An Heiligabend
zum Essen auszugehen - es war eine Tradition in meiner Familie, während ich aufwuchs, und ich behielt sie bei, auch wenn sie nicht mehr nah genug waren, um sich mir anzuschließen. Es gab ein paar Jahre, in denen mein damaliger Freund mitgekommen war, und ein paar Jahre, in denen es zu intim war, den Typen zu fragen, den ich irgendwie datete, aber größtenteils hielt ich an der Tradition fest.
Weihnachten war eine große Sache.
Ich konnte diese besondere Tradition auf keinen Fall aufgeben, nur weil ich niemanden in der Stadt kannte, außer die HR-Leute in meinem neuen Büro, in dem ich einen Tag nach Weihnachten zu arbeiten anfing, und dem neugierigen Nachbarn, der es liebte, jede meiner Bewegung zu beobachten, die ich in meiner beschissenen kleinen Wohnung machte.
Nicht, dass ich mich über irgendwas beschweren musste. Nein. Ich hatte einen großartigen Job, einen mit Sozialleistungen und Vaterschaftsurlaub, und mein süßes Baby entwickelte sich dem Ultraschall nach, den mein Arzt direkt vor meinem Umzug gemacht hatte, sehr gut. Alle anderen Dinge, die mich nervös machten, bedeuteten im Vergleich dazu nichts. Nichts
.
Also zog ich meinen besten Anzug und Krawatte an - den besten, der meine leicht gewölbte Mitte bedeckte - und ging in das Restaurant, von dem Yelp sagte, es hätte die besten Vorspeisen in der Stadt. Ich mag mit meinem jährlichen Abendessen vielleicht traditionell sein, aber ich wollte ausgehöhlte Kartoffelhälften, Mozzarellasticks und irgendeine Sorte von Fleisch am Spieß.
Das Baby war hungrig und überhaupt nicht entscheidungsfreudig.
Das Restaurant war seltsamerweise überfüllt. Vielleicht lag es daran, dass ich kleinere Gemeinden gewohnt war, oder einfach die Art von Restaurants, in denen ich in der Vergangenheit war, aber ich hatte noch nie zuvor solche Menschenmassen gesehen.
Ich schlängelte mich zum Maître durch, was an und für sich schon überraschend war, da sich das hier eher wie ein High-End-College-Treff als wie ein schickes Restaurant anfühlte.
„Einen Tisch für eine Person, bitte.“ Ich hielt meine Schultern aufrecht und wollte nicht den mitleidigen Blick, der normalerweise mit dieser Bitte einherging.
„Name?“ Er holte einen altmodischen Sitzplan und seinen Bleistift heraus und gab sich nicht mal Mühe, mich anzusehen.
Warum kümmerte es ihn überhaupt? Ich sah in den Händen mehrerer Leute die kleinen, summenden Dinger, die bedeuteten Ihr Tisch ist bereit
. Ich biss mir auf die Zunge, weil ich ihm keinen Grund geben wollte, mich abzuweisen, was angesichts der Anzahl der wartenden Sitzplätze eine realistische Möglichkeit war.
„Everett.“
„Es sieht so aus, als hätte ich einen Platz für Sie - in etwa zwei Stunden.“ Er versuchte, mich zum Gehen zu bewegen. Ich habe es verstanden. Ein Tisch für eine Person brachte nicht so eine hohe Rechnung und kein so hohes Trinkgeld ein, wie ein Tisch für zwei oder für vier Personen.
„Ich kann warten.“ Kein Teil von mir wollte warten, aber ich ließ mich nicht einschüchtern.
Er sah auf und traf endlich meinen Blick. „Hören Sie, ich sagte zwei Stunden, damit Sie sich von selbst dazu entschließen zu gehen. Aber die Wahrheit ist, dass wir heute Abend voll sind und Tische für eine Person verzögern die Sitzgelegenheiten für andere.“
„Ich habe einen Tisch für eine Person.“ Eine tiefe, sinnliche Stimme neben mir sprach, ich war mir nicht sicher, von welcher Seite. Er reichte dem Maître seinen Buzzer. „Das heißt, es sei denn, Sie möchten sich mir anschließen.“ Seine Hand flitzte nach vorn. „Ich bin Graham.“
Ich versuchte, meine Kinnlade davon abzuhalten, runterzufallen, als ich den sexy Mann hinter mir ansah, mir nicht sicher war, ob ich ihn richtig gehört hatte.
