Lily spürt, dass sie nicht viel Zeit hat. Sie sitzt vor dem Spiegel und sieht blasser aus denn je, aber sie bereut ihre Entscheidung nicht. Wenn sie stirbt, wird sie wenigstens sie selbst sein und nicht so tun, als wäre sie jemand anders. Der Mörder hat sich geweigert, ihre Fragen zu beantworten, und sie dann allein gelassen, aber jetzt ist er zurück. Er geht auf dem Steinboden auf und ab und kann ihr jederzeit etwas antun, es sei denn, sie bringt ihn zum Reden.

»Erzählen Sie mir bitte von der Frau auf dem Foto.«

Lily sieht nur eine verschwommene Silhouette im Spiegel. Er befindet sich auf der anderen Seite des Raums und hält den Kopf gesenkt, sein Gesicht ist unter der Haube verborgen.

»Sie war eine reine Seele.« Die Stimme ist voller Trauer und klingt so hell, dass sie auch einer Frau gehören könnte. »Nichts hat mir mehr bedeutet, als sie in den Armen zu halten.«

»Aber Sie haben sie verloren?« Lily bekommt keine Antwort. »Ich weiß, wie sich das anfühlt. Meine Mutter ist vor kurzem gestorben, und ich vermisse sie jeden Tag.«

Lily bohrt die Fingernägel in ihre Handfläche, denn der Schmerz erinnert sie daran, dass sie noch am Leben ist. Sie konzentriert sich so gut wie möglich. Es muss Leute geben,

»Ich kann sie nicht zurückholen. Ich habe mir was vorgemacht.«

»Mir weh zu tun wird Ihnen auch nicht helfen.«

Der Mörder kommt näher, seine Stimme klingt jetzt schrill. »Du bist wie die anderen. Keine von euch steht treu zu den Inseln oder zu mir.«

Der Schlag trifft Lily unvorbereitet. Er boxt ihr mit voller Wucht gegen den Brustkorb, und ihr bleibt die Luft weg. Sie spürt einen stechenden Schmerz, zwingt sich aber, nicht zu schreien. Als sie die Augen wieder aufschlägt, ist sie allein. Um sie herum ist es jetzt noch dunkler, bis ihr Blick auf einem hellen Streifen verharrt. Die Tür steht wenige Millimeter weit offen und erhält ihre Hoffnung am Leben.