Ich trenne mich von der Jungen. Gehe in einen Club, wo ich mit Freunden verabredet bin. Plötzlich taucht sie dort auf. Sie ist mir aufs Klo gefolgt. Ich wasche mir gerade die Hände, da sehe ich sie im Spiegel. Was zum Teufel machst du denn hier?, frage ich. Nur einmal die Woche, sagt sie. Ich sage ihr, dass ich sie nicht mehr treffen will, dass es vorbei ist. Sie ist betrunken. Ich bin müde, hab eine halbe Migräne, ich schlafe nicht genug, bin erschöpft. Ich gehe mit der Marke zur Garderobe. Sie sagt, dass sie mit mir kommt, mich nicht ohne sie gehen lässt, meine Freunde sehen mich mitfühlend an, wem ist das noch nicht passiert. Sie folgt mir auf die Straße. Ich ruf dir ein Taxi, sag ich, sie sagt Nein, sie möchte mit mir gehen, sie folgt mir und redet weiter. Ich hab keine Lust zu reden, ich hab Kopfschmerzen, möchte schlafen, aber sie will zu mir in die Neun-Quadratmeter. Sag mir doch, dass du keine Lust auf mich hast, sagt sie. Sag mir, dass du keine Lust hast, mich zu ficken, sag mir, dass du keine Lust auf meinen Arsch hast, auf meine Möse, ich glaube, du bist in mich verliebt, ich glaube, du stehst auf mich. Sie weint und schreit mich an. Sie sagt, ich sei sehr schön heute Abend, das sei zum Kotzen, ich hätte nicht hierherkommen dürfen, ich sei doch nur hier, um sie anzugraben. Sie weint, irgendwo bei Saint-Michel geht sie dann endlich.
Die Schlanke hat mich am Samstag auf eine Party mitgenommen, in einem Bürogebäude im Zehnten. Ein Startup. Wir haben nicht einen einzigen gemeinsamen Facebook-Freund, ich kenne absolut niemanden, den sie kennt, in Paris ist das eigentlich unmöglich. Es ist kalt, wir haben den Roller genommen. Sie ist ganz leicht, ich mag es, sie hinter mir zu spüren. In der großen Küche steht eine Schiefertafel, auf die alle Nettigkeiten schreiben. Nur Leute in ihrem Alter, also in meinem, die mir aber älter vorkommen, das passiert mir oft mit Heten. Sie fragen mich, was ich so mache. Ich kippe etwas Stickstoff in das Glas Côtesdu-Rhône, das ich mir aus der Box eingeschenkt habe, es fängt an zu rauchen. Ich starre auf meinen Becher, sie will tanzen. Wir gehen zu ihr. Ich schlafe, aber nicht genug.
Manche Frauen haben etwas an sich, das sie nicht wahrhaben wollen. Man erkennt es an ihrem Aussehen, an ihrem Gang, ihren Klamotten, ihrer Art zu sprechen. Ich rede nicht von Dykes, oder von Frauen, die so sind wie ich, so, wie ich heute bin oder vielleicht auch immer schon war, es ist nur ein Detail. Ich spreche es nicht an, sage ihnen nichts davon. Es würde sie kränken, warum, verstehe ich auch nicht, dabei ist es so schön. Es ist wie bei meinen schwulen Freunden, die glauben, man merke ihnen nichts an. Es scheint sie nicht zu interessieren. Die Frauen schlafen mit mir, ohne weiter darüber nachzudenken. Als ändere es nichts, dass ich eine Frau bin, als sage das nichts über sie aus. Als ob es Homosexualität überhaupt nicht gäbe. Als sei es nur Liebe.
Manchmal liebe ich eine mehr als die andere. Manchmal liebe ich beide. Manchmal liebe ich keine von beiden. Manchmal lasse ich sie fallen. Die eine oder die andere. Um der Klarheit willen. Und dann nehme ich sie wieder zurück. Sie bestehen darauf. Sie lieben mich. Sie verlangen nichts von mir. Nichts außer meinen Mund, meine Hände, meinen Arsch. Früher konnte ich nicht schlafen, wenn jemand neben mir lag. Jetzt kann ich nicht mehr schlafen, wenn ich allein bin.
Ich lerne, dass ich egal wen lieben kann, egal wen begehren, mit egal wem kommen, mich mit egal wem langweilen, egal wen hassen kann, dass es ein schmaler Grat ist zwischen lieben und nicht lieben, ich denke, dass es nicht so schlimm ist, warum muss die Liebe, das Begehren immer mehr als das sein, wozu all das Theater, frage ich mich.