Er lächelte schüchtern durch geschlossene Lippen, die nicht zu dem starken Alpha passten, der vor mir stand, und jede meiner Reaktionen beobachtete, mit so blauen Augen, dass ich mich für eine Sekunde fragte, ob sie nicht tatsächlich braun waren. Das Wort sexy wurde ihm nicht einmal gerecht und er bat mich, mit ihm zu Abend zu essen. „Das macht man so in dem Restaurant, in dem ich am liebsten frühstücke. Man setzt sich dorthin, wo noch Plätze frei sind. Ich verspreche, nicht zu beißen.“
Verdammt, das war schade, denn in dem Moment hätte ich nichts gegen ein bisschen Knabbern gehabt. Nein, das stimmte nicht. Daten war vom Tisch, zumindest bis ich mein Baby zur Welt brachte und wir uns einlebten. Es war schwer, sich auf irgendetwas davon zu konzentrieren, wenn er mich anstarrte, als wäre er…
Oh Scheiße, er wartete auf meine Antwort.
„Ja.“ Das blöde Murmeln war alles, was ich herausbekam, was mir ein Schnauben von dem Maître einbrachte, der selbst etwas darüber murmelte, dass wir ihm folgen sollten.
Der Bereich hinter der Rezeption passte eher zu einem Schickimicki-Ort, für den ein Maître erforderlich war, als zu dem Bereich, den ich bereits gesehen hatte - bis hin zu den Stoffservietten und einer gottlosen Anzahl von Gabeln. Wer brauchte das alles? Vielleicht hätte ich an der Bar bleiben und es gut sein lassen sollen. Nur, dass ich mich nicht mit willkürlichen Leuten in sinnlose Gespräche verwickeln lassen und mich mit dem Luftzug der Türöffnung herumplagen wollte. Nein, es war Heiligabend und ich wollte ein schönes Abendessen.
Die sexy Gesellschaft? Das war ein Bonus. Oder ein großer Fehler. Er hätte ein Serienmörder oder ein Date-Vergewaltiger oder keine Ahnung was sein können. Ich hatte offiziell zu viele beschissene, für das Fernsehen gedachte, spannende Filme gesehen.
Wir würden in einer ruhigen kleinen Ecke im hinteren Teil des Speisesaals einen Tisch bekommen. Zumindest dachte ich das, bis die Leute anfingen, an uns vorbei zu gehen. Wir standen auf dem Weg zur Toilette. Na ja, es war immerhin ein Tisch und das Essen duftete unglaublich.
„Wand?“, fragte Graham, während ich ungeschickt da stand. Hatte er meinen Blick auf den Tisch gesehen, weil er instinktiv wusste, dass es meine Vorliebe war, an der Wand zu sitzen? Nein, das war lächerlich. Ihm gefiel einfach der andere Platz. Natürlich tat er das. Zumindest redete ich mir das ein. Wie gewöhnlich.
Alle Eigenschaften, die ich an einem Mann liebte, auf ihn zu projizieren, weil er heiß war, war mehr als dumm.
Ich wusste das aus Erfahrung.
Viel, viel Erfahrung.
Eines Tages würde ich es lernen.
„Danke. Das ziehe ich vor.“ Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen und legte meine Jacke über die Rückenlehne.
Der Maître murmelte etwas davon, dass unsere Kellnerin gleich da sein würde, ehe er weg flitzte. Gut, dass wir ihn los waren. Irgendetwas an ihm störte mich.
Graham nahm den Platz neben mir ein, da der Tisch wegen Platzmangels so gedeckt war. Wir hatten offiziell die letzten Plätze bekommen. War für mich in Ordnung. Ich war in Flirtstimmung.
„Warst du schon mal hier?“, fragte er, als er seine Speisekarte nahm.
