15

In der Familie meiner Mutter wurden die Kinder nicht von ihren Eltern erzogen, es gab Hausangestellte, Kindermädchen, die Lehrerin mit dem Zimmer im Château, es gab englische oder irische Misses, die sich um alles kümmerten, um gute Manieren und Zärtlichkeit, und dann wurden die Kinder mit etwa acht Jahren ins Internat geschickt. Die Jungs zu den Jesuiten, die Mädchen zu den Nonnen, in marineblauer Uniform. Ihnen wurde gesagt, sie würden dadurch stärker, und am Ende stimmte das auch. Im ersten Quartal haben sie geweint, dann haben sie sich daran gewöhnt. Die Eltern blieben die Eltern, vergessen wurden nur die Kindermädchen und die Nonnen.

Vielleicht werden wir uns nach dieser Geschichte weniger hassen, du und ich. Vielleicht ist es eine Angst weniger, dieser Streit, der bereits stattgefunden hat. Vielleicht werden wir uns besser lieben. Der Streit, die Trennung, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, da es nicht genau das ist, da die Ursachen undeutlich sind, da wir nicht genau wissen, was eigentlich geschehen ist. Vielleicht werden wir uns später weniger hassen. Manchmal muss man den anderen loswerden, muss sich vergewissern, dass man dazu fähig ist. Dem kann man sich nicht entziehen.

Ich hab nicht in den Wald gehen, meine Spuren verwischen, auf der Flucht leben müssen. Hab nicht eines Nachts alle erschießen müssen, das Haus anzünden, mit der Karre davonfahren, dann mit dem Zug und dem Schiff, die Bullen auf den Fersen und im Fernsehen erklären die Nachbarn, die Sache sei ihnen unbegreiflich, ich hätte immer ganz normal gewirkt, ein bisschen einsam vielleicht, aber ganz normal. Das Haus, der Hund, die Kinder, Oma, das Frauchen, die Arbeit, die Ferien, die Hypotheken, die Grillfeste. Bam bam bam.

Natürlich passt es mir so. Es gefällt mir, wenn die Dinge klar sind. Ich möchte keine Missverständnisse. Es passt mir, weil ich noch damit beschäftigt bin, mich um mich selbst zu kümmern, ich bin das Einzige, was mich leidenschaftlich interessiert, ich brauche richtig viel Zeit für mich und man hat nie genug Zeit. Es passt mir, weil Liebe beängstigend ist. Alle Formen der Liebe, auch die zu einem Kind, die vielleicht ganz besonders. Das habe ich neulich zur Jungen gesagt. Zur Schlanken auch. Und zu anderen, vor und nach den beiden. Sie fragen mich nämlich immer aus, weil sie es nicht verstehen, weil sie finden, dass ich auf merkwürdige Weise leide, so wie sie ja auch finden, dass ich auf merkwürdige Weise liebe. Sie sagen, es mache ihnen Angst, wenn ich ihnen antworte, dass es mir so schon recht sei. Und mir geht die Düse vor ihrer Angst. Ich frage mich, was sie von mir erwarten, was sie unter Liebe verstehen, ob sie nicht den Abgrund sehen, das Glatteis, den gefrorenen Schrecken.