklang mit den Detonationen zu klopfen begann, spürte ich, wie ein Dämon sich darin einnistete. Das Feuer und die Unmittelbarkeit des Augenblicks. So viel Ungesagtes. Ich konnte es nicht mehr ertragen, das Wichtigste, das, was ich all die Jahre in mir getragen hatte, weiterhin für mich zu behalten. Plötzlich schien es zwingend erforderlich, das Unsagbare zu sagen, bevor es zu spät war. Mein Mund öffnete sich – blieb nur noch, es auszusprechen. Sprich es aus. Bertie.
Sein Name stieg immer wieder auf, blieb mir in der Kehle stecken. Die Beine wurden mir weich. Ich spürte Leo hinter mir und drehte mich halb um, weil ich ihn anschauen wollte, um zu prüfen, ob es tatsächlich der richtige Moment war. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, den Blick auf das flackernde Schauspiel am Himmel gerichtet, und er sah so sehr aus wie jener Leo in jungen Jahren, der gegangen war, ohne etwas von dem Trümmerhaufen zu ahnen, den er hinterließ, dass ich erneut vor dem Abgrund zurückscheute.
Nach zwanzig Minuten war es vorbei. Das Feuerwerk, und mein kurzer Moment des Wahnsinns. Die Vorführung endete mit einer Salve aus Krachen, Knallen und Pfeifen, einem Chor aus begeisterten Rufen und einem letzten Trommelfeuer aus blendend hellen Funken. Leo nahm erneut meinen Arm, und wortlos machten wir uns auf den Heimweg, während anderswo, vielleicht in privaten Gärten, noch Feuerwerkskörper zischten und knallten. Die Nachwirkungen des Umstands, dass ich es ihm beinahe gebeichtet hätte, und der Lärm der Raketen erinnerten mich an die Nächte im Keller mit Fa-Fa, voller Nervenkitzel und Entsetzen, Licht und Dunkelheit, Sicherheit und Gefahr, Fiktion und Realität, die sich mischten und miteinander verschmolzen, bis man das eine nicht mehr vom anderen unterscheiden konnte.
Zu Hause angekommen, blieben wir vor dem Vorgarten stehen, genossen die eisige Stille und die Vorfreude auf das warme Haus, aber als Leo die Hand ausstreckte, um das Tor zu öffnen, platzte ich heraus: »Ich muss dir etwas sagen.«
Seine Hand verharrte auf halbem Weg, und in dem Bruchteil einer Sekunde, bevor er sich umdrehte, spürte ich, dass er wusste, was kommen würde. Die Frage hing unausgesprochen zwischen uns in der Luft, aber ich war jetzt zu weit gegangen, um noch umzukehren, und fuhr fort: »Ich war damals schwanger. Zumindest für eine Weile.«
Sein Gesicht wirkte verschlossen, wie ein für die Ferien verbarrikadiertes Haus. Ich stammelte: »1956. Du warst gegangen. Und ich … habe es zuerst nicht bemerkt.«
Er nahm die Hand herunter, sagte aber immer noch nichts. »Ich war völlig verängstigt. Du weißt, wie es damals war. Und ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen. Also habe ich nichts gesagt. Und als du zurückgekommen bist …«
Seine Augen sahen in der Dunkelheit aus wie Schlitze, Bruchstücke von Sichelmonden. »Und was ist daraus geworden?«
Ich hatte zwar den Sprung in die Tiefe gewagt, aber jetzt standen wir vor einem noch tieferen Abgrund. Ich schluckte. »Ich … wir … haben es wegmachen lassen. Mama und ich. In dem Sommer, nachdem wir zum ersten Mal … Ich dachte, du hättest mich für immer verlassen.«
Er presste sich Daumen und Zeigefinger gegen die Nasenwurzel, während er die Informationen zu verdauen versuchte.
»Warum erzählst du mir das jetzt?«, fragte er und hob resigniert die Schultern.
