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Meine Arbeit besteht darin, zu warten, zu schwimmen und Frauen zu ficken.

Ich warte, dass das Buch erscheint, der Prozess in Gang kommt, dass ich wieder ein bisschen Geld habe, meinen Sohn wiedersehe. Ich warte, dass sich die Angelegenheit legt, die Welt sich anpasst, heilt, wieder in Ordnung kommt. Die Welt um mich herum. Ich werde nichts rückgängig machen, nicht wieder in meine alte Haut schlüpfen.

Auf keinen Fall.

Ich glaube, wenn ich mich damit zufriedengegeben hätte, auf Frauen zu stehen, wäre alles halb so wild gewesen. Lesbe, aber außerdem Anwältin, mit demselben Leben wie vorher, demselben Einkommen, derselben Erscheinung, denselben Ansichten, dem gleichen Verhältnis zu Arbeit, Geld, Liebe, Familie, Gesellschaft, Materie, Körper, Ideal. Hätte ich mein Verhältnis zur Welt nicht geändert, hätte ich weniger Ärger gehabt. Aber das ist nicht möglich, so läuft es nicht, und dann habe ich das alles ja auch nicht nur dafür gemacht.

Ich habe es für mein neues Leben getan, fürs Abenteuer. Ich glaube, das ist es, was sie verrückt macht, Laurent, die Richter, all die Leute, die nicht mehr mit mir reden. Als sei es nicht auch ihnen schon mal in den Sinn gekommen, alles hinzuschmeißen. Als ob es so schlimm sei, als ob sie es seien, die ihr Essen beim Discounter mitgehen lassen, als ob sie es seien, die auf einem Drahtseil balancieren.

Ich habe alles aufgekündigt, aber ich mache nichts Ungewöhnliches. Ich gehe früh schlafen, stehe früh auf, ich trinke nicht, nehme keine Drogen, ich praktiziere kein BDSM am Sonntagnachmittag zur Tee-Zeit, ich trage keine Kämpfe aus, bin nicht Teil irgendeiner Community, bin ganz ohne Wahlverwandtschaften. Schwimmen, lesen, schreiben und Frauen treffen, wie eine Asketikerin. Ohne die Kippen und den Sex wäre ich im Grunde straight edge, hardcore, auf meine Weise. Natürlich hätten wir Anarchie, wenn alle so leben würden wie ich. Can I have the check please, la cuenta por favor. Ich werde bezahlen, keine Frage, no problemo, bezahlt wird immer.

Jedenfalls gibt es nichts als Warten, wenn das Schicksal dich auf den Boden drückt, mit dem Stiefel in der Fresse. Du kannst dich nicht bewegen. Du brauchst es gar nicht erst versuchen. Genau dann muss man stark sein. Man muss für die Kohle sorgen, für die Handvoll Tacken, um die Miete und die Kippen zu bezahlen, man muss um tausend Dinge kämpfen, um die Tage zu überstehen, um trotzdem schlafen zu können. Hier zeigt sich, wer durchhält und wer zusammenbricht, wer sich in die Seine stürzt, wer anfängt zu saufen, wer Xanax einschmeißt, wer in der Klinik, auf der Straße oder im Knast landet.

Ich verstehe sie. Ich hab sie immer verstanden: diejenigen, die es nicht schaffen. Aber ich halte durch. Ich glaube, es ist irgendwas an meinem Körper, was dafür sorgt, das ich durchhalte. Das ist jedenfalls mein Eindruck, ich habe nie einen entsprechenden Beschluss gefasst. Eine Mechanik in meinem Gehirn oder eine bestimmte Körperchemie, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich nichts mehr empfinde. Dass ich auf Scherben gehen könnte. Natürlich ist das ein fragiler Zustand. Ich muss aufpassen. Sehr sogar. Wenn meine Haut mich im Stich lässt, habe ich keine Chance mehr. Deswegen gehe ich schwimmen. Um die maximale Balance und Kraft meines Körpers zu erhalten. Denn er ist es, der mich trägt. Es geht um etwas, das von den Muskeln ausgeht und in die Seele führt. Ich weiß sicher, dass ich einen schlechten Tag haben werde, wenn ich nicht schwimmen gehe. Ich lebe von meinen Reserven und kann mir nicht den geringsten Fehltritt erlauben. Also schwimme ich jeden Tag, ich denke nicht einmal mehr darüber nach. Ich tue es einfach. Das ist meine Disziplin, meine Methode, der Irrsinn, mit dem ich dem Irrsinn entkomme. Ich teile die Zeit auf, reduziere alles auf einfache Gesten und führe sie aus.

Ich gehe mal in ein Schwimmbad und mal in das andere: Taris, Pontoise, Saint-Germain, Les Halles, Butte-aux-Cailles, Joséphine-Baker. Der Kopf im Wasser. Vierzig Minuten. Zwei Kilometer kraulen. Das ist mein Vertrag mit mir selbst. Meine einzige Verpflichtung. Eine Frage von Leben und Tod. Der Tag, an dem ich damit aufhöre, ist der Tag, an dem ich falle. Nach der Dusche geht es mir immer besser. Ich dusche auch nur noch im Schwimmbad. Dort ist Platz. Eine freundliche Atmosphäre. Durch das viele Schwimmen bin ich ziemlich gut in Form. Das nur nebenbei. Es ist wichtig, schön zu sein. Schön und stark. Sonst hätte ich schon längt Schluss gemacht. Jeden Tag rette ich mich selbst. Am nächsten Tag muss ich natürlich wieder neu anfangen.

Und dann die Frauen. Nur zwei in diesem Herbst. Aber es war gut so. Notwendig. Die Zeit mit ihnen war lebenswichtig. Ich musste prüfen, ob ich noch lebe. Small Talk mit jemandem, den man nicht kennt: Was soll man sonst tun, wenn man deprimiert ist? Sex baut Stress ab. Außerdem ist er umsonst, wie die Messe. Ich gehe übrigens auch in Kirchen. Ich stelle eine Kerze auf und bitte um Vergebung meiner Sünden.

Woran denkst du, wenn du schwimmst? An nichts. Ich denke an nichts. Außer AC/DC höre ich nur noch die Messe in H-Moll. Sind dir die anderen wirklich scheißegal?, hat mich G. gefragt, viel später, bevor ich sie küsste. Als ob ich Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken. Ich bin der Frage ausgewichen. Die Leute verstehen es nicht. Vorhin habe ich in Saint-Germain-des-Prés die Inschrift auf einem Votivbild gelesen: Die Pracht Seines Gesichts. Hier ist mein geliebter Sohn, meine Liebe ist ganz sein. Erhört ihn. Ich habe ein Foto gemacht. Mein Job ist es, zu warten, zu schwimmen und Frauen zu ficken. Agnus dei qui tollis peccata mundi.