Ich stürze mit dem Gesicht voran auf die letzten drei Stufen und bleibe dann zusammengekrümmt liegen. Ein paar Meter von mir entfernt sehe ich Lily Jago, die mich erschrocken anstarrt. Unser beider Leben hängt davon ab, dass ich mich schnell wieder berappele, aber meine Glieder versagen mir den Dienst, und ich spüre einen brennenden Schmerz an der Wange. Ich liege noch immer auf dem Steinboden, als Elaine Rawle aus der Dunkelheit auf mich zukommt. Sie zieht mir das Handy aus der Brusttasche und wirft es mit voller Wucht gegen die Wand; es zerfällt in seine Einzelteile.

»Ich wollte, dass die Mädchen hier bleiben, auf St. Mary’s. Verstehen Sie das denn nicht? Sie waren wunderschöne Bräute – wie Leah. Das war ihre Bestimmung.« Sie steht über mir, ihre Stimme ist voller Trauer.

»Lassen Sie uns gehen, Elaine. Sie können auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren.«

»Ich habe mich nie zurechnungsfähiger gefühlt. Ich tue das alles für meine Tochter, nicht für mich.«

»Ich weiß, dass sie sich umgebracht hat. Ich wette, Sie haben Leah gefunden, nicht Frank.«

»Sprechen Sie ihren Namen nicht aus! Sie war schön, auch dann noch, als sie sich in ihrem Brautkleid an den

Mit einer an Wahnsinn grenzenden Entschlossenheit im Blick, bindet sie mir die Hände mit einem kurzen Seil zusammen. Jetzt, wo der Schock nachlässt, setzt der Schmerz erst richtig ein. Elaine geht in die Ecke des Raums, um weitere Stricke zu holen. Meine letzte Chance, mich zu befreien, schwindet dahin.

Ich warte, bis sie über mir kniet, dann trete ich ihr ins Gesicht – eine passsende Vergeltung für die Leben, die sie anderen geraubt hat. Ich treffe sie an der Schläfe, und sie geht zu Boden. Mit der eleganten Frau des Schulleiters, die ich kannte, hat sie jetzt keinerlei Ähnlichkeit mehr. Die grauen Haare fallen ihr über den Rücken und lassen sie wie eine Hexe aussehen, als sie sich erneut auf mich stürzt, aber mein zweiter Tritt landet direkt zwischen ihren Augen. Sie fällt um wie ein nasser Sack, und ich kann immer noch nicht fassen, dass eine so vornehme Frau solches Unheil angerichtet hat. Während ich überprüfe, ob sie ihre Bewusstlosigkeit vielleicht nur vortäuscht, sticht mir ihr altmodischer Lavendelduft in die Nase. Im Augenblick ist es mir egal, ob sie weiterlebt oder stirbt, doch sie kann nicht allein gehandelt haben. Ihr Ehemann muss mich mit einem Knüppel niedergeschlagen und dann die Treppe hinuntergestoßen haben.

»Komm runter, du Mistkerl!«, schreie ich. »Worauf wartest du?«

Lily hat ihren Stuhl näher zu mir hingeschoben, und ich richte mich in eine sitzende Position auf. Mir ist schwindlig vor Schmerzen, doch die Berührung der jungen Frau fühlt sich tröstlich an, als sie versucht, mir die Hände zu loszubinden.

»Er hat immer eine Haube getragen.« Ihre Stimme zittert, aber sie reißt sich zusammen.

»Das muss Frank Rawle sein. Machen Sie sich keine Sorgen, Hilfe ist unterwegs.«

Lily ist zu sehr auf das Lösen des Knotens konzentriert, um mir zu antworten, und mir ist es im Moment wichtiger, Nina zu finden, als herauszubekommen, wer der zweite Täter ist. Sobald ich die Hände freihabe, durchsuche ich Elaines Taschen nach einem Schlüssel, um Lily die Kette abnehmen zu können, finde jedoch nur ein Taschenmesser, das mir nicht helfen wird. Die Tür oben steht immer noch offen, und ich hoffe, dass Eddie daran denkt, dass ich hier unten bin, aber es ist keine Spur von ihm zu sehen.

Bevor ich noch etwas zu Lily sagen kann, kommt eine kräftige Gestalt die Treppe heruntergestürmt. Der Mann hat eine Brechstange in der Hand und geht direkt auf mich los. Ich strecke die Arme aus, um mich zu schützen, aber sein erster Schlag zielt auf meine Hüfte, und ich schreie laut auf vor Schmerz. Sein Gesicht ist unter einer Maske verborgen, die nur zwei schmale Schlitze für die Augen hat. Ich steche wild mit Elaines Messer um mich, doch durch die Verletzungen bewege ich mich unbeholfen. Sein nächster Schlag trifft meinen Brustkorb, und als ich auf ihn zulaufe, weicht er mir aus, so dass ich mein Messer in die Luft stoße. Ich bin dabei, diesen Kampf zu verlieren, da höre ich oben Schritte. Ich bete, dass Eddie und Isla endlich eingetroffen sind. Eine weitere Gestalt kommt die Treppe heruntergerannt und verschwindet in der Dunkelheit, als ich dem nächsten Schlag

»Wie haben Sie uns gefunden, Harry?«

Jago holt keuchend Luft. »Ich bin ihm hierher gefolgt. Ich wusste, dass er’s war.«

Auf Harrys Gesicht zeigt sich Erleichterung, als er seine Schwester sieht; sie ist noch immer gefesselt, aber am Leben. Harry hilft mir, den Mann auf den Rücken zu drehen und seine Arme an seinem Oberkörper zu fixieren.

»Wo ist Nina?«, zische ich dem Kerl ins maskierte Gesicht. »Was hast du mit ihr gemacht?«

Als ich die Haube zurückschiebe, rechne ich damit, in Frank Rawles faltiges Gesicht zu starren, und glaube, nicht richtig zu sehen: Jeff Pendelow, der Psychologe, schaut zu mir hoch; aus seiner Nase rinnt Blut. Ich bin derart schockiert, dass ich nur noch flüstern kann.

»Warum hast du das getan, Jeff? Warum hast du diese Frauen umgebracht?«

Der Psychologe liegt vollkommen reglos da, aus seinen geschlossenen Augen laufen Tränen. Harry Jago hält ihn weiter fest, damit er nicht fliehen kann, doch ich sehe, dass Jeff längst aufgegeben hat. Sein Hemd ist zerrissen, die Verletzung an seinem Brustbein, die Jade Finbury ihm zugefügt hat, ist unter einem Verband verborgen. Als ich daran denke, was er ihr angetan hat, werde ich noch wütender. Jade würde noch leben, wenn sie ihn mitten in die Brust getroffen hätte. Pendelow macht keinerlei Anstalten, sich gegen seine Verhaftung zu wehren, und als ich ihn über