Lily geht, so schnell sie kann, zu ihrem alten Zuhause. Harry hat nicht auf ihre Nachrichten reagiert, und als sie den Hausflur betritt, weiß sie sofort, dass etwas nicht stimmt. Es riecht nach Erbrochenem und Desinfektionsmittel. Aus dem Wohnzimmer dringt die Stimme eines Mannes; sie kann nicht genau verstehen, was gesagt wird, aber die Wut des Sprechers ist unmissverständlich. Als sie in den Raum platzt, sitzt ihr Bruder mit eingezogenem Kopf auf dem Sofa, und Pfarrer Michael steht mit geballten Fäusten vor ihm. Die Miene des Pfarrers wird weicher, als er sie sieht, aber Lily hat nur Augen für die Verletzungen ihres Bruders.
»Was machen Sie hier, Herr Pfarrer?«
»Ihr Bruder war mal wieder in eine Schlägerei verwickelt; die Polizei hat ihn übel zugerichtet aufgefunden.«
Der Pfarrer ist häufig zu Besuch gekommen, als ihre Mutter schon todkrank war, und war auch rechtzeitig bei ihr, um ihr die Letzte Ölung zu geben, aber gemocht hat Lily ihn noch nie. Ihre Mutter ist trotz all seiner Gebete jung gestorben, und irgendetwas an ihm kommt ihr merkwürdig vor. Als sie wieder zu Harry schaut, sieht sie ihm an, dass er Angst hat.
»Worüber haben Sie gerade gesprochen, Herr Pfarrer?«
»Es wird Zeit, dass Harry sich seinen Dämonen stellt. Warum sprechen wir nicht zusammen ein Gebet, um ihm zu helfen, ein neues Leben zu beginnen?«
»Mum hat an Gott geglaubt, aber wir tun es nicht. Sie verschwenden hier Ihre Zeit.«
Pfarrer Trevellyan bleibt einfach stehen, bis sie die Tür weit aufmacht und darauf wartet, dass er geht. Sein Wunsch, an Harrys Seite zu bleiben, hat etwas Beängstigendes. Er zitiert leise etwas aus der Bibel, erteilt ihr einen Segen, nach dem es sie gar nicht verlangt, und legt ihr dann seine klamme Hand auf den Unterarm. Lily kann es kaum erwarten, dass er endlich geht.
»Ihr Bruder braucht die Liebe Gottes jetzt mehr denn je, Lily. Versuchen Sie nicht, ihn davon abzuhalten, in die Kirche zu kommen. Ich werde heute Abend für Sie beide beten.«
Er sagt das in einem sanften Ton, doch hinter seiner Milde verbirgt sich Wut. Die Worte des Pfarrers klingen mehr nach einem Fluch als nach einem Segen.