„Nein, bin gerade hierher gezogen. Und du? Die Bewertungen sind so gut.“ Ich las die Vorspeisenkarte und entschied sofort, dass ich ein paar zum Warmmachen mit nach Hause nehmen würde, da ich mich nicht für eine würde entscheiden können.
Graham räusperte sich und griff nach der Weinkarte. „Ja, aber… mein Date hat es mir empfohlen.“
Ich sah ihn an, seine Zunge ragte nur ein wenig zwischen seinen Lippen hervor und erinnerte fast an eine Katze. Es schien, als hätte Graham sich dabei erwischt, sich alles von der Seele reden zu wollen, es sich dann aber doch anders überlegt.
„Ich habe mein Date mitgebracht.“ Ich stand leicht auf und tätschelte meinen leicht hervorstehenden Bauch. Ich fand, dass eine unangenehme Tat eine andere verdiente, und wenn man seine Schultern, die sich entspannten, ein Anzeichen deuten konnte, dann funktionierte es.
Er stieß einen langen Atemzug aus. „Ich hatte heute Abend ein Date… ein Blind Date aus dem Internet. Wie du siehst, ist dies nicht passiert. Ich habe den Text bekommen, kurz bevor ich gesehen habe, dass du von Mr. Stock-im-Arsch abgewiesen wurdest… es ist doch in Ordnung, wenn wir uns duzen, oder?“
Wie zum Teufel konnte jemand den Mann neben mir versetzen? Sein Duft - fast schokoladig, aber nicht ganz - war der Stoff, aus dem Träume gemacht waren, besonders mit dem Hauch von Kardamom.
„Natürlich ist das Du in Ordnung. Sein Pech. Mein Gewinn.“ Ich lächelte und biss mir auf die Zunge, bevor ich einen langen Schluck Wasser nahm. Er teilte seine Peinlichkeit mit mir, da konnte ich den Gefallen genauso gut erwidern. „Ich komme aus dem Osten und nachdem ich jahrelang darauf gewartet habe, den Richtigen zu finden, um mich niederzulassen und eine Familie mit ihm zu gründen, habe ich beschlossen, es alleine zu machen.“
„Also… leugnet der Vater das Baby, oder wie? Das ist echt ein beschissener Zug.“ Er knurrte fast. Guter, beschützerischer Alpha. Nicht, dass ich darüber nachdenken sollte. Nein, überhaupt nicht.
„Der Vater hat seine Soldaten an eine medizinische Einrichtung verkauft, in der ich sie für etwa das fünfmilliardenfache ihres ursprünglichen Wertes gekauft habe.“ Ich drehte mich um und schaute auf sein Gesicht, als ich meine Situation, oder zumindest den Baby-Teil davon, offenbarte. Er war der erste, der während des Entscheidungsprozesses nicht anwesend war, und dem ich es nun erzählte. Und selbst das ließ nur meine unmittelbare Familie und eine streunende Katze übrig, die mich liebgewonnen hatte.
Unsere Knie streiften sich versehentlich und ich war überrascht, wie beruhigend es sich anfühlte, diesen menschlichen Kontakt zu haben, so minimal und unschuldig er auch war.
„Du hast gesagt, du kommst aus dem Osten?“ Er lächelte warm, keine Verurteilung auf seinem Gesicht. Gut. Es wäre schön, mit jemandem über all das zu sprechen, insbesondere mit jemandem, den ich nie wieder sehen würde.
„Ja. Die Firma, für die ich arbeitete, ist in Konkurs gegangen. Das habe ich ungefähr eine Stunde nach meinem „Sie sind schwanger
“-Anruf erfahren. Mir wurde hier ein guter Job angeboten, also habe ich alles eingepackt, um neu anzufangen.“
„Du bist ein knallharter Omega.“ Die Ehrfurcht in seinen Augen fühlte sich echt an und etwas Warmes und Überschwängliches passierte in meinem Bauch. „Hat dir das jemals jemand gesagt?“
Nein, das hatte mir nie jemand gesagt. Ich habe ihn nicht korrigiert, dass es vielmehr väterliche Instinkte als wahre Tapferkeit waren, die da bei mir wirkten. Stattdessen saß ich da und genoss das Kompliment, als unsere Kellnerin kam, um unsere Getränkebestellung entgegenzunehmen.