Ich rede nicht beim Ficken. Kein Wort. Ich schreie auch nicht, wenn ich komme. Jedenfalls ist es nicht das, was ich unter Schreien verstehe. Ich atme, seufze, stöhne. Aber keine Wörter oder Sätze, oder so gut wie nie. Schreie schon gar nicht. Ich glaube, darum geht es nicht, mir jedenfalls nicht, ich mache es nicht, fertig. Übrigens sind wir in meiner Familie alle etwas wortkarg. Wir reden nicht über wichtige Dinge. Nicht über Liebe, nicht über Kohle, nicht übers Vögeln, nicht über Kummer oder Angst. Deswegen habe ich mich gewundert, als mein Vater neulich meinte, meine Mutter sei zum richtigen Zeitpunkt gestorben, dass sie es nicht ertragen hätte zu altern. Sie ist in meinem Alter gestorben, meine Mutter. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich es seit einigen Jahren so eilig habe. Ich hab mir gesagt, es ist gut, dass er das so sieht, so wird er sich weniger Vorwürfe machen, weniger Kummer haben. Die Junge redet gern. Sie sagt, sie sei mein kleines Girl, meine kleine Nutte, meine kleine Schlampe, meine kleine Bitch. Sei still, sei still, sage ich ihr.
Die Schlanke nimmt mich mit ins Theater, wir fahren mit der Metro nach Hause, kommen bei ihr an, ihre Töchter sind über Nacht geblieben, also gehen wir ins Mabillon, um einen Burger mit Pommes zu essen, sie küsst mich, streichelt mich auf der Straße, presst mich gegen die Autos, jemand ruft: Nehmt euch ein Zimmer! Heute Abend fragt sie mich, ob ich es eilig habe, sie sagt, sie wolle sich gern Zeit nehmen für uns, uns Platz schaffen, wir könnten nach Weihnachten ein paar Tage wegfahren, nach Italien oder in die Auvergne, aber dann eher im Frühling, sonst sei das Haus zu kalt. Ich antworte nicht, es gibt nichts zu antworten. Als ich sie verlasse, schmiege ich meine Handfläche an ihren sehr flachen Bauch, schiebe meine Finger in ihre Jeans, berühre den oberen Teil ihrer Vulva. Ich gehe zu Fuß nach Hause. Rue de Tournon, die Gitter des Jardin du Luxembourg, Rue Soufflot, Saint-Étienne-du-Mont, es ist spät, ich kann nicht schlafen und wie jeden Tag wache ich auf, bevor es hell wird, ich bin so müde.
Nachts träume ich von meinem Sohn, komplizierte Träume, in denen ich versuche, ihn zu treffen, oder nicht weiß, ob ich Anspruch darauf habe, er ist da aber spricht nicht mit mir, ich habe Angst, dass er ungehalten sein wird, er ist still, aber nicht unfreundlich, er schweigt und sieht mich an wie immer, gefasst, sanft, ruhig, ich habe Angst, von Laurent überrascht zu werden, denn ich weiß nicht, ob ich hier sein darf, davon wache ich auf, manchmal schlafe ich wieder ein und manchmal nicht. Gegen sieben Uhr gehe ich schwimmen, der Traum löst sich auf im Chlor, unter dem Neonlicht, unter der Dusche. Tagsüber geht es. Tagsüber gelingt es mir ganz gut, an andere Dinge zu denken. Oder ich denke daran, aber weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich könnte nicht all das machen, was ich mache, wenn er da wäre. Wenn ich ihn zur Schule begleiten müsste, abholen, zum Klavierunterricht bringen, zum Theaterkurs, zum Schwimmkurs, zum Tenniskurs und zum Basketballkurs, auf die Geburtstagsfeiern seiner Freunde, wenn ich mit den anderen Eltern sprechen müsste, mit den Leuten von der Schule, wenn ich einkaufen und Essen machen, bei den Hausaufgaben helfen müsste. Ich müsste mir wieder eine normale Wohnung suchen, einen normalen Job, ein normales Leben, ich könnte nicht so leben, wie ich jetzt lebe, ich könnte nicht ich sein, wenn er da wäre, ich müsste wieder umkehren, der Weg zurück erscheint mir sehr weit, ihn zu gehen ein Ding der Unmöglichkeit. Ich würde gern alles aufgeben, neu anfangen, ihn vergessen.