Als der Abend anbricht, ist Lily noch in der Hotelküche und hilft bei der Zubereitung des Essens für die wenigen Gäste, die noch da sind. Sie leistet ihren Dienst lieber hier ab als im Service, denn wenn die Arbeit zur Abendessenszeit Fahrt aufnimmt, geht es in der Küche zu wie bei einem Ballett. Die Souschefs bewegen sich wie graziöse Tänzer zwischen den Öfen, Kühlschränken und stählernen Arbeitsflächen hin und her. Lilys Aufgabe ist die Herstellung einer Salatbeilage, die frisch und verführerisch aussehen muss. Sie ist froh, die polizeiliche Vernehmung vergessen zu können, denn sie hat immer noch ein schlechtes Gewissen, weil sie wegen des Handys gelogen hat. Sie darf nicht zulassen, dass die Ermittler das mit Harry und Sabine herausfinden. Ihr Bruder hat solche Angst, wieder im Gefängnis zu landen, und sie möchte ihn keinen Verdächtigungen aussetzen. Niemand sonst wird ihn vor der Gefahr schützen.

Als Lily von ihrem Schneidebrett hochblickt, dämmert es bereits. Sie legt das Messer einen Moment zur Seite, um den Hotelgarten zu bewundern. In den Bäumen hängen bunte Lichterketten und japanische Lampions, die Rosen verteilen ihre Blütenblätter auf dem Rasen, und die Grünanlage sieht aus wie ein verzaubertes Königreich. Plötzlich erblickt sie einen Mann, der mit finsterer Miene auf sie zukommt. Liam

Lily erschrickt sich fast zu Tode, als ihr jemand auf die Schulter tippt. Doch als sie sich umdreht, steht Tom Polkerris neben ihr und lächelt zaghaft. Sie mag ihn so gern, dass sie vor Verlegenheit errötet.

»Alles in Ordnung, Lily?«

»Ja, danke, Sir.«

»Die Polizei hat heute Nachmittag mit Ihnen gesprochen, oder?«

»Tut mir leid, dadurch habe ich eine Weile nicht arbeiten können.«

»Entspannen Sie sich, ich wollte nur nachfragen, ob es Ihnen gut geht. Sie waren eng mit Sabine befreundet, stimmt’s?«

»Ich vermisse sie schrecklich«, sagt Lily, nach Luft schnappend.

»Ja, es ist schwer, zu akzeptieren, was passiert ist. Aber für Sie ist es bestimmt noch schlimmer. Was wollte die Polizei denn von Ihnen?«

»Sie wollten wissen, ob Sabine einen Freund hatte.«

»Und? Hatte sie einen?«

»Nein, Sir. Ich glaube nicht.«

Seine Miene entspannt sich. »Nichts von all dem ergibt einen Sinn, nicht wahr? Denken Sie daran, dass Sie immer mit mir sprechen können, wenn es Ihnen nicht gut geht. Sie können jederzeit in mein Büro kommen.«