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Ich stehe früh auf, schließe die Tür zu meinem Zimmer, durchquere den Gang und das Wohnzimmer. Ich koche Kaffee, ziehe mir eine Hose und ein Hemd an, nehme mir eine Nektarine, schreibe ihr einen Zettel, hole mein Fahrrad und gehe schwimmen. Als ich wiederkomme ist sie wach. Sie liegt auf dem Sofa. Sehr graue Haare, sehr fahle Haut, sehr dunkle Augen, ein Gesicht wie Jim Jarmusch, mit einem Hauch River Phoenix. Sie trägt ein schwarzes Unterhemd und meine Boxershorts. Sie spielt Gitarre. In der Wohnung meines Mitbewohners steht eine. Sie spielt Nick Cave oder auch Bowie, aber einen Bowie-Song, den ich nicht kenne, der von Köln erzählt, und irgendwas von cool Canasta. Ich mache noch mal Kaffee und toaste Brot. Natürlich reden wir ein wenig. Dann legen wir uns wieder hin. Sex. Manchmal denke ich, es geht um Lust und manchmal, dass es irgendetwas abzuwehren gilt, ich weiß aber nicht was. Wir schlafen ein. Die Putzfrau kommt, ich höre sie die Haustür öffnen, jetzt will sie in mein Zimmer. Sie versteht sehr wohl, dass sie uns stört, es ist ihr egal. Wir ziehen uns an und gehen raus. Die Putzfrau spricht von Produkten, die ich nachkaufen soll, fragt nach meinem Sohn, den sie überhaupt nicht kennt, aber sie spürt wohl, dass es ein wunder Punkt ist, oder irgendwer hat es ihr erzählt. Sie bohrt nach, um mich zu quälen, die Rache der Arbeiterklasse. Dann spricht sie von ihren Füßen, die wehtun würden, und dann noch über ihre Rente. Komm, wir hauen ab! sage ich zu G. Wir suchen uns ein Café, setzen uns draußen an einen Tisch. Paris ist verlassen, ein wenig grau, es ist heiß. Ich stoße meine Tasse um, der Kaffee läuft ihr über die Hose. Vielleicht sehen wir uns am Abend wieder. Wir verabschieden uns. Ich gehe, sie auch, in die entgegengesetzte Richtung, um die Ecke, ich sehe sie nicht mehr, gehe weiter, dann sehe ich sie doch wieder, sie hat kehrtgemacht. Sie sagt, sie sei traurig, habe Angst. Deswegen ist sie wiedergekommen, um mir das zu sagen. Um ein bisschen zu weinen, nur ein wenig, und sich dabei an mich zu lehnen. Sie habe Angst vor dem Ende des Sommers. Oder es nicht bis dorthin zu schaffen. Vielleicht sei es wegen der Frau, von der sie sich getrennt hat. Oder weil es so schnell gegangen sei. Vielleicht sei es auch wegen der Liebe. Sie fragt, ob ich sie verstehe. Ja, Nein, sage ich. Keine Ahnung.

République Magenta Stalingrad Laumière. Ecken, die ich nicht kannte. Stalingrad gefällt mir, ich mag die Namen von Schlachten. Ich fahre ein leichtes Rennrad, ein altes von Peugeot, sechzig Tacken bei leboncoin. Eine Bremse reißt, ich halte inne, fahre langsamer, es ist heiß. Die Feuchtigkeit, der Canal de l’Ourcq, diese Ecken kannte ich nicht. Ich orientiere mich am Schild gegenüber ihrer Wohnung: Sushi-Paradies, 20% auf alle Takeaway-Bestellungen. Code, Aufzug, ich stelle mein Fahrrad in ihrer Küche ab und gehe zu den großen Fenstern. Links versperrt ein Turm die Sicht, sodass der Himmel rechts riesig erscheint, das hat was von Science-Fiction. Eine Atmosphäre wie bei Valerian, ein Hauch von Utopie. Wir machen nicht viel. Vielleicht reden wir ein bisschen, sehen uns Bücher an, hören Musik. Ich sitze auf dem Boden. Ich halte Gegenstände in meinen Händen. Irgendwann sagt sie zu mir: Komm, und wir legen uns hin. Wir schlafen miteinander, aber nicht sofort. Zuerst sind wir einfach nur da, drücken uns aneinander. Dann legt sie sich auf den Bauch und bittet mich, ihren Rücken und ihren Hintern zu streicheln. Dann sagt sie nichts mehr, gibt mir keine Anweisungen, wie sie es sonst manchmal tut, heute Morgen erst. Sie lässt mich machen, schweigt. Dann lege ich mich an sie, ein Bein auf ihr, ich schlafe. Ich wache auf, sie sagt mir, ich solle noch nicht gehen. Jedes Mal, wenn wir uns verabschieden, sagt sie, dass sie das Gefühl habe, wir würden uns nie wiedersehen.

Sie zahlt, ich fahre. Wir haben Normandie gesagt. Bei Bayeux ist es schön, habe ich gesagt. Wir kaufen eingeschweißtes Essen an der Tanke. Sie wählt die Musik aus. I’m in love with your brother what’s his name, heißt es im Lied. Wir finden ein Airbnb in der Nähe des Omaha Beach. Wir gehen schwimmen. Wir gehen Abendessen. Sie schlägt mich beim Tischtennis. Wir nehmen zwei Zimmer. Kein Druck, was Sex angeht. Oder Liebe. Morgens kommt sie zu mir ins Zimmer. Wir frühstücken. Wir fahren durch die Landschaft. Ich nehme sie mit zu einem Cousin, der in einem Schloss in der Nähe wohnt. Es gehörte meiner Großmutter. Es gibt einen Teich mit Schwänen. Wir bleiben nur zwanzig Minuten, dann gehen wir wieder. Wir vergnügen uns ein wenig in den Büschen, fahren wieder auf die Autobahn, sie nennt mich Maurice, wie im Film von James Ivory.