Ich halte mich nicht sklavisch an die Anweisungen meines Chefs; bevor ich zurück nach Bryher fahre, habe ich noch ein bisschen was zu erledigen. Erst kaufe ich ein Dutzend von Shadows Lieblingsleckerlis ein, dann hole ich meinen Neoprenanzug aus dem Hotel und gehe zum Porthcressa Beach hinunter. Jetzt, wo die Stürme vom Atlantik sich gelegt haben, ist der Sommer zurück und auch die sengende Hitze. Die Insulaner, denen ich unterwegs begegne, stellen mir keine Fragen, und ich kann mir denken, warum. Neuigkeiten verbreiten sich hier sehr schnell, und es wird sich bereits herumgesprochen haben, dass zwei ältere Gemeindemitglieder wegen Mordes in Haft sitzen. Die Leute starren von der anderen Straßenseite aus zu mir herüber und machen sich aus sicherer Entfernung ein Bild von meinen Verletzungen, bevor sie ihren Weg fortsetzen. In den Pubs werde ich heute Abend das Thema Nummer eins sein: DI Benesek Kitto und sein Team haben die Mörder geschnappt, aber er hat dabei eine deftige Abreibung kassiert.

Ich lege mein Handtuch am Strand ab, wate ins Meer und lasse mich vom Salzwasser tragen. Die Kälte des Ozeans wirkt wie ein Betäubungsmittel. Ich beginne langsam zu kraulen. Während die Wellen mir ins Ohr singen und ihr salziger Geschmack meinen Mund füllt, spüre ich

Ich brauche nicht lange, bis ich am Pulpit Rock bin. Im Augenblick könnte niemand die Kliffwand erklimmen, dazu rollt die Flut zu schnell ans Ufer. Wenn ich näher heranschwimmen würde, würde ich gnadenlos gegen die Felsen geschleudert. Als ich nach oben schaue, spricht der riesige Prediger aus Stein noch immer zu seiner wässrigen Gemeinde. Ich muss an den bizarren Anblick zurückdenken, den die Braut mit dem wehenden Schleier bildete, und an die vielen Fehler, die ich gemacht habe. Morgen werde ich alle um Vergebung bitten, die ich fälschlich beschuldigt habe. Pfarrer Michael wollte nur einer kranken Frau beistehen und einen angezählten jungen Mann unterstützen. Der Fall hat mich mindestens zwei Freundschaften gekostet. Die Keast-Brüder werden mir meinen Verrat niemals verzeihen, aber das wäre bei mir auch nicht anders, wenn mich jemand eines kaltblütigen Mordes bezichtigen würde.

Die Sonne wird langsam schwächer, als die Strömung mich wieder in südlicher Richtung nach Porthcressa treibt. Der Strand hat sich geleert, einige Paare sind auf dem Weg zu Dibble and Grub, um dort ein frühes Glas Wein zu genießen, und eine dunkelhaarige Frau in einem gelben Bikini paddelt am Rand des Wassers herum. Nina hebt die Hand, als sie mich an Land waten sieht, aber ich mag keine Abschiede. Sie fliegt morgen zurück nach Bristol, wodurch ich gezwungen sein werde, sie erneut zu vergessen.

»Was ist denn mit deinem Gesicht passiert, Ben?«

»Ach, ich hatte bloß eine kleine Auseinandersetzung mit einer Treppe.«

»Ich hätte sie früher kriegen sollen, aber sie waren gut getarnt.«

Mein Blick verharrt auf dem Horizont, über den Inseln weiter draußen schwindet das Licht, aber aus dem Augenwinkel sehe ich dieses Lächeln auf Ninas Gesicht, das mir ein ewiges Rätsel ist. Sie versteht es, mich anzulocken, und stößt mich gleichzeitig von sich weg. Die Flut hat inzwischen ihren Höchststand erreicht, und die Wellen rollen schnell weiter den Strand hinauf.

»Wenn du willst, können wir jetzt unseren Abschiedsdrink nehmen«, sage ich zu ihr. »Ich muss nur kurz noch was erledigen. Shadow wurde vorhin operiert, und ich will nachsehen, wie es ihm geht.«

Sie steht auf und schlüpft in ihre Sandalen. »Ich möchte ihn auch sehen. Und dann muss ich die Besitzer des Watermill Cottage anrufen.«

»Wozu?«

»Sie lassen mich sechs Wochen länger dort wohnen.«

»Und was ist mit deinen Prüfungen?«

»Ich fliege für ein paar Tage zurück, damit ich sie machen kann.«

Nina geht neben mir her über den Strand. Ihre bernsteinfarbenen Augen suchen mein Gesicht nach einer Reaktion ab; ihrem Blick entgeht nichts.

»Ich dachte, du wärst nur zurückgekommen, um dich richtig zu verabschieden.«

»Der Hauptgrund ist Shadow, hab ich recht?«

»Könnte schon sein. Ich muss mich schnell umziehen, bevor ich wir ihn besuchen.«

»Nein, bitte bleib im Bikini.«

Ihr Lächeln wird breiter. »Ich kann ihn ja später wieder anziehen. Gib mir fünf Minuten.«

Sie legt ihren Kopf kurz an meine Schulter und läuft dann los. Ich bleibe zurück und betrachte den Meeresschaum, der sich auf den Sand legt wie ein Brautschleier.