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Mein Kumpel Jibé und ich nennen es Ausfahrt zwölf, auch wenn es bei ihm dabei um Jungs geht. Achtung, Ausfahrt zwölf, schreiben wir uns, wenn wir es nicht mehr abwarten können, uns zu trennen, wenn die Liebe uns lästig wird und wir es nicht mehr aushalten. Wir sagen uns, dass wir uns ein wenig bremsen sollten, mach es nicht auf nüchternen Magen, geh erstmal schwimmen, geh einmal um den Block, versuch es mal mit Bauchatmung. Wenn wir es dann hinter uns haben, sind wir füreinander da, gratulieren einander, sprechen uns Mut zu. Wir wissen, was das über uns aussagt. Wir sind ja nicht dumm. Wir verstehen einander, ohne dass wir auch nur ein Wort wechseln müssten. Ich hab schon viele per SMS abserviert. Manchmal treffe ich sie, wenn ihnen wirklich daran liegt oder wenn es Dinge gibt, die wir uns zurückgeben müssen. Ich biete so wenig Argumente wie möglich, keine richtige Erklärung. Ich versuche standhaft zu bleiben, nicht nachzugeben, zu warten, bis es vorbei ist, bis sie nicht mehr reden wollen. Ich habe noch nie eine Ohrfeige bekommen, niemand hat mir eine Szene gemacht. Wütend werden sie erst später. Dann fangen sie an, mich zu hassen. Dann kommt die Flut von Nachrichten, dann kommen die Anrufe mit unterdrückter Nummer, die E-Mails um 03:24 oder 05:17 Uhr. Was kann ich dafür, wenn ich sie nicht mehr liebe, wenn ich keine Lust mehr auf sie habe? Was kann ich dafür und was können sie dafür? Empfinden sie nicht auch diese Beklemmung, bemerken sie nicht auch den Makel, kommt ihnen nicht auch ein Anflug von Zweifel, wenn sie sagen, dass sie mich lieben? Wo ist die Gewalt in ihnen, dieser Drang, dieser Anteil Leben und Wahrheit? Natürlich bin ich mich selbst leid. Ich habe es satt, mich zu früh und zu schnell von Menschen und Dingen zu trennen. Wie ein Junkie, die Nase noch im Pulver, immer wieder von vorn anzufangen, nach zwei Tagen oder zwei Monaten, um dann verkatert aufzuwachen. Manchmal bringt es mich um, so zu lieben.