»Es … es tut mir leid«, stotterte ich. »Ich musste es dir erzählen. Bevor … bevor es zu spät ist.« Ich weinte jetzt, drehte meinen Schal in den Händen. »Ich habe ihn Bertie genannt«, flüsterte ich. »Ich werde es nie vergessen. Oder mir verzeihen. Aber ich hatte das Gefühl, dass du es wissen musst.«
»Bevor ich auch nicht mehr da bin?«, gab er zurück. »Schönes Abschiedsgeschenk.« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als wollte er den Gedanken daran auslöschen.
»Entschuldige«, schluchzte ich. »Es hat mich zerrissen! Dass ich es getan habe. Und dass ich dir nichts davon erzählt habe. Ich will nicht, dass jetzt noch irgendwelche Geheimnisse zwischen uns stehen. Es tut mir leid. Ich … ich liebe dich.«
Das Böllern, das um uns herum weitergegangen war, verstummte abrupt, und es herrschte Stille; nur mein stoßweiser Atem war zu hören. Leo hatte die Augen geschlossen. Dann seufzte er, und es war, als würde eine große Eiche das letzte Herbstlaub abschütteln. »Es tut mir leid«, sagte er und sah mich schließlich an. »Es ist nur … ich muss es erst verdauen. Und ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Was du von mir erwartest.«
Ich streckte die Hand aus. »Ich weiß auch nicht, was ich von dir erwarte. Ich weiß nur, dass ich es dir erzählen musste.«
Die Knallerei ging jetzt weiter. Nach kurzem Zögern nahm Leo meine Hand. »Das zwischen uns war nie das große Feuerwerk, oder, Missy?«, sagte er, fast wie zu sich selbst. »Es ging immer nur darum, sich zu Hause zu fühlen.« Ich nickte, wagte es nicht, etwas zu sagen. Er drückte meine Finger. »Komm, gehen wir rein und gönnen uns etwas Heißes zu trinken. Ich kann hier draußen nicht klar denken.«
Wir traten ins Haus, stampften mit den Füßen auf und rieben uns die Arme, nachdem wir die Mäntel ausgezogen hatten. Leo stellte in der Küche heißes Wasser auf, und ich ging, um etwas zu tun zu haben, ins Wohnzimmer zum Kamin, knüllte Zeitungspapier als Anzünder zusammen und schichtete ordentlich das Brennholz auf, als könnte ich durch die sorgfältige Positionierung der Scheite überall wieder Ordnung schaffen. Das Feuer flammte gerade auf, als Leo mit zwei dampfenden Tassen ins Zimmer kam. Er stellte sie auf dem Beistelltisch neben dem Sofa ab. Dann schob er mich beiseite, ließ sich steif auf die Knie sinken, kümmerte sich um das Feuer und hielt anschließend die faltigen Hände vor die lodernden Flammen. Pranken, wie die von Fa-Fa.
Ich erhob mich ebenso steif, ging zum Sofa, nahm mein Getränk und beobachtete, wie er mit dem Schüreisen hantierte und ein Holzscheit nachlegte. Danach stand er auf und rieb sich die Hände. »Dann machen wir es uns mal gemütlich.«
Er ließ sich neben mir auf dem Sofa nieder, und wir saßen für eine Weile im Feuerschein und nippten an unserem Kakao. Wir waren geborgen in unserem Kokon. Schließlich trank Leo die Tasse aus und wandte sich mir mit erwartungsvollem Blick zu. »Nun, Missy? Was wolltest du mir denn erzählen?«
Eine Böllersalve begleitete den Schlag. Ich tat so, als würde ich an meinem Kakao nippen, obwohl die Tasse mittlerweile leer war. So viel Ungesagtes. Und Gesagtes. Und schließlich wieder Ungesagtes. Verbitterung und Scham stiegen in mir auf, als ich in das lodernde Feuer starrte, die Tränen zurückdrängte und Leo schließlich mit einem schiefen Lächeln ansah.
»Nichts, Liebling«, sagte ich und gab erneut vor, Kakao zu trinken. »Rein gar nichts.«