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Zwischen ihr und mir hat es sofort gefunkt. Sobald wir uns gesehen haben, noch vor dem ersten Wort. Sie ist groß, blond und kräftig, blaue Augen, so intensiv und sexy wie schwarze Augen, hohe Docs, kurze Haare. Eine echte Butch, für mich eine Abwechslung. Ich hab mir gedacht, sie hat sicher ein paar gute Techniken drauf und wird mir nicht mit Liebe kommen. Sie war bei einer meiner Lesungen. Es war voll, wir konnten uns nicht unterhalten, haben uns nur angestarrt, aber sehr eindeutig. Sie kannte meinen Namen, ich aber ihren nicht, und ich hab mir gedacht, sie wird meine E-Mail-Adresse, meinen Facebook- oder Instagram-Account finden, ist ja nicht schwer. Am nächsten Tag hat sie mir geschrieben, hat über mein Buch gesprochen, mich gesiezt. Ich hab sie geduzt und ihr angeboten, etwas trinken zu gehen, sie sollte den Ort aussuchen. Wir haben uns in der Rue des Archives getroffen, im Cactus, gegenüber vom Cox. Sie hat ein Picon Bière bestellt, ich ein Panaché, wir haben uns ein wenig unterhalten, ich hab auf unsere Gläser gesehen, wir hatten sie fast ausgetrunken, ich wollte nicht noch eine Runde bestellen, hab bis drei gezählt und sie geküsst. Ich hab gefragt: Gehen wir zu dir? Wir haben die Metro genommen, es war etwas weit, wir mussten einmal umsteigen, sind bei Gambetta ausgestiegen, ich kannte mich nicht aus. Wir sind bei ihr angekommen, haben auf dem Wohnzimmersofa angefangen, in ihrem Zimmer weitergemacht, es war ziemlich gut. Wir haben ein wenig geredet, dann wieder angefangen, sie hat mich gefragt, ob ich über Nacht bleiben würde, ich habe Nein gesagt.

Die Nächste treffe ich auf dem Enfants-Rouges-Markt, ein schöner Tag, sie trug einen ärmellosen Pulli, die Haut ihrer Schultern war sehr weiß, das Gesicht schmal und nervös. Sie hatte kurze braune Haare, blaue Augen, eine Studentin, ein hübsches Mädchen, ein bisschen schüchtern. Sie hat mir von ihrer Kindheit im Tarn erzählt, von ihrem Jahr in London, fuhr sich mit der Hand durchs kurze Haar, sie war etwas verlegen, hat einen Drink bestellt, mir von ihrem kleinen Bruder erzählt, von der rosa Farbe ihrer Nippel, den hellen Haaren ihrer Möse, sie hat sich eine Zigarette angezündet, wir sind zu ihr nach Hause gegangen, es war ganz in der Nähe.

Die Nächste sagt, sie sei von mir beeindruckt. Sie lächelt viel. Wir streicheln und küssen uns auf ihrem Sofa. Ich habe nicht aufgepasst, als sie dem Taxifahrer ihre Adresse gesagt hat. Wir sind zum Araber gegangen, um zwei Bier zu holen. Es muss um Mitternacht gewesen sein. Wir hatten schon ein bisschen mit den anderen getrunken. Als die Gläser fast leer waren und alle anfingen, Na dann, zu sagen und auf ihr Handy zu sehen, habe ich mich zu ihr umgedreht und gefragt: Schlafen wir miteinander oder nicht? Ich wusste, dass ich mir das erlauben konnte. Sie hat Musik angemacht. Das Beste, beim Sex, meinte sie. Ich weiß nicht mehr, was es war, Soul, glaube ich. Wir reden ein bisschen, vögeln ein bisschen, rauchen ein bisschen, schlafen ein bisschen. Morgens steht sie vor mir auf, holt Croissants, macht Smoothies, es gibt sogar die Marmelade ihrer Mutter. Ich gehe raus, suche ein Straßenschild, wir sind im Achtzehnten. Ich gehe in ein Café, ein doppelter Espresso am Tresen, es läuft BFMTV, auf dem Tresen liegt der Parisien vom Vortag. Ich nehme die Metro, mein Akku ist leer, im Kopf aktualisiere ich die Liste, die Zahlen, ich sortiere meine Geliebten nach Alter, Beruf, Hautfarbe, Stadtteil, ordne sie auf der Karte an, mein Tussen-Linienplan.

Sie ist keine 25, hat was von Tanita Tikaram, sagt, sie habe mit neunzig Frauen geschlafen, ist so groß wie ich. Sie sagt, sie wolle keine Liebe, auf keinen Fall. Liebe sei Schwäche. Sie mache das wegen der Macht. Sie will keine Penetration. Oder vielleicht in den Hintern, ab und zu. Am Tag, als ich sie kennenlerne, gehen wir etwas trinken und sie sagt, dass sie nie komme. Wir hatten uns auf Instagram geschrieben. Sie hat einen Witz gemacht und ich hab ihr meine Adresse geschickt. Wann? hat sie gefragt, und ich habe geantwortet: Jetzt. Ich hätte gern morgen, übermorgen, gesagt, denn im Grunde lag mir nicht viel daran, so ein Treffen ist ja auch anstrengend, aber ich habe gelernt, dass man die Dinge wollen muss, dass man jetzt sagen muss. Ich glaube, sie ist gekommen, bin mir aber nicht sicher, vielleicht hat sie es auch vorgetäuscht. Sie hat sich geärgert, dass ich keinen Dildo hatte, wollte mich ficken. Sie sagte, sie fühle sich, als sei sie in tausend Stücke zerborsten, das reine Chaos. Und dass sie eine Zeit lang viel gekokst habe. Ihr Ding sei es, Jungs zu ficken, ihnen einen zu blasen, bis sie kommen, denn sie wolle nicht von ihnen penetriert werden. Morgens war es kühl und sie konnte ihre Jacke nicht finden. Sie trug Jeansshorts, ein himmelblaues Hemd, schwarze Nikes. Ihr war kalt und ich hab ihr meinen grauen Kapuzenpulli gegeben. Sie hat ihren Kaffee mit Zucker getrunken, eine Marlboro geraucht, ein Taxi gerufen. Später hat sie mir eine Nachricht geschickt. Sie traue mir nicht aber ich gefalle ihr auch. Sie ist bildschön. Aber es hilft nichts. Wir haben es dabei belassen.

Ich grabe niemanden an, ich grabe nie jemanden an, ich sage oft Nein, manchmal Ja. Das hat wenig mit Sex und noch weniger mit Liebe zu tun. Ich begreife allmählich auch, dass ich so gut wie jede haben kann. Man muss sich nur trauen, schließlich langweilen sich alle und warten nur darauf, dass endlich etwas passiert.

Die Frau, mit der ich immer im Hof essen war, hat Schluss gemacht. Sie war nur noch am Weinen, hat in meinen Sachen herumgestöbert, eins meiner Notizbücher gefunden und meine Aufzeichnungen über andere Frauen gelesen. Wir haben uns in einem Café getroffen, alles lief gut, sie hat mir mein Notizbuch zurückgegeben und ich habe mich nicht entschuldigt.