Lily kann sich nicht entscheiden, wie sie ihren freien Nachmittag verbringen will. Sie fühlt sich noch immer wie benommen und registriert die warme Brise kaum, als sie den Mitarbeitertrakt verlässt. Sie ist angezogen wie eine Touristin, mit T-Shirt, Jeansshorts und Espadrilles, aber viel zu aufgewühlt, um zum Sonnenbaden zum Porthcressa Beach zu fahren. Sabines Handy steckt noch immer in ihrer Tasche. Es drückt gegen ihre Haut und erinnert sie daran, weiter nach dem Mörder ihrer Freundin zu suchen.

Als sie an der Küche vorbeikommt, riecht es nach Frittierfett und abgestandenem Kaffee. Einer der Köche, ein Mann mittleren Alters, lehnt an der Mauer und macht gerade eine Zigarettenpause. Er ruft sie, als sie vorbeigeht.

»Ich hab das von deiner Freundin gehört. Tut mir echt leid, Lily.«

»Fühlt sich immer noch irreal an«, sagt Lily und bleibt neben ihm stehen. »Ich denke die ganze Zeit, sie kommt jeden Moment durchs Tor reinspaziert.«

»Wie alt war Sabine?«

»Sie ist vor ein paar Wochen neunzehn geworden.«

»O Gott, sie war ja fast noch ein Kind.« Er tritt die Kippe mit dem Absatz seines Schuhs aus. »Am Ende war’s immer der Freund, oder? Mit wem war sie denn zusammen?«

Die Augenbrauen des Kochs schießen nach oben. »Wahrscheinlich gab’s mehrere.«

Lily starrt ihn an. »Wie meinst du das?«

»Sie hat ständig mit den Jungs aus der Küche geflirtet.« Er zuckt verlegen mit den Schultern. »Mädchen wie sie ziehen die falsche Art von Aufmerksamkeit auf sich.«

»Du solltest nicht schlecht von ihr reden; sie kann sich nicht mehr verteidigen.«

»Tut mir leid, Kleine, aber hier denken alle so.« Er hebt die Hände hoch, als würde sie mit einer geladenen Waffe auf ihn zielen.

»Sabine war einfach nur ein freundlicher Mensch. Und netter als ihr alle zusammen«, gibt sie gereizt zurück.

Der Koch grinst und pfeift dann bewundernd durch die Zähne. »Und ich dachte immer, du wärst ein Mäuschen. Dabei bist du eine richtig harte Nuss, was?«

»Niemand kannte sie so gut wie ich. Ihr anderen solltet einfach die Klappe halten!«

Lily geht zitternd weg. Sie verlässt rasch das Hotelgrundstück, damit ihr nicht noch irgendjemand ungefragt seine Meinung mitteilt. Es ist so heiß, dass sie kaum atmen kann. Als sie am Polizeirevier vorbeikommt, überlegt sie kurz, Sabines Handy abzugeben, aber es ist die letzte Erinnerung, die sie mit ihrer Freundin verbindet. Lily kehrt zu dem Haus zurück, in dem sie früher gewohnt hat. Das einfache zweistöckige Gebäude hat schon bessere Tage gesehen, heute ist das einzig Schöne daran, dass man von dort aus durch ein Gässchen den Porth Minick Beach und seinen sauberen Sand sehen kann.

Die Haustür ist nicht verschlossen, im Flur riecht es nach

»Was hast du getan, Harry?«, flüstert sie und presst eine Hand auf den Mund.