Es ist immer jemand bei uns. Für den Fall, dass ich ihm in die Unterhose greife. Für den Fall, dass ich ihm eine Ohrfeige gebe. Falls ich ihm erzähle, wie ich heute Morgen in die Brüste gezwickt und gleichzeitig geleckt und gefickt worden bin, langsam, ganz langsam, wie viele Finger, Mama? Sie sind zu zweit. Das ist Vorschrift. So oder gar nicht. Eine Praktikantin, die zu viel redet, uns ihr halbes Leben erzählt. Und eine dreißigjährige Psychologin, die kündigen wird, weil sie die Nase voll hat vom Verein. Sie sucht einen neuen Job und eine Wohnung. Ihre Nachnamen kannte ich nie und ihre Vornamen habe ich mir nie gemerkt.
Das erste Mal, im April, will ich nicht hin. Ich frage mich, wie es wohl sein wird. Ich habe Angst, dass er schlechte Laune haben wird. Dass es mich verletzt. Ich habe es satt, verletzt zu werden. Dann denke ich an etwas anderes. Ich denke an seinen Körper. Seine Arme. Seine Hände. Seinen Kopf. Seine Haare. Wie sehen seine Haare aus? Sind sie gewachsen? Ich gehe doch hin, es ist mir egal, ob er mich anschmollt.
Er lacht, er kommt in meine Arme, er umarmt mich ausgiebig. Wir haben uns schon ziemlich lang nicht mehr gesehen, Mama, er bleibt einige Sekunden an mich gedrückt, wir sagen nichts, dann setzen wir uns hin, wir lächeln uns weiter an während des Gesprächs, aber nicht zu sehr, denn wir sind schüchtern. So tun, als sei die nette kleine Frau nicht da, sie einfach vergessen oder sich vorstellen, sie sei die Kellnerin in einem Café. Ich frage sie nach einem Glas Wasser. Er erzählt mir eine Menge Sachen, redet und redet, er berichtet mir von allem, was er getan hat, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, in der Schule und anderswo, die Skimedaillen, der Sport. Er sagt, er habe mein Buch bei der FNAC gesehen, bei den Empfehlungen, das Buch mit mir auf dem Umschlag. Er sei mit einem Freund unterwegs gewesen und habe zu ihm gesagt, das ist meine Mutter, er habe gehört, dass ich auch im Fernsehen gewesen sei. Er ist ziemlich gewachsen, ich sage zu ihm: Das ist ja irre, wie groß du geworden bist, er sagt, Wir sind alle groß in der Familie D., und hält seinen Arm an meinen, seine Handfläche an meine. Er fragt mich, was ich in der zweiten Ferienwoche mache, bald sei schon Ostern, ob es nicht schön wäre, ans Meer zu fahren, was meinst du, Mama? Wir könnten auch nach Montlouis, wie geht es Opa denn? Ich hoffe, die beiden vom Begegnungsraum schreiben fleißig mit. Der Verein gibt Pauls Vorschlag, die Ferien zusammen zu verbringen, an Laurent weiter. Laurent lehnt ab.
Ich bringe ihm immer etwas mit: Cashews, Datteln, Himbeeren oder auch kleine Geschenke, Bücher, eins aus der Arsène-Lupin-Reihe, Zwanzig Jahre später von Dumas, ein Adidas-T-Shirt, ein Portemonnaie mit Klettverschluss, einen Schlüsselanhänger mit Kompass. Er sagt immer: Das ist ja toll! Er lacht und umarmt mich, danke, Mama, er berührt meine Hand, meinen Arm, lehnt sich an mich.
Meistens sind wir froh, uns zu sehen, trotz der eigenartigen Stimmung im Begegnungsraum. Es tut mir gut, zu merken, dass ich nicht verrückt bin, dass ich alles, was ich über ihn und uns weiß, nicht geträumt habe, dass er da ist und ich auch, genau so, wie wir immer waren, und dass alles andere, das Verfahren, die Richter, die Leute und ihre Ansichten, falsch ist, Lüge und Wahn. Dass das Gerede die Dinge nicht ändert, weil die Realität die Realität ist und bleibt.
Aber manchmal zieht sich die Stunde auch ziemlich hin. Manchmal ist es kaum auszuhalten. Manchmal weiß ich nicht mehr, was sagen, er auch nicht. Manchmal erscheint es uns grotesk, wie wir Neuigkeiten austauschen, aus der Ferne, wie schlechte Schauspieler oder Menschen, die kein gemeinsames Leben mehr führen. Dieser freundliche Ton vor Zeugen. Manchmal sehe ich nur das, die Absurdität, dass wir hier sind und über nichts und wieder nichts reden, vor diesen Pädagogen, die sich über unsere Bindung freuen, Aufzeichnungen machen über die verschiedenen Stufen unserer Entwicklung und unsere Müdigkeit. Manchmal haben wir es satt, uns gegenseitig von unseren Tagesabläufen zu erzählen, über unsere Aktivitäten zu sprechen und Pläne zu schmieden, die sich dann doch wieder zerschlagen. Manchmal würden wir gern einfach nur schweigen. Oder schlafen. Ich verstehe gut, wie Verzweiflung entsteht.